Optischen Netzen und 10-Gigabit-Ethernet gehört die Zukunft

Das Protokoll-Dickicht im LAN und WAN lichtet sich

28.07.2000
BONN (pg) - Bei Investitionen ins Netz aufs richtige Pferd - sprich die optimale Technik samt Hersteller - zu setzen, zählt für IT-Manager zur größten Herausforderung. Im Networking scheint die Marschroute jedoch relativ klar: Optischen Netzen (Layer 1), 10-Gigabit-Ethernet (Layer 2) und dem Internet Protocol (Layer 3) gehören die Zukunft.

In der Haut eines Netzverantwortlichen zu stecken, war in den letzten Jahren nicht immer erstrebenswert. Token Ring raus oder nicht, Gigabit Ethernet ja oder nein, mit ATM bis ins Backbone und so weiter und so fort, all das waren Fragen, mit deren falscher Beantwortung Unternehmen viel Geld in den Sand setzen konnten. Es wäre zwar übertrieben, in Sachen Netzwerkentscheidungen heute keinerlei Notstand mehr zu sehen, aber die Weichen scheinen ziemlich klar gestellt. Zumindest was die Zukunft betrifft, herrscht unter Experten weitgehend Einigkeit, welche Techniken im Netz den Ton angeben werden. Das wurde auf einer Veranstaltung der Aachener "Comconsult Akademie" in Bonn deutlich, deren Ziel es war, Hersteller sowie Technologien hinsichtlich ihrer Perspektiven genauer unter die Lupe zu nehmen.

Zunächst zu den Herstellern: Man muss kein Prophet sein, um die Prognose zu wagen, dass Cisco Systems auch weiterhin an der Spitze der Networking-Anbieter marschieren wird. Stellt sich allerdings die Frage, welcher Konkurrent den Kaliforniern den Rang streitig machen kann. Hier ist nach Meinung des unabhängigen Unternehmensberaters Franz-Joachim Kauffels, Euskirchen, nur ein ernsthafter Herausforderer in Sicht - nämlich Nortel Networks. Das kanadische Unternehmen, bekannt durch die Übernahme von Bay Networks, ist nach Ansicht des Consultant in allen Produktkategorien "super positioniert". Wesentlich für den Erfolg von Nortel sei aber, dass die Kanadier in einem der Zukunftsmärkte schlechthin, dem Optical Switching, mit weltweit rund 90 Prozent Marktanteil eindeutig die Nase vorn haben.

In diesem Segment ist sogar Cisco ein Underdog, räumte auch Heinz Deininger, Business Developement Manager des Unternehmens in Deutschland, offen ein."Hier ist unsere Euphorie etwas gedämpft", sagte er und bezeichnete es als Fehler des Konzerns, die einst geplante Akquisition von Ciena Systems, einem Hersteller von Komponenten für optische Netze, nicht mit letzter Konsequenz verfolgt zu haben.

Deininger vergleicht die Situation seines Arbeitgebers mit der im LAN-Switching vor sechs Jahren. Damals hatte Cisco die Entwicklung ebenfalls verschlafen und holte erst durch die Übernahme von Crescendo langsam auf. Eine solche Aufholjagd kündigte der Manager nun auch für den Bereich optische Netzwerke an.

Etwas im Hintertreffen sieht Kauffels auch Lucent Technologies, das im Bereich optische Netze Nortel das Wasser ebenfalls nicht reichen könne. Aufgrund der Größe des Konzerns und der Umstrukturierung hält er Investitionen in Lucent-Produkte aber für kein allzu großes Risiko, allerdings mit leichten Abschlägen gegenüber den Wettbewerbern Nortel und Cisco.

Bei einem anderen namhaften Player der Netzwerkszene zeigt der Daumen von Kauffels bezüglich sicherer Kaufentscheidungen jedoch eher nach unten. "Cabletron hat es geschafft, in einem wachsenden Markt zu schrumpfen", beklagt der Berater und bedauert, dass die Neuausrichtung des Unternehmens, das gute Produkte aufweise, nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. Eine unbedenkliche Kaufentscheidung für Cabletron könne daher nicht ausgesprochen werden. Gleiches gelte übrigens auch für den Networker 3Com.

Die Bewertungen des Euskircheners decken sich nahezu mit denen von Petra Borowka, ebenfalls unabhängige Beraterin für Netzwerke und Geschäftsführerin der UBN in Aachen. Als Bank können nach ihrer Einschätzung Investitionen in Produkte von Cisco, Intel, Lucent, Marconi und Nortel gelten. Am Markt überleben werden ferner die Erzeugnisse von Alteon, Extreme Networks, F5 Networks, Foundry und Hydraweb. Für diese Hersteller gilt jedoch die Einschränkung, potenzielle Übernahmekandidaten zu sein.

Gemischt sind die Gefühle der Expertin bei den Produzenten Alcatel, Allot, 3Com und Hewlett-Packard (HP). 3Com-Produkte haben ihrer Ansicht nach nur noch auf dem Niedrigpreismarkt eine Chance. HP, so ihre Vermutung, wird zwar einen eigenen Produktbereich Networking behalten, sich aber mehr in Richtung "Lösungsanbieter" entwickeln.

Im Lager der Lösungsanbieter ist außerdem IBM anzusiedeln, dessen Produkte aber keine Rolle mehr spielen. Der ehemalige Big Player im Networking zählt deshalb mit Cabletron und Hirschmann zu den Anbietern, von denen Netz-Manager lieber die Finger lassen sollten. Ein absolutes "no buy" gilt in der Bewertung der Consulterin für die Netzwerkprodukte von Madge und Siemens.

Vieles spricht dafür, dass sich der Fleckerlteppich bezüglich der hohen Zahl von Anbietern ausdünnen wird. Die Dynamik des Marktes sorgt zwar für massenhaft Startups im Networking-Gewerbe, insgesamt aber mit der Tendenz, von den Großen geschluckt zu werden. Dieser Aspekt sollte bei Netzplanung und Anschaffung unbedingt berücksichtigt werden.

Stichwort Netzplanung: Hier spielt den Administratoren eindeutig eine Konsolidierung der Technologien in die Hände. Drei bislang wesentliche Elemente im Networking, nämlich der Token Ring, Fiber Distributed Data Interface (FDDI) und der Asynchronous Transfer Mode (ATM), befinden sich auf dem absteigenden Ast. Spricht man Klartext, dann sind der Token Ring und FDDI sogar schon tot (siehe Grafik) und läutet für ATM das Sterbeglöckchen.

Doch warum geht es auch ATM an den Kragen, wo doch lange Zeit die Vision bestand, der Standard werde vom Wide Area Network (WAN) aus einen Siegeszug ins lokale Netz und sogar bis hin zum Desktop (LAN) starten? Die Illusion, das zellbasierte Verfahren könne sich bis zum Endgerät durchsetzen, hatten sich die Verfechter zwar schon länger abgeschminkt, aber im LAN-Backbone und zur Highspeed-Server-Kopplung galt ATM als gesetzt. Die Prognosen der Analysten wiesen lange nach oben, mussten dann aber dramatisch nach unten korrigiert werden. Einer Studie der DellOro Group zufolge wurde ATM der Rang von Gigabit Ethernet bezüglich verkaufter Port-Zahlen bereits im zweiten Quartal 1999 abgelaufen. Es steht unumstößlich fest: Im LAN-Backbone dominiert das schnelle Ethernet und generiert einen erhöhten Bedarf an Backbone-Kapazität.

Hier waren Ethernet bislang allerdings Grenzen gesetzt, die den Standard zum reinen LAN-Protokoll abstempelten. Doch durch die Trennung von Frame-Format und physikalischer Codierung ist Ethernet hinsichtlich erreichbarer Übertragungskapazitäten fast beliebig skalierbar geworden. Nach Fast Ethernet (100 Mbit) und Gigabit Ethernet (1000 Mbit) steht nun 10-Gigabit-Ethernet zur Normierung an und wird bereits laut über X- beziehungsweise 100-Gigabit-Ethernet nachgedacht.

Das Traditionsprotokoll Ethernet - das auf Ebene 2 angesiedelt ist - profitiert dabei von einer Revolution auf Ebene 1. Auf der physikalischen Schicht wird derzeit das aktuelle, als Time-Division-Multiplexing-Technik (TDM) genutzte Codierungsverfahren Synchrone Digitale Hierarchie (SDH) durch optische Netze abgelöst. Der Vorteil: Während SDH maximal bis zu einer Kapazität von 40 Gbit wirtschaftlich zu betreiben ist, können mit optischen Netzen wesentlich höhere Geschwindigkeiten in Terabit-Größenordnung erzielt werden.

Das Maß aller Dinge heißt hier Wavelength Division Multiplexing (WDM) oder besser gesagt dessen Variante Dense Wavelength Division Multiplexing (DWDM). Bei DWDM wird im Gegensatz zu WDM das Licht nicht mehr als einzelner Strahl durch den Lichtwellenleiter übertragen, sondern in seine Spektralfarben zerlegt und in Form von einzelnen Wellenlängen, so genannten optischen Kanälen, übertragen. Eine Farbe - sprich ein Kanal - verfügt dann über eine Kapazität von 2,5 oder 10 Gbit. Es ist heute schon erkennbar, dass auf diese Weise mehrere 100 optische Kanäle entstehen und sich im Sendefenster von 1550 Nanometer aufgrund der niedrigen Dämpfung Entfernungen von mehreren tausend Kilometern überbrücken lassen. DWDM ist daher sowohl für das LAN als auch das WAN prädestiniert.

Das optische Netz verhält sich übrigens als Layer-1-Verfahren gegenüber allen Protokollen der Ebene 2 neutral. Es öffnet damit auch Ethernet die Tür zum Weitverkehrsnetz. Für die Normierer liegt infolgedessen nichts näher, als den etablierten Dauerbrenner noch mehr auf Tempo zu trimmen, um DWDM als einheitliche Übertragungstechnologie auf Ebene 1 und Ethernet als einheitliches Ebene-2-Verfahren sowohl im LAN als auch im WAN zu etablieren. Der kommende Ethernet-Standard IEEE 802.3ae wird diese Erweiterung zum WAN einsatztechnisch sicherstellen. Normiert werden sowohl ein LAN-Interface mit 10 Gbit/s als auch ein WAN-Interface, das die Bezeichnung OC-192 trägt und eine Übertragungsrate von knapp 9,6 Gbit/s schafft. Die unterschiedlichen Übertragungsraten von mehr als 400 Mbit/s müssen geräteintern angeglichen werden.

Wer sich die Dynamik des Ethernet-Marktes beim Sprung vom Ur-Ethernet auf Fast Ethernet und dann auf die Gigabit-Variante ins Gedächtnis ruft, dürfte auch am WAN-Erfolg des Evergreen kaum zweifeln. "Das wäre der endgültige Siegeszug des Ethernet, denn dann sind die Ethernet-Pakete überall", orakelt Kauffels und verweist auf die normative Kraft des Faktischen. Jedenfalls tritt mit 10-GE eine Gegenbewegung vom LAN ins WAN ein, die ATM mittelfristig mit ziemlicher Sicherheit selbst in der angestammten WAN-Domäne den letzten Wind aus den Segeln nehmen wird.

Noch besteht für IPv6 kein MarktdruckWährend DWDM auf Layer 1 und 10-GE auf Layer 2 ihre unumstrittene Spitzenposition erst noch zementieren müssen, ist dies eine Etage höher auf Ebene 3 mit dem Internet Protocol längst geschehen. Das Internet, die Konvergenz von Daten und Sprache, E-Commerce, integrierte Anwendungen wie Online-Kundenbetreuung oder auch die Vision der weltweiten telefonischen Online-Erreichbarkeit über eindeutige IP-Adressen machen IP zum Selbstläufer.

Hier stellt sich nur eine Frage: Wann kommt IPv6? Für das Protokoll gibt es aktuell noch keinen erkennbar starken Marktdruck", beschreibt Deininger den Status quo. Der Umstieg wird auf Dauer, so die Experten, aber unausweichlich sein, weil bei der gegenwärtig gültigen Version 4 von IP die Class-C-Adressen langsam aber sicher zur Neige gehen.

Eine problemlose Migration ist nach Ansicht von Borowka erst möglich, wenn eingesetzte DHCP-Server, DNS-Server, Applikations-Server, Layer-3-Switches, Router und auch Management-Systeme sowohl IPv6 als auch IPv4 unterstützen. Vor der Nutzung der ersten IPv6-Adresse, so ihr Rat, sollte jedoch ein vollständiges Adresskonzept vorliegen. Die Umstellung kann dann von den Routern und Layer-3-Switches über die Dienste-Server zu den Applikations-Servern und erst ganz zuletzt hin zu den ClientSystemen erfolgen. Treiber für das Protokoll wird der massive Einsatz neuer Endgeräte wie Handhelds, Mobiltelefone, Haushaltsgeräte, Settop-Boxen oder Fernseher sein, die künftig über universelle IP-Adressen angesteuert werden.

Abb: Token Ring und FDDI haben ausgedient. Die verkauften Port-Zahlen sind dramatisch zugunsten von Gigabit Ethernet gesunken. Das gleiche Schicksal droht ATM. Quelle: Dell´ Oro Group