Das Privatleben ein paar Jahre zurückstellen

25.10.2000
Von Protokoll: Kathi
Patrick Scheel (33), seit 1998 Geschäftsführer der Fenner Interselect GmbH, einem Unternehmen der Midat AG, erzählt, warum sein Tagesgeschäft erst um 21 Uhr beginnt.

„Die Chancen, die das Internet-Business in sich birgt und von denen heute jeder spricht, sind für mich vor drei Jahren während meines Praktikums bei der Midat AG zum ersten Mal sichtbar geworden. Es herrschte eine innovative Aufbruchstimmung, die faszinierte und die ich in meinem BWL-Studium bis dato vermisste. Nach nur drei Monaten als Praktikant holte mich der Vorstandsvorsitzende Uwe Fenner als Assistent nach Frankfurt.

Quelle: Stephan Pramme
Quelle: Stephan Pramme

So ein Job kann eigentlich nur zweierlei bedeuten - entweder wird ein Sekretär gesucht, oder man will einen High Potential fördern. Uwe Fenner entschied sich für Letzteres: Bereits nach gut einem Jahr ließ er mich einen neuen Bereich in der Personalberatung aufbauen.

Da es zunehmend schwieriger wurde, IT-Spezialisten durch Zeitungsanzeigen zu rekrutieren, entwickelten wir unterschiedliche Methoden des E-Recruitments. Wir konzipierten zum Beispiel einen Jobrobot, mit dem wir die Internet-Jobbörsen auswerteten und verfolgten die Diskussionen in den entsprechenden Newsgroups. Das waren Wege, die in der klassischen Personalberatung gänzlich unbekannt waren und deshalb mit entsprechender Skepsis begleitet wurden. Doch für Uwe Fenner war der Erfolg des E-Recruitment entscheidend. Im Oktober 1998 machte er mich zum Geschäftsführer. Anfänglich waren wir zwei feste Mitarbeiter und zwei Studenten, die ein Produkt zu entwickeln und am Markt zu platzieren hatten. Unser Büro in Potsdam war zwölf Quadratmeter groß.

Zehn Monate später hatten wir mit unseren Umsätzen die klassische Personalberatung zum ersten Mal überholt. Mit der Karriere-Plattform www.absolute-career.de - diesmal jedoch in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der klassischen Personalberatung, deren Know-how wir bei der Erstellung des Contents brauchten - setzten wir noch noch eins drauf: Online-Headhunting und klassische Personalberatung wurden wieder miteinander verschmolzen und damit faktisch auch strukturell versöhnt. Seit November 1999 sind wir unter absolute-career.de im Netz. Nach anderthalb Jahren operativer Tätigkeit haben wir 55 Festangestellte und 30 freie Mitarbeiter. In diesem Jahr werden wir zwölf Millionen Mark Umsatz machen, im nächsten Jahr doppelt so viel.

Dieser Erfolg lässt uns, meine Mitgeschäftsführer Thomas Hellmann, Harald Hugo und mich, nicht ruhiger werden. Im Gegenteil, wir suchen permanent nach neuen Wegen, um für unser Business die Vorzüge des Internet produktiv zu machen. Kompetenzgerangel kennen wir nicht. Die Atmosphäre aus unserer Aufbauphase haben wir uns erhalten. Wir pflegen einen sehr offenen Kommunikationsstil. Mein Schreibtisch steht hier bei den anderen, auch wenn er jetzt doppelt so groß ist wie früher. Von den Mitarbeitern wird wie in anderen Startups viel verlangt. Bei allem Stress muss man sich auch sagen können, wenn etwas nicht so läuft. Auch aus Fehlern lernt man, so schmerzhaft das manchmal ist. Zu meinem ‚Tagesgeschäft’ komme ich dann oft erst abends nach 21 Uhr oder am Wochenende. Da habe ich dann Gelegenheit, konzeptionelle Dinge zu entwickeln. Es gibt so ein ungeschriebenes Gesetz bei der Fenner Interselect GmbH, wonach der Geschäftsführer immer auch der beste Verkäufer sein sollte. Das ist mein ganz persönliches Ziel, mein Regulativ, mit Mitte 30 etwas aufgebaut zu haben, wozu man früher 30 Jahre gebraucht hatte. Da will ich in jeder Phase dabei sein. Dafür kann ich auch mal ein paar Jahre mein Privatleben zurückstellen."