Naturwissenschaftlich-mathematische Orientierung als Karrierefalle

Das Prinzip vom Überleben des Besseren gilt in der DV nicht

11.01.1991

DV-Verantwortlichen mit Aufstiegsabsichten ist zu raten, sich vom darwinistischen Prinzip: "Survival of the fittest" ("Der Bessere überlebt"), zu trennen: Nur der wird aufsteigen, so Walter Föhr, der in den Augen seiner Vorgesetzten als der Bessere gilt. Und dazu muß er in erster Linie die Sprache seiner Vorgesetzten sprechen und auch willens sein, seine Leistungen zu präsentieren. Genau daran mangelt es aber bei den meisten Mitarbeitern mit naturwissenschaftlich-mathematischen Prägung.

Nach Auffassung der Personalverantwortlichen fahrender Unternehmen ist der erstklassige Abschluß eines naturwissenschaftlich orientierten Studiums, vorzugsweise als Mathematiker oder Informatiker, unverzichtbare Voraussetzung für eine Karriere als Informationsverarbeiter.

Gründlichkeit und Genauigkeit aber auch die Kenntnis um die Grenzen der Leistungsfähigkeit des eigenen Gehirns sind kaum einer Berufsgruppe so vertraut wie den Mathematikern. Es verwundert daher nicht, wenn sich Unternehmensleitungen zunehmend der mathematischen Denkkraft und Vorsicht von DV-Managern bedienen, wenn es um die Lösungen vielschichtiger Probleme auch außerhalb der DV geht.

Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie belegt, scheint die Berufung von DV-Experten in den Vorstand jedoch noch eher zur Ausnahme als zur Regel zu gehören: Knapp zwei Drittel der DV-Verantwortlichen in der Bundesrepublik sind unzufrieden, weil sie sich als hierarchisch zu weit unten angesiedelt empfinden.

Es steht außer Frage, daß viele DV-Verantwortliche nicht den Rang eines Managers bekleiden, der ihrer Bedeutung für das Gesamtunternehmen entspräche. Die Frage, warum sie diesen Zustand nicht aus eigener Kraft verändern können, hängt direkt mit ihrer einseitig naturwissenschaftlich-mathematischen Orientierung zusammen.

Naturwissenschaftler haben während ihrer Ausbildungsphase lernen müssen, die eigene Person hinter die Sache treten zu lassen. Statussymbole und Äußerlichkeiten sind ihnen suspekt, Verkäufern und ähnlich extrovertierten Persönlichkeiten gegenüber reagieren sie allergisch, oftmals still leidend unter so viel Trivialität und Redundanz.

Trotz scharfen Verstandes sind sie selten eloquent und haben Mühe, sich persönlich zu präsentieren. Sie werden angreifbar und häufig Opfer ihrer scheinbaren Unbeholfenheit.

Das Streben nach Macht und Einfluß wurde ihnen selten in die Wiege gelegt, es floß auch nicht in ihre Ausbildung ein. Daher stehen sie oft ihrer Karriere selbst im Wege, obwohl sie ihr Defizit rational klar erkannt haben.

Die in fast allen Unternehmen dominierenden wirtschaftlich orientierten Führungskräfte kennen diesen Konflikt nicht und haben daher einen Mentalitätsvorsprung, der sich für sie auszahlt. Sie betreiben persönliches Marketing, das Naturwissenschaftlern fremd ist.