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"Das Netz ist ein öffentliches Gut"

07.05.2013
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Ben Scott hat als Politikberater die US-Debatte um die Netzneutralität entscheidend mitgestaltet. Auf der re:publica in Berlin ließ er die deutsche "Netzgemeinde" an seinen Erfahrungen teilhaben.

End-to-end (e2e) sei ein Designprinzip des Internets und dadurch auch eine Grunderwartung des Internet-Nutzers. Seit etwa zehn Jahren setzten die Infrastruktur-Betreiber aber Technik ein (NGN, Next Generation Networks), die e2e potenziell bedrohten. In der Debatte um Netzneutralität gehe es ähnlich wie bei der inhaltlich anders gelagerten um die Internetfreiheit um den gleichen Grundwert der Offenheit (Nichtdiskriminierung, Freiheit). Dem stünden wirtschaftliche respektive politische Interessen entgegen, so Scott.

Offen/geschlossen sei in beiden Fragen zentraler Gegensatz und müsse daher die neue Grundlage von Internet-Politik bilden. Die wichtigste Frage, die sich jeder Nutzer stellen müsse, laute: Wer kontrolliert, wie offen oder geschlossen Dein Netz ist, und warum? Washington schaue mittlerweile nach Brüssel und Brüssel nach Berlin, wenn es um Netzneutralität gehe. Endlose und größtenteils nicht produktive Debatten haben laut Ben Scott de facto zu einer "Netzunsicherheit" geführt, an der niemandem gelegen sein könne.

Für Scott, der mittlerweile für den US-Think-Tank OTI arbeitet, ist das das Netz eindeutig als öffentliches Gut zu definieren (und nicht als ein kommerzieller Dienst). Dem steht das Interesse der Carrier diametral gegenüber: Wenn mein Geschäftsmodell die Vermarktung des Zugangs zu knapper Bandbreite ist, dann habe ich kein Interesse daran, diese Bandbreite weniger knapp zu machen. Die Politik beschäftige sich im Prinzip nur mit zwei Arten von Fragestellungen - Rechenaufgaben und "Entenfragen" ("Sieht es aus wie eine Ente? Quakt es wie eine Ente?"). Die grundsätzlichen Regeln und Zuständigkeiten seien in punkto Internet aber noch nicht gesetzgeberisch geklärt; während man sich in Diskussionen bereits in technischen Details von Datenpaketen verfranse. Davor warnte Scott die deutsche Netzpolitik ausdrücklich.

Aufklärungsbedarf bei "Digital Natives"

re:publica-Mitorganisator Markus Beckedahl und Hannah Seiffert vom Internet-Lobbyverband eco betonten in der anschließenden Diskussion unter anderem, dass auch im Bereich Internet ein starker Regulierer wichtig sei. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) habe zu wenig Macht und Ressourcen, sagte Beckedahl, der als Experte für die Internet-Enquete des Bundestags des Öfteren Einblick in die Behörde bekam. Seiffert forderte ferner eine endlich substanzielle Breitbandförderung (Fiber) seitens der Politik.

Cara Schwarz-Schilling von der BNetzA hatte in einem anderen Panel früher am zweiten Tag der re:publica bereits eine gute Figur gemacht. Viele Zuhörer hatten sich dort vermutlich eingefunden, um mitzuerleben, wie Jan Krancke von der bösen "Drosselkom" gegrillt würde. Der Telekom-Vertreter schlug sich aber wacker und erklärte mit der restlichen Podiumsrunde erst einmal, wie vieles im Internet (Peering, Exchanges, CDNs, Managed Services) überhaupt technisch funktioniert. Und dafür gab es bei der "Netzgemeinde" ganz offensichtlich eine Menge Bedarf. (sh)