Die häufigsten Vorurteile (Teil 2)

Das NC-Konzept sorgt weiter für zahlreiche Mißverständnisse

19.09.1997

Neben grundsätzlichen und hartnäckigen Mißverständnissen zum NC ("dummes Terminal") grassieren vor allem psychologisch motivierte Vorbehalte. Diese entspringen bevorzugt der Abwehrhaltung einer weitverbreiteten PC-Mentalität. Deren heilige Kuh ist die vorgebliche Autonomie des Benutzers, der dank lokalen Massenspeichers Programme installieren, das System umkonfigurieren und Informationen horten kann. Die Folge dieser Einstellung sind Sicherheitsbedenken gegen NCs, weil diese Informationen auf entfernten, fremden Festplatten speichern müssen, wo sie Mißbrauch ausgesetzt sein könnten.

Freilich setzt nicht der NC, sondern das Internet Anwender neuen Risiken aus. Jede Einwählverbindung zum Internet Service Provider (ISP) öffnet einen PC für Angriffe. Jede besuchte Web-Seite und jede heruntergeladene Datei eröffnet unliebsamen Zeitgenossen die Chance, Daten am PC auszuspionieren oder Viren einzuschleusen. Daß PCs dagegen wenig Schutz bieten, zeigen zahlreiche Berichte über Sicherheitsmängel von PC-Betriebssystemen, allen voran Windows. Private Daten lassen sich daher am besten über Verschlüsselung und Zugriffsbeschränkungen schützen.

Dies kann natürlich auch auf der lokalen Festplatte erfolgen, in der Regel erledigt die DV-Abteilung oder ein Internet Service Provider (ISP) diese Aufgabe aber besser.

In eine ähnliche Richtung zielt der Einwand, NCs seien nutzlos, sobald das Netzwerk ausfällt. Das ist zweifellos richtig, gilt aber für das Telefon oder Kabelfernsehen genauso. Obwohl diese Geräte ebenso nutzlos sind, wenn Netzwerkstörungen auftreten, leisten sie gerade wegen ihrer Vernetzung gute Dienste. Im übrigen steht in vielen Unternehmen auch die Arbeit in PC-Umgebungen still, wenn das LAN ausfällt.

Offenheit ist beim NC vorprogrammiert

Die Abneigung eingeschworener PC-User gegen netzwerkzentriertes Computing äußert sich gelegentlich in der Befürchtung, daß sie sich mit NCs in die Abhängigkeit von Server-Herstellern begeben könnten. Natürlich hoffen letztere auf gute Geschäfte, wenn die Nachfrage nach leistungsfähigen Servern steigt. Unbegründet hingegen sind Verdächtigungen, wonach NC-Anbieter Anwender an eine bestimmte Server-Plattform fesseln wollen. Da die Software-Architektur von NCs auf offenen Internet-Standards basiert, lassen sich Anwendungen und Daten von praktisch allen Rechnern herunterladen. Einschränkungen gab es bis dato bei der Management-Software. IBMs "Network Station" kann mittlerweile von diversen Plattformen aus konfiguriert und gebootet werden, darunter auch von Windows NT. Sun will die gleiche Politik verfolgen und noch in diesem Jahr ebenfalls das Microsoft-System unterstützen.

Der PC hat den Ruf, Programme mit hoher Geschwindigkeit ausführen zu können. Dieses Privileg kann angesichts der zunehmend aufgeblähten Software nur genießen, wer alle zwei bis drei Jahre in neue Hardware investiert. Die in vielen Unternehmen noch verbreiteten 486er mit knapper RAM-Ausstattung lassen den Einsatz von Windows 95 und Office 97 kaum zu. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand gegen NCs, Java-Programme seien zu langsam, kaum zulässig. Für Server-Anwendungen ist die derzeitige Java-Performance bestimmt ein Problem, für die meisten Client-Programme aber nicht. Beim Verfassen von E-Mails, dem Tippen von Korrespondenz oder der Eingabe von Adreßdaten verbringen Hochleistungs-CPUs die meiste Zeit damit, auf Benutzeraktivitäten zu warten.

Web-Browser geraten angesichts gängiger Übertragungsraten ohnehin selten in Verlegenheit. Gerade bei Front-ends für vertikale Applikationen ist die Ausführungsgeschwindigkeit von untergeordneter Bedeutung. Das beweist auch der schnelle Erfolg von Visual Basic (VB), das ähnlich wie Java P-Code interpretiert. Während sich Kritiker darüber mokieren, daß Sun innerhalb von zwei Jahren Java nicht auf die Performance von C-Programmen bringen konnte, mußten VB-Anwender rund fünf Jahre warten, bis Microsoft nativen Code anbot.

Die Resistenz von PC-Fans gegenüber NCs hält sich sogar für so unüberwindlich, daß einschlägige Studien psychologische Barrieren für das größte Hindernis des NC-Erfolgs halten.

NC-Mythen

- Vertrauliche Daten sind nicht mehr sicher, weil sie im Netz gespeichert werden.

- NCs sind nutzlos, wenn das Netz ausfällt.

- NCs machen Anwender von einem Server-Hersteller abhängig.

- Java ist zu langsam für ernsthafte Anwendungen.

- NCs scheitern am psychologischen Widerstand von PC-Usern.