Das Nachrichtensystem im Auswaertigen Amt Online- und Blitzprofil fuer die schnelle Volltext- und Feldsuche Von Bruno Morandell*

10.12.1993

Taeglich gehen im Auswaertigen Amt zirka tausend Agenturmeldungen ein. In der Vergangenheit wurden diese mit Hilfe von Fernschreibern und Druckern ausgegeben, gelesen, bewertet und verteilt. Um dieser Papierflut Herr zu werden, entschloss man sich, eine elektronische Alternative zu suchen. Das vorhandene PC-Netz auf der Grundlage des LAN-Managers und von Workstations unter Windows 3.1. sollte in die neue Loesung einbezogen werden.

Nach einer Testinstallation wurde ein auf Client-Server basierendes Unix-System mit einem Volltext-Retrieval-Kern ausgewaehlt. Als Server laufen zwei Sun-Sparc-Systeme 1030 mit jeweils 64 MB RAM unter Solaris, die im wesentlichen die Ausfallsicherheit des Gesamtsystems, aber auch eine Lastverteilung der Client-Prozesse garantieren sollen. Ein SCSI-Festplatten- Subsystem mit zwei 2,1-GB-Festplatten sorgt fuer eine redundante Datenhaltung durch Spiegelung der Platten. Die Kommunikation zwischen Clients und Servern wurde ueber Sockets auf TCP/IP realisiert.

Zum Empfang und der Aufbereitung der Agenturmeldungen dienen, auch aus Gruenden der Ausfallsicherheit, zwei 386er PCs unter SCO-Unix mit achtfach seriellen Schnittstellen. Die Meldungen gelangen ueber das Netz an die Datenbank-Server. Nach einer Doublettenkontrolle werden die Agenturmeldungen in Sekundenschnelle indiziert und stehen den Anwendern zur Volltextrecherche zur Verfuegung.

Im Februar 1993 ging das Testsystem in Betrieb, mit dem Ziel, die Anwender schrittweise an die neue Arbeitsmethode heranzufuehren und die Akzeptanz zu erhoehen. Schon nach wenigen Tagen konnten die Ticker abgeschaltet werden, da die Benutzer die Erleichterungen durch das System schnell erkannt hatten.

Ausschlaggebend fuer die rasche Akzeptanz war eine uebersichtlich strukturierte, den Windows-Konventionen entsprechende grafische Benutzeroberflaeche mit Pulldown-Menues und Buttons. Durch die leichte Bedienbarkeit ueber Maus oder Tastatur nahm die Schulung fuer Windows-geuebte Anwender nur einen Tag in Anspruch. Die umfangreichen Recherchemoeglichkeiten haben dazu gefuehrt, dass die fuer die taegliche Arbeit relevanten Informationen wesentlich schneller bearbeitet werden koennen.

Die eingehenden Agenturmeldungen werden in Kollektionen gespeichert, wobei eine Kollektion jeweils alle Dokumente der gleichen Struktur umfasst. Bei den ankommenden Texten handelt es sich um ein reines ASCII-Format, so dass alle Meldungen in einer Kollektion zusammengefasst werden koennen. Ueber Header- Informationen, die die Nachrichtenagenturen formatiert mitschikken, lassen sich bestimmte Feldinformationen extrahieren. Dies sind beispielsweise

- Name der Agentur,

- Prioritaet der Meldung,

- Ressortkennung,

- Meldungsnummer,

- Datum und Uhrzeit,

- Schlagzeilen sowie

- Stichworte.

Die Anwender haben nunmehr die Moeglichkeit, die benoetigten Meldungstexte sowohl ueber den Volltext als auch ueber die Felder zu recherchieren. Selbstverstaendlich sind auch Kombinationen von Volltext und Feldsuche moeglich. Alle Suchbegriffe lassen sich mit

- Booleschen Operatoren,

- Jokern (Platzhalter fuer ein Zeichen) sowie

- Wildcards (Platzhalter fuer mehrere Zeichen)

kombinieren.

Trunkierung (rechts und links) sowie Abstand und Zitatsuche sind moeglich. Alle Verknuepfungen sind eingebbar; eine integrierte Hilfefunktion erklaert die Syntax fuer den ungeuebten Benutzer.

Immer wiederkehrende, komplexe Abfragen koennen in sogenannten Suchprofilen gespeichert und somit wiederverwendet werden. Zwei wichtige Profile sind dabei das "Online-" und das "Blitzprofil". Mit Hilfe des ersteren werden alle neu eingehenden Meldungen mit den dort gespeicherten Suchalgorithmen verglichen. Stellt der Anwender den "Tickermodus" ein, so erhaelt er alle neuen Meldungen, die diesem Profil entsprechen, am Bildschirm angezeigt. Online- Profile koennen auch dazu genutzt werden, Agenturmeldungen zu bestimmten Themen automatisch auf ausgewaehlten Netzwerkdruckern auszugeben.

Auch das Blitzprofil dient dazu, neu ankommende Meldungen mit der gespeicherten Abfrage zu vergleichen und den Anwender ueber ein Fenster auf eine besonders eilige Meldung aufmerksam zu machen.

Dieses "Blitzfenster" wird auch, nach entsprechender Voreinstellung, bei der Arbeit mit anderen Windows-Programmen eingeblendet.

Die Darstellung der Recherche-Ergebnisse am Bildschirm kann jeder Anwender ueber Pulldown-Menues frei waehlen. Es ist moeglich, wahlweise drei Texte mit den ersten sieben Zeilen oder zwei Texte mit zirka zehn Zeilen darzustellen. Eine einzeilige Darstellung bringt beispielsweise, je nach Grafikaufloesung des Bildschirms, 24 und mehr Meldungen mit den jeweiligen Schlagzeilen zur Anzeige. Durch Anklicken mit der Maus kann der Benutzer in den Splitscreen- Modus wechseln, so dass nunmehr nebeneinander die Uebersicht aller Meldungen und der jeweilige Volltext sichtbar ist.

Ausgewaehlte Dokumente koennen gedruckt oder ueber das Mail-System (MS Mail) des Auswaertigen Amtes anderen Anwendern zugaenglich gemacht werden. Geplant ist eine weltweite Verteilung wichtiger Informationen an die Auslandsvertretungen des Auswaertigen Amtes.

Eine Weiterverarbeitung der Texte mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms ist zur Zeit nicht vorgesehen, kann aber mittels Dynamic Data Exchange (DDE) die fuer die gaengigsten Textsysteme realisiert werden.

Das Nachrichtensystem, das die GAI Informationssysteme GmbH, Friedrichshafen, installiert hat, soll nach der derzeitigen Planung Agenturmeldungen zirka ein Jahr lang archivieren und im direkten Zugriff halten. Dies entspricht einer Groessenordnung von zirka 300 000 bis 400 000 Dokumenten. Einer der Gruende fuer die Entscheidung zu diesem System war, dass auch bei diesem Umfang sehr schnell auf die relevanten Informationen zugegriffen werden kann. Selbst bei komplizierten Volltextrecherchen liegen die Antwortzeiten im Sekundenbereich.

*Bruno Morandell ist Vertriebsbeauftragter der GAI Informationssysteme GmbH in Friedrichshafen.