Das Modem ist die Message Dieter Eckbauer

12.05.1995

Netzsurfen im Internet wird, traut man der Anschlussstatistik, zum Massensport. Ob echtes Informationsinteresse dahintersteht und der virtuelle Trip durch den Cyberspace fuer die Trendsetter der neuen Online-Generation auch ein Vergnuegen ist, beschaeftigt zur Zeit die Marketiers derjenigen Firmen, die fuer Verbrauchermaerkte produzieren: Pizzabaecker, Geschenkartikel- und Trikotagen- Hersteller, um nur einige zu nennen. Mit Verbrauchertips und Anzeigen per Bits und Bytes machen sie sich an die Online-Kunden von heute und morgen heran. Deren Alter spielt, nach unten gerechnet, keine Rolle. Im Internet, das weiss man, ist Online- Shopping bislang kein Geschaeft. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.

Die Sorge der IT-Spezialisten soll das nicht sein. Zwar gehoert es zunehmend zu ihren Aufgaben, die erforderlichen Netztechniken, System-Management- und Zugriffs-Tools auszuwaehlen und bereitzustellen, doch wird sie das Management schon rechtzeitig zurueckpfeifen, wenn dessen Rechnung, naemlich durch die Modem- Message lukrative Geschaefte zu stimulieren, nicht aufgeht. Im Business-to-Business-Bereich laeuft gegen dieses Kaufmannsgebot gar nichts. Das ist durchaus als Leitfaden fuer IT-Profis zu verstehen, die mit Blick auf ihre Karriere-Aussichten fragen: Bringt es etwas, sich im Unternehmen fuer die Online-Sache zu engagieren, oder ist Multimedia beispielsweise ein Rohrkrepierer aus der Alchimistenkueche der Computermarketiers - Haende weg also?

Als Mitarbeiter eines Verlages, der bedrucktes Papier vermarktet, sieht sich der Kolumnist mit der gleichen Frage konfrontiert. In der Zeitschrift fuer Medienberufe "Sage & Schreibe" (Special Mai 95) wird er mit folgender Aussage zur Online-Nutzung zitiert: "Die elektronischen Medien werden kommen - ob wir es wollen oder nicht. Die Nintendo-Generation der Screenager ist nichts anderes gewohnt. Die Technik selbst kann ich als nuetzliches Mittel begreifen, Informationen schneller und gezielter zu verbreiten. Herausforderung: Mit der Elektronisierung einher geht eine Entwicklung, die das Ende der Massenmedien bedeutet." (Ende des Zitates)

Das gilt natuerlich nicht nur fuer diese, sondern fuer alle Sparten, in denen bisher mehr oder weniger gleichartige Gueter zur Deckung eines Massenbedarfs produziert und vermarktet wurden. Wir haben es im Online-Business mit einer Individualisierung der Maerkte zu tun - die Anbieter wissen immer weniger ueber ihre Abnehmer. Das macht Voraussagen ueber die Marktentwicklung so schwierig.

Jeder kann sich selbst pruefen: Komme ich mit den neuen Online- Techniken klar, in dem Sinne, dass sie mich nicht irritieren und von der Erledigung meiner eigentlichen Aufgaben ablenken? Eines ist klar: Angesichts des rasanten "Fortschritts" auf diesem Gebiet bleibt fuer den einzelnen immer weniger Zeit, die neuen Techniken einzuueben, ihren Sinn und Nutzen zu hinterfragen. So aber erst kann Akzeptanz wachsen. Diese Erkenntnis ist irritierend und beruhigend zugleich. Nichts wird so heiss gegessen, wie es im Cyberspace gekocht wird. Daran sollten die Online-Marketiers denken.