"Das Modell der 80er Jahre funktioniert nicht mehr"

23.09.1994

CW: Spaetestens mit den neuen Mehrprozessormaschinen adressiert Compaq den Corporate-Markt - mit dem kostenguenstigen Distributionskonzept, das sich im PC-Geschaeft bewaehrt hat. Nun ist es das DV-Management in den Unternehmen aber gewoehnt, mit einem Vertriebsbeauftragten des Herstellers zu verhandeln.

Barth: Aus diesem Grund beschaeftigen wir etwa 150 Vertriebsleute, die direkt zum Grosskunden gehen. Darueber hinaus haben wir 100 Systemingenieure, die in Verbindung mit unseren Vertriebspartnern ihre Unterstuetzung anbieten. Den Auftrag erfuellt dann allerdings der Haendler, das heisst, er installiert das System, und er uebernimmt die Wartung. Insofern unterscheiden wir uns also schon von Anbietern, die direkte Vertriebsmodelle haben.

CW: Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen Compaq und Konkurrenten wie HP und Digital Equipment: Sie bieten so gut wie keine Software an. Das koennte sich nachteilig fuer Sie auswirken.

Barth: Das Modell der 80er Jahre, bei dem alles von einem Hersteller kam, funktioniert erwiesenermassen nicht mehr. Ein typisches Beispiel dafuer ist Digital. Der Versuch, vom Prozessor ueber das Betriebssystem sowie die Entwicklungswerkzeuge und Datenbanken bis hin zu den Anwendungen alles selbst zu machen, hat sich nicht bewaehrt. Entwicklungskosten fuer derart kleine Stueckzahlen amortisieren sich nicht. So verkauft Digital denn auch seine Datenbanksoftware Rdb an Oracle. Das wuerden sie wohl kaum tun, wenn sie darin einen tollen Vorteil fuer sich saehen. Mit einem Marktanteil von einem Prozent sind Sie einfach nicht wettbewerbsfaehig. Wir werden sicher nicht denselben Fehler machen.

CW: Statt dessen treten Sie gemeinsam mit den jeweiligen Marktfuehrern auf. Damit beschraenken Sie die Wahlmoeglichkeiten Ihrer Kunden.

Barth: Wenn wir uns da mit bestimmten Software-Anbietern zusammentun, so bedeutet das doch noch keine Exklusivitaet. Unser "Smart-Start"-Paket umfasst vier Betriebssysteme, mit denen wir 85 bis 90 Prozent unseres Markts abdecken. Es wuerde nichts bringen, noch mehr anzubieten. Abgesehen davon, koennen die Kunden auf unseren Rechnern auch Betriebssysteme installieren, die wir nicht als CD anbieten. Das ist der Vorteil eines Industriestandards. Fuer Smart Start ist eine gewisse Logistik notwendig. Deshalb macht man das erst einmal mit den Marktfuehrern, denn daraus ergeben sich gleich lohnende Stueckzahlen.

CW: Sie machen sich sehr entschieden fuer das Microsoft- Betriebssystem Windows NT stark. Was ist aus der zugesagten Unterstuetzung fuer die Intel-Version von Nextstep geworden?

Barth: Wir haben Nextstep eine Weile in Erwaegung gezogen, weil dessen Entwicklungs-Tools sehr interessant sind. Aber das System hat sich unserer Ansicht nach im Markt nicht genuegend durchgesetzt. Und vor diesem Hintergrund ist das Thema heute nicht mehr akut. Das naechste Unix-System, das fuer uns interessant wird, ist Unixware von Novell. Leider ist es noch nicht als Multiprozessorversion vorhanden.

CW: Wie konkret sind Ihre Plaene, eine neue Server-Generation auf Basis von RISC-Technologie zu entwickeln?

Barth: Bei den Berichten darueber handelt es sich um Fehlinformationen. Alles spricht dagegen, RISC-basierte Prozessoren einzusetzen. Es reicht nicht, dass die Performance stimmt. Darueber hinaus muss das ganze Umfeld vorhanden sein: Betriebssysteme, Applikationen etc. Und das ist bei RISC momentan nicht der Fall. Auf dem Power-PC gibt es zwar AIX, aber ein IBM- spezifisches Betriebssystem werden wir sicher nicht einfuehren.

CW: Solche Spekulationen sind meist nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Barth: Unser Senior Vice-President Gary Stimac hat einmal gesagt, dass wir bei der Konzeption unserer kuenftigen Architekturen ueberlegen muessen, ob wir nicht die Voraussetzungen fuer den Einsatz anderer Prozessoren schaffen sollten. Und in diesem Zusammenhang kaeme moeglicherweise auch ein RISC-Prozessor in Frage. Diese Aeusserung hat zu Spekulationen im Markt gefuehrt. Aber es gibt derzeit absolut keine Plaene, auf der Server-Seite andere Prozessoren als die x86er von Intel einzusetzen.

Andreas Barth ist Vice-President fuer Europa, den Mittleren Osten und Afrika bei der Compaq Computer Corp., Houston, Texas.