Meinung

Das mittelständische Mehr

01.06.2004
Heinz-Paul Bonn ist als Vize-Präsident des Bitkom (Bundesverband für Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien e.V.) zuständig für Mittelstand, Software und Logistik. Als Vorstandsvorsitzender der Kölner GUS Group führt er ein auf ERP-Lösungen für den Mittelstand spezialisiertes Unternehmen.
Heinz-Paul Bonn ist als Vize-Präsident des Bitkom (Bundesverband für Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien e.V.) zuständig für Mittelstand, Software und Logistik. Als Vorstandsvorsitzender der Kölner GUS Group führt er ein auf ERP-Lösungen für den Mittelstand spezialisiertes Unternehmen.

IBM tut es, SAP tut es, Microsoft tut es, die Deutsche Telekom tut es . . . praktisch der gesamte Anbieter-Markt der ITK-Industrie stützt den Aufschwung 2004 auf eine Mittelstandsoffensive. Der Investitionsstau der vergangenen Jahre, das legt auch das aktuelle Konjunkturbarometer des Bitkom nahe, ist im Begriff, sich aufzulösen. Und vor allem der Mittelstand, so die Hoffnung, wird in den kommenden Monaten die ITK-Budgets ausschöpfen.

Tatsächlich zeigen auch die Strukturdaten über den Mittelstand, wo der Schuh drückt und wo Investitionen einen schnellen Return on Invest erwarten lassen: bei den Personalkosten und den durch Bürokratie verursachten Aufwendungen nämlich. Beide Belastungen können - und sollten - durch politische Reformen gemildert werden. Doch darauf kann der Mittelstand nicht warten. Er wird investieren (müssen).

Immerhin annähernd 25 Prozent der Gesamtleistung der rund 3,3 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland gehen für Löhne und Lohnnebenkosten drauf. Bei Großunternehmen liegt dieser Anteil deutlich geringer - unter 20 Prozent. Um Missverständnissen vorzubeugen: Arbeitnehmer im Mittelstand sollen nicht weniger verdienen, sondern im Gegenteil einen höheren Anteil ihrer Bruttolöhne einbehalten können - durch Senkung der Steuerlast und der Lohnnebenkosten.

Da dies so schnell nicht kommen wird, bleibt den mittelständischen Unternehmen nur eine Wahl. Sie müssen durch Prozessoptimierung effizienter und schlanker werden. Und dies induziert einen klaren Bedarf an Unternehmensberatung und Unternehmenslösungen. Wird dies zum Abbau von Arbeitsplätzen im Mittelstand führen? Wohl kaum. Zumindest aber sind Arbeitsplätze im Mittelstand durch ITK-Investitionen weniger gefährdet als durch die Rekordzahlen an Unternehmensinsolvenzen. Eine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt wird sich ohnehin erst einstellen, wenn die Arbeitsmarktgesetzgebung weiter gelockert wird. Und der Bürokratieabbau? Es geht schleichend voran. Auch hier gilt, dass der Mittelstand überproportional im Vergleich zu Großunternehmen durch Verwaltungs- und Dokumentationstätigkeiten belastet ist. Und weil das bereits heute deutlich über der Schmerzgrenze liegt, reagieren mittelständische Unternehmen auch sehr sensibel auf Projektkosten bei der Einführung von ITK-Systemen. Solange die großen Anbieter hier nicht zu deutlich verschlankten Projekten kommen, werden sie nicht an dieser Mittelstandsoffensive partizipieren. Da helfen dann auch keine Lizenzpreis-Dumpings.

Bereits heute leistet der Mittelstand mehr. Er ist deutlich effektiver und reagiert flexibler auf Marktveränderungen. Und er wird auch insgesamt einen überproportionalen Anteil an der Konjunkturbelebung haben. Er hat bereits heute einen Anteil von rund 60 Prozent der Bruttowertschöpfung. Wie viel „Mehr“ könnte der Mittelstand leisten (und investieren), wenn er nicht konsequent daran gehindert würde?