LAN im Wandel/Kupferleitungen haben in Unternehmen noch nicht ausgedient

Das Kreuz mit der Verkabelung

09.11.2001
Lange Zeit konkurrierten proprietäre Kabelsysteme in lokalen Netzen. Inzwischen haben sich Standards etabliert, dank derer sich verschiedene Übertragungsarten mit der gleichen Verkabelung nutzen lassen. Doch die klassischen Kupferleitungen stoßen langsam an ihre Grenzen - die Glasfaser schickt sich an, die Unternehmen zu erobern. Von Kai-Oliver Detken*

Als in den 70er Jahren Ethernet und Token Ring auf den Markt kamen, wurden spezielle Verkabelungssysteme für diese Technologien eingesetzt, die stark auf den jeweiligen Hersteller bezogen waren. Auch in der Folgezeit wurde die Vernetzung im LAN immer in Abhängigkeit eines speziellen Rechnersystems betrachtet. Jeder Anbieter besaß ein proprietäres Verfahren, das für eine bestimmte Umgebung ausgerichtet war und von anderen Systemen nicht verwendet werden konnte. Der große Nachteil für den Kunden war dabei natürlich, dass er sich immer in eine große Abhängigkeit begab und ein Herstellerwechsel sich nur schwer und mit großen Kosten durchsetzen ließ. Zum Teil machten selbst Weiterentwicklungen innerhalb der Produktlinie eines Anbieters Neuinstallationen notwendig.

Inzwischen hat sich diese Situation jedoch verbessert. Nicht nur die Übertragungsleistung der LANs ist gestiegen, auch die Starrheit der Kombination von LAN-Technologie und -Verkabelung gestaltete sich in den vergangenen Jahren weniger streng. Standardisierungen in diesem Bereich haben es inzwischen ermöglicht, die wichtigsten LAN-Varianten mit unterschiedlichen Übertragungsmedien zu realisieren. So kann man heute ein lokales Netz mit verschiedenen Medientypen aufbauen, aber im Umkehrschluss auch verschiedene LAN-Technologien über einen Kabeltypen realisieren. Das zeigt sich etwa an den Überlegungen, im Zuge der Sprach- und Datenkonvergenz Telefonverbindungen und Datenübertragungen über ein und dieselbe Infrastruktur zu realisieren.

Möglich wird dies unter anderem durch ein allgemeines Strukturmodell, das als Prinzip der strukturierten Verkabelung auch Eingang in die Normierung gefunden hat. Strukturiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass möglichst wenig unterschiedliche Transportmedien die Übertragung möglichst vieler Anwendungen erlauben.

Dieser Anforderung wurde durch den internationalen Standard ISO/IEC 11801 sowie durch die Europanorm EN 50713 Rechnung getragen. Die EN 50713 definiert die Topologie und die übertragungstechnischen Kenndaten für hersteller- und anwendungsneutrale Inhouse-Verkabelungen für ein unabhängiges, flexibles und zukunftssicheres Verkabelungssystem. Die konkrete Umsetzung erfolgt durch die Bildung von Hierarchiestufen, die topologisch und administrativ zusammengehören. Der Übergang von einer Hierarchiestufe zur nächsten findet dabei an definierten Punkten mit bestimmten Geräten statt.

Der Primärbereich bezeichnet dabei die gebäudeübergreifende Verkabelung mittels redundanter Kabeltrassen auf Lichtwellenleiterbasis, die an Gebäudeverteilern beginnen beziehungsweise enden. Der Sekundärbereich definiert gebäudeinterne Backbones, welche die Gebäudeverteiler mit einzelnen Etagenverteilern verbinden. Als Grundlage hierzu dienen sowohl Kupfer- als auch Glasfaserkabel. Unter dem Tertiärbereich versteht man die in der Regel sternförmige Verkabelung zwischen den Endgeräten und den Etagenverteilern.

Strukturierte VerkabelungDie Umsetzung dieses Stufenkonzeptes ist begleitet von der Forderung nach einem universellen, hersteller-, dienst- und protokollneutralen Verkabelungssystem für alle Sprach- und Datendienste. Dieses System muss nicht nur zukunftssicher, sondern auch wartungsfreundlich und betriebssicher sein. Die strukturierte Verkabelung lässt dabei auf den einzelnen Ebenen unterschiedliche Kabelarten zu. So schlägt der EIA/TIA 568 Commercial Building Wiring Standard vier grundsätzliche Kabeltypen für den Tertiärbereich vor: Koaxial, Shielded Twisted Pair (STP), Unshielded Twisted Pair (UTP) und Glasfaser.

Neue Anwendungen stellen in puncto Bandbreite und Übertragungsqualität erhöhte Anforderungen an die Netze. Effizienz, Zuverlässigkeit und Flexibilität hängen dabei vor allem von der Qualität der Verkabelungsinfrastruktur ab, die mit der aktuellen Entwicklung der LAN-Technologie Schritt halten muss. Da die Installation eines Daten- und TK-Netzes im Unternehmen erhebliche Investitionen bedeutet, sollte bei der Auswahl der zugrunde liegenden Technik auf eine sehr langfristige Investitionssicherheit geachtet werden. Vor allem die Frage, ob für die Anbindung der einzelnen Arbeitsplätze Kupfer- oder Glasfasertechnologie zum Einsatz kommen soll, sorgt dabei immer wieder für Kontroversen.

Es werde LichtAusgelöst wurde die Diskussion unter anderem durch die Entwicklung von Gigabit Ethernet (GE). Bei den Standardisierungsbemühungen stand von Anfang an die Realisierung von Fiber-Optic-Lösungen basierend auf dem Fibre Channel Physical and Signalling Interface im Vordergrund. Für preiswerte Anbindungen werden als Sendebauelemente statt Laser billigere Lights Emitting Diodes (LEDs) in Verbindung mit Multimode-Fasern eingesetzt. Die überbrückbaren Entfernungen sind dabei von der modalen Bandbreite der LWL-Strecke abhängig. Die leistungsfähigere LX-Variante (Long Wave Length) arbeitet mit Laserdioden und unterstützt sowohl Multi- als auch Singlemode-Fasern.

Ein häufig unterschätztes Problem bei LWL ist der Differenzialmodenversatz, der bei der Übertragung eines Singlemode-Signals über eine Multimode-Faser auftritt. Dieser Modenversatz bewirkt Laufzeitunterschiede einzelner Moden, die zu einer deutlichen Reduzierung der Bandbreite und Reichweite führen.

Die Realisierung einer Spezifikation für die Übertragung von GE über Kupfer hat sehr lange auf sich warten lassen. Der Nachfolger 10GE wird sogar ganz auf Kupfer verzichten. Damit eine Übertragungsrate von 1 Gbit/s überhaupt noch erreicht werden kann, verwendet GE einen Trick: Es werden gleichzeitig vier Kupferleitungspaare im bidirektionalen Full-Duplex-Modus genutzt.

Pro Paar werden dabei 250 MBit/s übertragen, die mit Hilfe einer in-telligenten, mehrwertigen Codierung (PAM5) eine Signalfrequenz von 80 MHz erzeugen (siehe Abbildung 2).

Ziel bei GE war es, die vorhandene Kategorie-5-Verkabelung mit zu unterstützen. Funktionsgarantien gibt es allerdings nicht, da die bisherigen Normen EN 50173 und ISO 11801 nicht dafür ausgelegt waren. Schätzungen zufolge sind nur zehn Prozent aller installierten Basen für die schnelle Ethernet-Variante geeignet. Seit März 2000 ist eine Änderung (A1) zur EN 50173 verfügbar, die neue Anforderungen an GE-taugliche Verkabelung stellt. Hier wurden unter anderem ein Permanent Link und Channel Link mit den jeweiligen Grenzwerten für Klasse-D-Verkabelung eingeführt, um 1000Base-T übertragen zu können.

ZukunftspotenzialUm die installierte Infrastrukturbasis weiter zu nutzen beziehungsweise zu erweitern, beschloss die ISO/IEC bereits 1997 die Einführung zweier neuer Anwendungsklassen (E und F) für Kupferkabel mit der Komponentenspezifikation Kategorie 6 und 7. Die Kategorie 6/Klasse E ist bis 250 Megahertz spezifiziert und erfüllt uneingeschränkt alle Anforderungen für 1000Base-T. Der Übertragungskanal soll bei 200 Megahertz noch ein stabiles Verhalten auf allen vier Paaren aufweisen und rückwärtskompatibel zu bereits bestehenden Verbindungsklassen (A bis D) mit RJ45-Steckern sein. Das soll sicherstellen, dass vorhandene Rangier- und Geräteanschlusskabel auch weiterhin genutzt werden können.

Höhere AnforderungenDer Nachteil dabei ist, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte für das Nahnebensprechen (Near End Crosstalk = Next) von 48 Dezibel bei 200 Megahertz nur durch spezielle Kompensationsmaßnahmen erreicht werden können, die jedoch keinem Industriestandard unterliegen. Zusätzlich kann der sorglose Austausch von nicht aufeinander abgestimmten Rangierkabeln zu Inkompatibilitäten oder Leistungseinbußen führen. Von einem offenen, herstellerneutralen Verkabelungsstandard ist man daher auch in diesem Fall noch ein gutes Stück entfernt.

Die geplante Spezifikation der Kategorie 7/Klasse F basiert hingegen auf dem Normenentwurf E-DIN 44312-5 der Deutschen Elektrotechnischen Kommission (DEK) vom August 1996. Hier wurden Leistungsanforderungen an den Übertragungskanal und die Einzelkomponenten (Datenkabel, Steckverbinder) bis 600 Megahertz spezifiziert. Allerdings sind auch hier noch einige offene Punkte zu klären. Neben Steckerproblemen müssen beispielsweise Grenzwerte einiger Parameter des Übertragungskanals noch endgültig definiert werden.

Fibre to the deskViel diskutiert wird das Thema, ob es sich lohnt, in Unternehmen Glasfaser bis zum Arbeitsplatz (Fibre to the desk = FTTD) einzusetzen. Hierbei müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Das Prinzip der strukturierten Verkabelung wird durch LWL-Technik erweitert: So soll das Topologiemodell Centralised Optical Fibre Cabling (COFP) über zwei Varianten eine flexiblere Verkabelung bei FTTD ermöglichen.

Während die erste Variante auf einen separaten Etagenverteiler verzichtet und die Kabel direkt von den Anschlussdosen zum zentralen Gebäudeverteiler führt, verwendet die zweite Variante einen passenden Rangierverteiler auf der Etage. Dadurch ergeben sich für Unternehmen Kostenvorteile, weil sie die Etagenverteiler und deren aktive Komponenten einsparen können. Außerdem bringt dies eine größere Flexibilität mit sich.

Sparpotenziale möglichEin weiteres Modell, das Open Office Cabling, bietet im Tertiärbereich die Möglichkeit, Mehrfachanschlüsse für Endgeräte einzurichten und diese über längere Anschlusskabel anzuschließen. Hier können auch Sammelpunkte eingerichtet werden, um den Verkabelungsaufwand weiter zu minimieren. Aufgrund der möglichen Einsparmaßnahmen erscheint FTTD daher nicht mehr so unrealistisch wie noch vor einigen Jahren.

Sollen die Mitarbeiter-PCs einen Glasfaseranschluss erhalten, können zwei Strategien verfolgt werden. Fibre-to-the-Office (FTTO) stellt einen Glasfaseranschluss innerhalb eines Büroraums zur Verfügung. Mithilfe von speziellen Konvertern, die über vier bis sechs Kupferanschlüsse verfügen, erfolgt die Anbindung der Endgeräte nach wie vor über Kupfer. Alternativ wird bei FTTD eine flächendeckende Versorgung bei voller Bandbreite pro Anwender erreicht. Das BIBA-Institut der Universität Bremen verfolgt die letztgenannte Strategie und rüstet ohne Zwischenschritte das Netz von 10-MBit-Ethernet-Koaxverkabelung auf FTTD auf. Hier möchte man in Bezug auf die Investitionssicherheit keine Kompromisse mehr eingehen, auch wenn die zusätzlich erforderlichen Adapter beispielsweise für IP-Telefone und Laptops zunächst höhere Kosten bedeuten.

Den Vorteilen durch den Einsatz von Lichtwellenleitern stehen auch einige Nachteile gegenüber. So muss bei Verwendung von Glasfaser weniger Kabel verlegt werden. Angesichts der höheren Kosten für Fibre ist dennoch mit einem um etwa 20 Prozent höheren Preis zu rechnen als bei Kupfereinsatz. Dafür haben LWL-Kabel den Vorteil, dass sie gegenüber elektromagnetischen Störeinflüssen unempfindlich sind und aufgrund der nicht gegebenen Gefahr der Kontaktkorrosion eine höhere Installationssicherheit bieten. Gegenüber Kupfer ist Fibre zudem für höhere Datenraten geeignet und in der Lage, größere Entfernungen zu überbrücken. Von Nachteil ist jedoch, dass Glasfaser nicht anwendungsneutral ist (ein analoges Telefon kann beispielsweise nicht angeschlossen werden). Außerdem sind aktive Komponenten für Glasfasernetze um bis zu 400 Prozent teurer als Geräte, die auf Kupfer basieren.

Kupfer hat nicht ausgedientBei der Vielzahl der verfügbaren Verkabelungsarten stellt sich für den Anwender die Frage, auf welche Technik er setzen soll. Unternehmen, die Wert auf hohe Flexibilität und Investitionsschutz legen, ist der Einsatz von Kategorie 6 / Klasse E zu empfehlen, da bei dieser Kupfervariante gegenüber Kategorie 5 wesentlich mehr Leistungsreserven vorhanden sind. Hinzu kommen die wesentlich besseren Werte von PS-Next, Elftext, Delay Skew und Return Loss bei vielpaarigen Übertragungsverfahren, sodass eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit sichergestellt ist. Eine weitere Leistungssteigerung in Richtung Kategorie 7 / Klasse F ist nicht zu empfehlen, da die Spezifizierung noch nicht ausreichend fortgeschritten ist.

Trend zur GlasfaserAufgrund der besseren elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV), der hohen Flexibilität und der Gewichtsvorteile tritt die Glasfaser zunehmend in den Vordergrund. Im Primär- und Sekundärbereich sind Lichtwellenleiter bereits vorherrschend. Gegen eine durchgängige Verwendung bis zum Arbeitsplatz sprechen derzeit der größere Installationsaufwand, die geringere Portdichte und der höhere Preis für die aktiven Komponenten.

Trotz der Vorteile der Glasfaser ist dieses Medium nach wie vor selten im Etagenbereich anzutreffen. Vergleicht man den steigenden Aufwand bei Installationen von Kategorie 6 und 7 bezüglich des Materials und der Installationszeiten, so wird die Glasfaser für viele Anwender auf lange Sicht eine attraktive Alternative bleiben. Trotzdem müssen die individuellen Gegebenheiten des Anwenders berücksichtigt werden. Auf Basis einer vorherigen fundierten Analyse kann in verschiedenen Fällen die Installation von Fibre bis zum Nutzer sogar preiswerter als Kupfer sein. Die Integration von Sprache und Daten wird hierbei den Trend zur Glasfaserverkabelung weiter beschleunigen. Auf lange Sicht führt deshalb an LWL kein Weg mehr vorbei, auch wenn die nächsten zehn Jahre bestimmt noch dem Kupfer gehören werden. (ave)

*Kai-Oliver Detken ist freier Autor in Grasburg.

Pro und Kontra Glasfaser

LWL-Vorteile

- Weniger Kabel zu verlegen und dadurch etwa die gleichen Kosten plus zirka 20 Prozent gegenüber der Verlegung von Kupferkabel;

- unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Störeinflüssen;

- höhere Installationssicherheit, da keine Kontaktkorrosion;

- für sehr hohe Datenraten geeignet;

- größere Längen möglich;

- fehlertolerante Kabelführung bis an den Arbeitsplatz möglich (Fibre to the desk).

LWL-Nachteile

- Nicht mehr anwendungsneutral (zum Beispiel analoges Telefon, ISDN, ADSL oder serielle Übertragung);

- höhere Kosten bei den aktiven Komponenten (bis zu 400 Prozent);

- insbesondere bei Singlemode- Faser sehr hohe Anschlusskosten.

Abb: Aufbau von Lichtwellenleitern

Verglichen mit Multimode-Glasfasern haben Singlemode-Kabel einen feineren Kern, aber einen stärkeren Glasmantel. Quelle: CW