Yankee-Group-Chairman analysiert auf der Comdex den Internet-Markt

Das Keiretsu-Prinzip wird auch den Cyberspace bestimmen

26.11.1999
LAS VEGAS (ciw) - Howard Anderson, Gründer und Chairman der Yankee Group, machte auf der Comdex im Zusammenhang mit E-Business die Presse mit einem neuen Ansatz bekannt: Demnach werden sogenannte E-Keiretsus den E-Commerce-Markt unter sich aufteilen.

Normalerweise werden große japanische Industriekonglomerate als Keiretsus bezeichnet. Konzerne wie beispielsweise Hitachi und Mitsubishi führen in ihrem Portfolio Firmen, die nichts als den Namen und einige Stabsfunktionen (Controlling/Bilanzwesen) miteinander teilen. Im Cyberspace weisen Anderson zufolge die zu einem "E-Keiretsu" gehörigen Konzerntöchter zwar mehr Gemeinsamkeiten auf, doch am Grundprinzip ändere sich nichts. Viele der, oft auch über Beteiligungen oder Kooperationsverträge, lose gekoppelten Holdings haben nur eines im Sinn: Möglichst viele Kunden gewinnen und damit Transaktionsvolumen im Internet zu generieren.

Anderson hat sieben solcher Keiretsus ausgemacht, die derzeit weltweit um die Vorherrschaft im Web kämpfen: Softbank/Yahoo, Kleiner Perkins/Amazon/Idealab, America Online (AOL), CMGI/ Lycos/Altavista, Microsoft, Paul Allen, Disney/Infoseek. Große US-Carrier mit Internet-Ambitionen wie MCI-Worldcom und AT&T bezeichnete der Yankee-Group-Gründer eher als "Hopefuls" - deren Chancen, im Konzert der Keiretsus mizuspielen, sind also im Moment noch ungewiß. Auch den Internet-Service-Providern (ISPs) sagte Anderson eine schwere Zukunft voraus. Mangels Profitabilität hätten diese Firmen mittelfristig nur die Möglichkeit, sich zu Application-Service-Providern (ASPs) zu wandeln und/oder als Teil eines Keiretsus zu agieren. Ihre "Marktkraft" würden besagte Keiretsus vor allem aus der Fähigkeit schöpfen, die Kunden innerhalb ihres jeweiligen Web-Imperiums zu halten. "Alle werden bemüht sein, ein breites Servicespektrum etwa mit Search-Engines, Portalen, Breitbandzugängen, Versicherungen oder Online-Aktienhandel und -Auktionen anzubieten", betonte Anderson.

Motto muß sein: DOB - Destroy your old Business!

Dem IT-Management in den Anwenderfirmen schrieb der Marktforscher indes schon Altbekanntes ins Stammbuch - allerdings in einer sehr pointierten Weise. "Noch traditionell" agierende Unternehmen müßten jetzt sehr schnell handeln, um im E-Business "überhaupt noch eine Chance zu haben". Der oft einsetzende mehrstufige Überlegungsprozeß, der meist mit "Ablehnung" (im Internet hat noch niemand Geld verdient) beginnt und sich dann über "Ärger" (dieses branchenfremde Unternehmen schnappt uns Umsatz weg) und "gradueller Adaption" (E-Commerce ist wichtig, also müssen wir etwas tun) fortsetzt, müsse in einer "aggressiven Adaption" enden. Dabei laute das einzig erfolgversprechende Konzept: "DOB" - "Destroy your old Business".

Neben den Keiretsus teilte Anderson den Internet-Markt in drei weitere Kategorien auf: die Angreifer, die Verteidiger und die Waffenhändler. Als Angreifer bezeichnete er Firmen wie E-Bay, Charles Schwab (E-Schwab), aber auch Amazon.com. Die Verteidiger sind nach der Definition des Yankee-Group-Spezialisten beispielsweise die klassischen Banken und Handelskonzerne. Als Waffenhändler, die "an jeden liefern, der bezahlt", gelten für Anderson Firmen, die geschickt auf der E-Commerce-Welle reiten, zum Beispiel Cisco Systems, Intel und Microsoft.