Gartner-Group-Analyse kritisiert europäische Regierungen

Das Jahr 2000 stellt Ämter vor fast unlösbare Probleme

14.11.1997

"Mehr als 40 Prozent der DV-Abteilungen im öffentlichen Dienst Europas werden keine operationale Stabilität ihrer wichtigsten Aktivitäten erreichen, bevor es zu Ausfällen kommt", prognostiziert eine Untersuchung der Analysten. Die IT in der öffentlichen Verwaltung sei stärker vom Problem 2000 betroffen als die in verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbranchen.

Es räche sich, daß die Regierungen bei ihrer Beschaffungspolitik jahrelang nationale Hersteller wie Nixdorf, Siemens, Olivetti, Bull oder ICL mit proprietären Umgebungen bevorzugten. Die Umstellung der oftmals überalterten Systeme komme teurer als bei verbreiterten Umgebungen. Sie seien nach zahllosen Gesetzesänderungen bis zur Undurchsichtigkeit und nicht nachvollziehbar modifiziert.

Die ungünstige Ausgangslage werde durch Budget- und Personalengpässe sowie Verwaltungsprozeduren weiter verschlechtert: Kaum denkbar sei es in Zeiten des Euro-Sparzwangs, Sonderposten, die Einsparungen anderer Behörden erfordern, zugesprochen zu bekommen. Die Bürokratie und wenig attraktive Gehälter machen Jobs im öffentlichen Dienst für IT-Profis weniger attraktiv als in Unternehmen. Entsprechend mangelt es an personellen Ressourcen.

Die üblichen Etatverhandlungen im Jahresturnus erschweren schnelle und angemessene Reaktionen auf dringende Probleme. Alle Projekte müssen langwierige Verwaltungsvorgänge und Bewilligungsverfahren durchlaufen.

Nick Jones und Andy Kyte, Autoren des Reports, resümieren, es gebe "keinen Beleg signifikanter Lösungsaktivitäten durch irgendeine europäische Regierung". Die DV auf Regierungsebenen sei über erste Jahre-2000-Aktivitäten noch nicht hinausgekommen; nirgends seien Umstellungspläne abgeschlossen und entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt. Jones und Kyte halten es für nötig, daß eine für Umstellungsarbeiten verantwortliche Person in Ministerrang ernannt wird.

Die Analystenergebnisse decken sich mit Erfahrungen aus der Bundesrepublik. Während es in den USA, Großbritannien und den Niederlanden zum Teil weitreichende Regierungsinitiativen zum Problem gibt, wurden solche "in Deutschland mangels echtem Interesse der Behörden nicht in Erwägung gezogen", klagt Frank Sempert, Sprecher der Anbietervereinigung "Initiative 2000", auf Anfrage der COMPUTERWOCHE. "Schlafmützigkeit" haben die Grünen der Bundesregierung nach einer blamablen Antwort auf eine kleine Anfage zum Problem 2000 im Bundestag vorgeworfen. Eine CW-Befragung in Behörden hat oft fehlendes Problembewußtsein und überall mangelnde Ressourcen offengelegt (siehe CW Nr. 44 vom 31. Oktober 1997, Seite 1 und 58).