Cloud, Hosting, Outsourcing

Das IT Service Management der Zukunft

10.12.2015
Von Kai-Uwe Winter
Für die IT-Abteilung werden die Automatisierung und damit die IT-Service-Management-Plattformen immer wichtiger. Der Beitrag zeigt, welche Modelle im ITSM-Betrieb denkbar sind.

IT-Organisationen müssen heute immer wieder neue Technologien und externer Cloud-Services in die eigene IT-Infrastruktur integrieren, so dass die Komplexität im Rechenzentrum steigt. Zugleich sind die IT-Verantwortlichen gefordert, die IT auf Basis transparenter Kennzahlen wirtschaftlich steuern Das langfristige Ziel der CIOs muss daher sein, IT-Dienste weitgehend automatisiert zu erbringen, sodass diese ähnlich wie am Fließband in einer Fabrik in wiederholbarer Qualität und in kürzester Zeit erbracht werden können.

Was treibt die ITSM-Entwicklung an?

Diese Anforderungen sind wesentliche Treiber, die die Entwicklung von IT-Service-Management-Lösungen derzeit beeinflussen (siehe auch ITSM-Tools im Überblick). Ein weiterer Faktor ist die veränderte Erwartungshaltung von Kunden oder Mitarbeitern an den IT-Service. Betagte Benutzeroberflächen oder komplizierte Suchmasken werden im Internet-Zeitalter nicht mehr akzeptiert: Internet-Plattformen wie Google, eBay oder Amazon zeigen, dass man mit nur einer Eingabezeile und einer einfachen Suchabfragen die gewünschten Ergebnisse erhält.

Um den IT-Self-Service für Mitarbeiter ähnlich komfortabel zu gestalten, muss eine ITSM-Lösung ein modernes Wissens-Management-System und eine Suchmaschine im Hintergrund betreiben. Darüber hinaus wünschen sich Anwender, dass sie mit dem Service Agent auch im Chat oder über ein Web-Forum kommunizieren können. Dafür benötigt die ITSM-Plattform wiederum eine Social Media-Infrastruktur und neueste Web-Technologien.

Schon an diesen Beispielen wird deutlich: Der Betrieb von ITSM-Lösungen wird für Unternehmen immer aufwändiger. Die IT muss im Rechenzentrum einen kompletten Technologie-Stack für die ITSM-Lösung betreiben und zudem geschulte Experten einstellen, die mit diesen Systemen umgehen können. Die hohen technologischen und finanziellen Anforderungen überfordern jedoch viele Unternehmen.

Im Video: IT Service Management - Die größten Herausforderungen

Alternative Betriebsmodelle: Cloud, Managed Services, Outsourcing

Heute gibt es eine Reihe von Alternativen zum Betrieb der ITSM-Lösung im eigenen Haus. Hierzu zählen Managed Services und Application Outsourcing ebenso wie das cloud-basierte Software-as-a-Service-Modell (SaaS). Unternehmen erhalten mit diesen Lösungen eine hohe Planbarkeit, da beispielsweise klare monatliche Betriebskosten bei definierter Verfügbarkeit anfallen.

Die bei weitem komfortabelste Lösung aus Unternehmenssicht ist hierbei SaaS. Der Anbieter betreibt die ITSM-Applikation in seinem Rechenzentrum und führt Wartung, Administration sowie laufende Updates durch. Anwender greifen über einen Web-Browser flexibel von unterschiedlichen Standorten und mit beliebigen Endgeräten auf die Anwendung zu.

Der Unterschied zu einer Managed Service-Lösung, die ja ebenfalls eine "All inclusive"- Strategie verfolgt, ist hierbei die schnelle und standardisierte Verfügbarkeit. Während eine Managed Service-Applikation speziell auf eine bestimmte Kundensituation zugeschnitten ist und auch nur diese bedient, kann eine SaaS-Lösung deutlich flexibler unterschiedliche Anforderungen der Kunden erfüllen. Das bedeutet, dass SaaS-Lösungen kurzfristig, da standardisiert, zur Verfügung gestellt und auch schnell wieder beendet werden können.

Ein weiterer Pluspunkt: Die Abrechnung bei SaaS erfolgt entsprechend der Nutzung (pay per use). Zudem wird beim Managed-Service-Modell eine ganz spezifische Ausarbeitung des Betriebsmodells benötigt, die die Konfiguration, ein Projektteam sowie dedizierte Hardware- und Software-Ressourcen umfasst. Hier wird also gerade kein Standard genutzt, der sich für andere Kundensituationen wiederverwenden lässt.

Wer von seiner bestehenden On-Premise ITSM-Lösung auf die SaaS-Variante migrieren möchte, kann dies mit überschaubarem Projektaufwand erledigen. Auf Kostenseite bedeutet der SaaS-Betrieb eine klare Entlastung für das IT-Budget, da beispielsweise auch der für die ITSM-Anwendung benötigte Technologie-Stack wie Datenbank und Web-Server aus der Administration und Wartung genommen werden kann.

Auch hier wird der Unterschied zur Managed-Service-Situation deutlich. Während erstere eine für die Kundenlösung dedizierte Konfiguration wie (virtuelle) Hardware, Software und Anpassung benötigt, wird mit SaaS eine Standardlösung angeboten, die im allgemeinen bei vielen Kunden passt und nur auf dieser Basis kundenindividuell angepasst werden kann.

Weiterhin bieten SaaS-Provider eine hohe Betriebssicherheit ihrer Anwendung: Einige ITSM-Anbieter garantieren eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent. Auch der Aspekt Sicherheit spielt hier eine wichtige Rolle, da Datenschutz und Backup von den Anbietern nach klaren Vorgaben und teilweise unter Zertifizierung erbracht werden.

Brauche ich das alles überhaupt?

Vor einer Entscheidung sollten Unternehmen jedoch genau analysieren, ob sie die von dem SaaS-Provider angebotenen Leistungen auch tatsächlich benötigen. So verlangt nicht jede IT-Organisation einen rund um die Uhr verfügbaren Service-Desk. Auch spielen einige Anbieter automatisch jeweils das neueste Software-Release der ITSM-Lösung ein - ein Festhalten an der alten Version ist dabei nicht möglich. Dies kann unter Umständen zusätzlichen Schulungsaufwand für die eigenen IT-Experten sowie für die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen mit sich bringen.

Als Argument gegen SaaS kommt von der IT-Abteilung häufig die Aussage, dass die angebotenen ITSM-Lösungen nicht flexibel genug an die Besonderheiten der eigenen IT-Organisation anpassbar sind. Heute sind die modernen ITSM-Angebote von ServiceNow, BMC, HP und anderen Herstellern aber durchaus individualisierbar. Notwendig ist hierfür jedoch nach wie vor ein Initialprojekt, um die eigenen Anforderungen präzise zu analysieren und passgenau mit der neuen Lösung umzusetzen.

Sollte darüber hinaus auch eine Integration mit im eigenen Haus vorhandenen IT-Systemen notwendig sein, ist auch dies von der Technologie her einfach lösbar. Die Integration kann beispielsweise über offene Protokolle wie Web Services oder dedizierte Schnittstellen-Server erfolgen, die die Kommunikation zwischen den Applikationen steuern. Moderne SaaS-Lösungen bieten hierfür On-Premise-Bridges an: Diese Server installiert der Kunde im eigenen Rechenzentrum und ermöglicht damit die Kommunikation der SaaS-Lösung mit Bestandssystemen.

Thema Datenschutz

Bei einer Entscheidung für oder gegen SaaS sind die Themen Sicherheit und Datenschutz ebenfalls zu beachten. Denn was viele Unternehmen bei der Auslagerung der Software an einen Cloud-Anbieter fürchten, wird am Beispiel des Incident-Managements deutlich. So versenden Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz-PCs im Fehlerfall gerne Screenshots ihrer Software-Probleme per E-Mail an den Support. Diese Bilddateien können Informationen zu Kontosalden ebenso enthalten wie Personaldaten. Betreibt der SaaS-Anbieter dann ein Nearshore-Center für die Fehlerbehebung, kann die Weiterleitung dieser Screenshots schon einen Bruch von vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen bedeuten.

Besonders zu beachten ist zudem, welchem Rechtssystem der SaaS-Anbieter unterliegt. Die deutlich unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen der USA und Europa zeigen, worüber die SaaS Kunden nachdenken sollten. Hier wird auch erkennbar, welcher Faktor für SaaS-Betreiber und Kunden immer wichtiger wird: das Vertrauen, dass die Daten in sicheren Händen sind.

Aus der Praxis

Bei den meisten Unternehmen, die sich heute für eine ITSM-SaaS-Lösung entscheiden, geht es um die Ablösung älterer On-Premise-Installationen. Jedoch lassen sich auch Ausnahmesituationen mit Hilfe von SaaS rasch lösen. Wenn beispielsweise nach der Einführung einer neuen Unternehmensapplikation der Support-Bedarf im Fachbereich höher ist als erwartet, kann die IT-Abteilung sehr schnell ein zusätzliches Hotline-System über das SaaS-Betriebsmodell bereitstellen. Die SaaS-Variante kann sogar günstiger und schneller implementierbar sein, als bei einem bereits vorhandenen klassischen ITSM-System einen neuen Mandanten anzulegen und diesen einzurichten.

Ein weiteres Einsatzmodell ist die Konsolidierung einer Vielzahl bestehender Service-Desks, die entweder traditionell gewachsen oder durch Firmenzukäufe hinzugekommen sind. Bei der Konsolidierung erhalten bestehende Service-Abteilungen in unterschiedlichen Regionen oder Unternehmensbereichen zunächst eine eigene SaaS-Lösung.

Über einfache Ticket-Austausch-Schnittstellen werden diese SaaS-Systeme dann mit dem zentralen Service Desk verbunden, gleichgültig, ob dort eine On-Premise oder SaaS-Lösung arbeitet. Diese Vorgehensweise kann einfacher und kostengünstiger sein, als die verteilten Service-Abteilungen mit ihren unterschiedlichen Zugriffsrechten und Mandanten auf die bestehende zentrale ITSM-Plattform zu schalten.

Was bringt die Zukunft?

Generell ist damit zu rechnen, dass sich der SaaS-Betrieb von ITSM-Lösungen weiter durchsetzen wird, da Unternehmen so schnell und flexibel ihr IT-Service-Management ausbauen und optimieren. Die Gründe für die Attraktivität von SaaS liegen auch in den weiter sinkenden Zugangskosten zum Internet, dem zunehmenden Funktionsumfang der Lösungen sowie der hohen Stabilität der Internet-Anbindungen von Unternehmen. Wer dennoch eine ITSM-Plattform im eigenen Rechenzentrum implementiert, wird hierbei auch externe Cloud-Komponenten integrieren. So entwickelt sich das Betriebsmodell für ITSM immer mehr hin zu einem hybriden Modell aus On-Premise- und Cloud-Betrieb.

Auf funktionaler Ebene werden ITSM-Lösungen künftig verstärkt Social Self-Services bieten und damit die Selbsthilfe von Anwendern bei IT-Problemen unterstützen. Die Selbsthilfe bei Smartphones oder Tablet-PCs ist bei der jüngeren Generation längst verbreitet - Für sie zählen diese Geräte zum Lifestyle und so sind bei ihnen technologische Kenntnisse vorhanden, die das Lösen einfacher technischer Probleme in Eigenregie erlauben.

Darüber hinaus stärken Social-Media-Plattformen die Motivation einzelner Anwender, anderen Mitarbeitern zu helfen. Die Belohnung in Form von virtuellen Expertenpunkten oder ein ausgewiesener Reputationsgewinn schafft meist Nachahmer innerhalb der Organisation und fördert so den Austausch zwischen den Mitarbeitern. Hier findet das Prinzip der Gamification also auch Einzug in den Business-Bereich und die IT-Abteilung wird entlastet.

Bei all der Eigenständigkeit der Anwender ist jedoch wichtig, dass das Service-Desk an diesen Plattformen und den Konversationen beteiligt ist. Andernfalls würde ein Schatten-ITSM entstehen, von dem First und Second Level Support nichts wissen. Zusätzlich können Unternehmer befürchten, dass ihre Mitarbeiter von der eigentlichen Arbeit abgelenkt werden und mit den Problemlösungen ihrer Kollegen beschäftigt sind. Allerdings ist auch bekannt, dass die meisten Nutzer bei technischen Fragen zunächst einen Kollegen oder Google befragen, bevor sie sich an den Service Desk wenden. Diese allgemein verbreitete Arbeitsweise sollte den befürchteten Einbruch an Produktivität wieder auffangen.