Die Hintergründe der Entscheidung

"Das ist für uns quasi ein Kulturwandel"

08.02.2010
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Ein wesentliches Ziel

CW: Sie sprachen das geplante anorganische Wachstum an. Sollten Sie damit die Übernahme der Postbank-Mehrheit gemeint haben, so macht die SAP-Einführung tatsächlich vieles einfacher. Was ist mit weiteren Akquisitionen? Wird das neue Kernsystem zum verbindlichen Standard?

GAERTNER: Ich will jetzt nicht über mögliche Akquisitionen spekulieren. Aber wenn man auch dafür gerüstet sein will, dann braucht man als Grundvoraussetzung eine klare IT-Strategie. Wir haben aus den bereits in Angriff genommenen Akquisitionen, beispielsweise mit der Norisbank und der Berliner Bank, gelernt, dass uns die Integration dort am leichtesten fällt, wo unsere eigene Landschaft modern, einfach und gut strukturiert ist. Das bauen wir mit dem neuen Kernbanksystem nun weiter aus. Es ist ja mit allen anderen Systemen verbunden und organisiert alle Schichten der Zusammenarbeit neu. Wenn wir also den vollen Nutzen daraus ziehen wollen, müssen wir auch in den umgebenden Systemen die Architektur verbessern und neue Governance-Strukturen einführen. Dadurch sinkt die Gesamtkomplexität des Systems, und das ist ein wesentliches Ziel für uns.

Die letzte Bastion

Von Karin Quack

So sicher wie die Bank von England - diese Redewendung ist im vergangenen Jahr ein wenig aus der Mode gekommen. Die Finanzkrise hat uns plötzlich vor Augen geführt, was eigentlich mit unserem Geld passiert, wenn wir es auf die Bank bringen.

Banken gehen Risiken ein. Davon leben sie. Deshalb haben sie ihre Risiken unter Kontrolle - theoretisch zumindest. Die Deutsche Bank immerhin fiel nicht durch waghalsige Spekulationen auf, und sie folglich einen mehr als soliden Gewinn eingefahren.

Jetzt aber wagt sie etwas, wovor der größte Teil der Branche bislang zurückschreckt: Sie steigt hinunter in den tiefsten Keller ihrer operativen Anwendungen, um dort gründlich auszumisten. Wer je ein altes Haus renoviert hat, weiß, dass dort unliebsame Überraschungen warten. Beim Ablösen der Tapeten hält man plötzlich das Wasserrohr in der Hand, und erst nach dem Andübeln der Küchenschränke weiß man, wo die Stromkabel verlaufen. Über manchen alten Putz hätte man im Nachhinein lieber eine neue Schicht Farbe gepinselt, anstatt ihn zu entfernen.

Diese Erfahrungen werden auch der Deutschen Bank nicht erspart bleiben. Das weiß der zuständige CIO Wolfgang Gaertner. Trotzdem hat er die Konzernleitung von der Notwendigkeit dieses Schritts überzeugt. So viel Tollkühnheit hätte man dem Mann gar nicht zugetraut, der stets einen so besonnenen Eindruck macht.

Doch welche sind die Alternativen? Die Kernbankensysteme haben zum großen Teil mehr Jahre auf dem Buckel als der Durchschnitt der COMPUTERWOCHE-Leser. Sie zu pflegen wird immer teuer. Das Verhältnis dieses Aufwands zum Nutzen der Anwendungen steigt. Also statt des Schreckens ohne Ende doch lieber ein Ende mit Schrecken - sprich: mit hohen Eingangsinvestitionen und einem gewissen Risiko.

Geld ist wohl vorhanden. Und das Wagnis schrumpft bei Licht betrachtet auf ein erträgliches Maß. Zum einen kann die Deutsche Bank von den Erfahrungen der Postbank profitieren, mit der sie seit längerem kooperiert. Zum anderen wird dieses Projekt mit Sicherheit nicht scheitern. Dafür sorgt schon die SAP. Sie würde einen derartigen Image-Verlust niemals zulassen - zumal sie sich anschickt, mit den Banken nun auch die letzte Bastion der deutschen Industrie zu erobern. Karin Quack