Das Internet verliert seine Unschuld Auf kommerzielle User warten Mail-Bomben und Robot-Agenten

11.11.1994

WASHINGTON (IDG) - Wie weiland Robin Hood und seine Gesellen als Raecher der Enterbten versuchen die elektronischen Abenteuerer von heute ihr Moeglichstes, das Internet vor den Interessen des Kommerzes zu schuetzen. Mit Mail-Bomben und Robot-Agenten wollen die selbsternannten Ordnungshueter das Netz von werbetraechtigen Nachrichten freihalten.

Bereits vor zwei Jahren musste Gene Spafford seine Erfahrung mit den modernen Rebellen machen. Sein Vergehen: Er hatte sich oeffentlich gegen sogenannte "Anon Remailers" - Server, die Anwendern die Moeglichkeit geben, E-Mail anonym zu verteilen - gewandt und wurde dafuer mit einer Flut von Mail-Bomben belohnt. Ironie des Schicksals ist, dass es mit Spafford einen Mann getroffen hat, dessen Anleitung in Sachen "Netiquette", dem Anstands-Knigge des Internets, fuer Neueinsteiger noch immer zur unverzichtbaren Lektuere gehoert.

Mit dem Erfolg des WWW und dem extremen Anstieg der Benutzerzahlen entwickelt sich die Mischung aus neuen, teilweise kommerziell- orientierten Nutzern und alteingesessenen Internet-Buergern, die sich gegen eine Kommerzialisierung wenden, zu einem explosiven Gebraeu. Pessimisten in den USA befuerchten bereits, dass ein veraergerter Netter, wie die Internet-Argonauten im Branchenjargon heissen, ein Unternehmen aufgrund seiner oder der Aeusserungen eines einzigen Mitarbeiters mit Mail-Bomben lahmlegt.

Ein Hindernis, um dieses Problem zu loesen, ist der kontinenteuebergreifende Charakter des Netzes, der es schwierig macht, eine zentrale Autoritaet zu errichten, die festlegt, was erlaubt ist. So wundert es nicht, dass Senatoren wie James Exon in den USA den Service-Providern den Schwarzen Peter zuschieben wollen: Die Anbieter sollen kuenftig dafuer verantwortlich sein, was ihre Kunden im Netz anstellen.

Zwar will das Aspen Institute in Queenstown demnaechst einen Bericht zum Thema "Information Rights and Responsibilities" in Sachen E-Mail und kommerziellen Aktivitaeten veroeffentlichen, doch es darf bezweifelt werden, ob dieser Appell an mehr Toleranz Erfolg hat. Zu einfach ist der Versand einer Mail-Bombe oder sogenannter Cancelbots. Dass diese Methode, unliebsame Mitglieder zum Schweigen zu bringen, nach hinten losgehen kann, musste die Internet-Gemeinschaft schon des oefteren erfahren: Falsch programmierte Cancelbots taten des Guten zuviel und loeschten auch andere Mails.