Das Internet verbleibt in amerikanischer Hand

22.11.2005
Die Domain-Vergabe steht weiter unter US-Kontrolle.

Auf dem Weltinformationsgipfel in Tunis (World Summit on the Information Society, kurz WSIS) debattierten Vertreter der Vereinten Nationen (UN), wer welche Entscheidungsbefugnisse über das Internet haben soll.

Wer gehofft hatte, der Gipfel werde damit enden, dass die USA künftig weniger Einfluss haben, wurde enttäuscht. Statt einer neuen gibt es nun nur eine zusätzliche Organisation.

Forum für Mitsprache

Ein "Internet Governance Forum" soll anderen Ländern ein größeres Mitspracherecht sichern. Besonders weit reicht dessen Macht jedoch nicht, denn das Forum soll sich mit Themen wie der freien Meinungsäußerung, dem Spam-Schutz und dem geistigen Eigentum befassen.

Mit dieser Form der Beeinflussung kann die amerikanische Regierung gut leben. Im Vorfeld der Tagung hatten Beobachter erwartet, die USA und der Rest der Welt würden bei Fragen um die Mitbestimmung im Web aneinander geraten. Im Raum stand dabei auch die Idee, die International Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) aufzulösen und die Aufsicht über das Domain Name System einer von der UN geführten Organisation zu übertragen. Doch daraus wird nichts. Die Icann bleibt, und damit grundsätzlich auch die Vormachtstellung der USA, denn die Domain-Aufsichtsorganisation agiert als Vertragspartner des amerikanischen Handelsministeriums (Department of Commerce).

Dennoch können Branchenkenner der Konferenz Gutes abgewinnen. "Es ist positiv, dass alle Beteiligten einen gemeinsamen Weg vorwärts gefunden haben", kommentiert Sabine Dolderer von der deutschen Domain-Vergabe Denic eG.

Mehr EU-Einfluss?

Für eine Bewertung, was von dem Internet Governance Forum zu halten ist, sei es jedoch noch zu früh. "Zwar hat sich die EU mit dieser Forderung durchsetzen können, inwieweit dies in mehr Einfluss mündet, bleibt aber abzuwarten."

Auch Michael Rotert ist grundsätzlich zufrieden: "Aus der Sicht der Internet-Service-Provider ist positiv zu bewerten, dass die Internet-Technik bleibt, wie sie ist", so der Vorstand des Verbands der deutschen Internet-Wirtschaft (E-Commerce Forum, kurz Eco) und Präsident der europäischen Provider-Vereinigung Euroispa. Ohnehin hatte das Thema für Rotert nicht oberste Priorität: "In Europa gibt es derzeit wichtigere Themen als die WSIS-Tagung." Dazu zähle zum Beispiel die von der EU geforderte Vorhaltung von Telekommunika- tionsdaten zum Zwecke der Strafverfolgung.

Für Curtis Gittens, Analyst der kanadischen Marktforschungsfirma Info-Tech, bedeuten die Beschlüsse von Tunis jedoch nur einen Aufschub im Streit um die Macht über das Netz. "Jedes Jahr werden Milliarden von Dollar im Internet umgesetzt, und jedes Land mischt da mit. Daher sollte das Web nicht unter der Kontrolle einer einzigen Nation sein." Auch Rotert glaubt, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: "Die Konferenz hat den Druck aus der Diskus- sion genommen." (fn)