Mobile Commerce

Das Immer-und-überall-Einkaufen

19.02.2013
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Das nächste große Ding? Mobile Commerce ist älter, als man denken mag. Bereits 2001 hatte die CeBIT es auf ihre Agenda gesetzt.

2001 war "M-Commerce" das nächste große Ding auf dem Hannoveraner Messegelände - ein Trend, der den Einzelhandel revolutionieren sollte. Bevor es aber richtig fliegen konnte, platzte die Dotcom-Blase. Heute, zwölf Jahre später, nimmt die Messe einen neuen Anlauf: Unter dem Oberbegriff "Mobile Commerce" dreht sich wieder alles ums mobile Einkaufen und Bezahlen.

Einkaufen wird mobiler...
Einkaufen wird mobiler...
Foto: fotolia.com/SVLuma

Im Gegensatz zu früheren Szenarien hat das "Immer-und-überall-Einkaufen" dank mobiler Geräte mit ihren zahlreichen Apps und technischen Möglichkeiten eine neue Qualität gewonnen. Wie eine aktuelle Studie von promio.net im Auftrag der Messe Frankfurt ergab, für die 1000 Personen ab 14 Jahren nach ihrem Nutzungsverhalten im Netz befragt wurden, shoppen besonders Gutverdiener mit einem monatlichen Haushaltseinkommen ab 2000 Euro mobil. Auch wenn meist noch kleinere Einkäufe mit einem Warenwert unter 50 Euro getätigt werden, kaufen immerhin schon 16 Prozent der Befragten mobil für 1000 Euro und mehr ein. Die gefragtesten Waren sind DVDs, CDs, Games, Bücher und Klamotten.

Es erreicht den Alltag

Je weiter die Entwicklung des Mobile Commerce voranschreitet, desto stärker werden seine Möglichkeiten auch den Einkaufsalltag durchdringen. Dazu zwei mögliche Szenarien: Stellen Sie sich vor, es ist früher Abend, und Sie sind auf Reisen. Von daheim kommt ein Anruf: Der Duschkopf ist gerade kaputtgegangen. Wo bekommen Sie jetzt so schnell einen neuen her? Zweites Szenario: Es ist wieder einmal spät geworden im Büro, und Sie haben noch nicht für das Wochenende eingekauft. In 15 Minuten machen die Läden zu, Sie haben keine Ahnung, wo es auf die Schnelle noch asiatische Gemüsesuppe gibt. Die Lösung für solche Probleme steckt heute in beinahe jeder Hosentasche und heißt Smartphone. Dank Apps und mobiler Seiten können Sie Ihre direkte Umgebung nach Geschäften und Produkten durchsuchen und auf dem schnellsten Weg finden. Der gesuchte Duschkopf findet sich beispielsweise im nur zwei Kilometer entfernten Baumarkt, den Sie ohne die Filialsuche via PLZ auf dessen mobiler Website oder App wohl niemals innerhalb weniger Minuten entdeckt hätten.

Idealerweise hat der Händler sein Filialnetz gar mit Kartendiensten wie Google Maps verknüpft - dank "Location-based Shopping" ist dann nicht einmal mehr die Eingabe einer Postleitzahl notwendig; die App weist Ihnen den schnellsten Weg zum Geschäft. Und die Gemüsesuppe? Die bekommen Sie zumindest bis zum nächsten Morgen nach Hause geliefert - via Amazon App und Morning-Express-Versand.

Mobile Gutscheinsysteme

Es gibt auch den anderen Fall: Wer gerade unterwegs und in Shopping-Laune ist, aber nicht weiß, was oder wo er oder sie kaufen soll, nutzt mobile Gutscheinsysteme. Das populärste ist sicherlich Facebook Offers, das im vergangenen Herbst auch in Deutschland gestartet wurde. Unternehmen, die auf Facebook Anzeigen schalten, können ein solches Offer dazu buchen, das als Gutschein in Form eines normalen Postings auf der Pinnwand erscheint. Fans haben daraufhin die Möglichkeit, dieses Angebot "anzunehmen" und erhalten eine E-Mail auf ihr Smartphone, mit der sie sofort in das entsprechende Geschäft oder Restaurant gehen können, um den Gutschein einzulösen. Wie die Unternehmen ihre Offers ausgestalten, bleibt ihnen überlassen. Beispielsweise gewähren einige Kaufhäuser Facebook-Usern Rabatte auf Produkte, wenn diese außerhalb der Haupteinkaufszeiten gekauft werden. Einige Pizzadienste rabattieren auf diese Weise Speisen und Getränke, die nicht geliefert, sondern vom Kunden abgeholt werden.

Eine andere Möglichkeit sind QR-Codes, die digitale und analoge Wirklichkeit verknüpfen. So installierte die britische Supermarktkette Tesco mit seiner südkoreanischen Dependance Home Plus vor gut zwei Jahren in zahlreichen Metro-Stationen des asiatischen Landes fotorealistische Nachbildungen von Warenregalen samt QR-Code unter jedem dargestellten Produkt. Die wartenden Fahrgäste fotografieren den jeweiligen Code ab und legen das zugehörige Produkt damit in den Warenkorb des Home-plus-Online-Shops. Das erspart den mühsamen Einkauf nach Feierabend und verkürzt die Wartezeit auf den nächsten Zug. Home Plus steigerte seinen Online-Umsatz dank der Augmented-Reality-Anwendung im technikbegeisterten Südkorea, wo jeder fünfte Einwohner ein Smartphone besitzt, nach eigenen Angaben um bis zu 130 Prozent.

Neue Produkterlebnisse

Mit solchen Aktionen schaffen Händler ein unmittelbares Produkterlebnis für den Online-Kunden. Aus dem stationären Handel bekannt, wird das durch das unpersönliche, dafür bequeme und meist preisgünstige Online-Shopping schließlich immer seltener wahrgenommen. Aus dem gleichen Grund setzen Shops zunehmend auch auf Produktvideos oder 360-Grad-Ansichten, die einen besseren Eindruck vermitteln können als zweidimensionale Fotos. Zudem geht die Retourenquote zurück, weil das Risiko, die falsche Ware einzukaufen, sinkt.

Dank NFC-Technologie ist das bargeldlose Bezahlen mit dem Smartphone möglich.
Dank NFC-Technologie ist das bargeldlose Bezahlen mit dem Smartphone möglich.
Foto: vege; Huseyin Bas, Fotolia; HID Global; NXP; NFCWorld; Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Die Verknüpfung von digitaler und analoger Realität bringt noch eine weitere Komponente mit: die Bezahlung erfolgt ohne den Umweg über eine Lastschrift, Kreditkarte oder Web-Bezahldienst. Near Field Communication (NFC) macht es möglich. Das Smartphone funktioniert dabei wie eine Geldbörse oder Geldkarte, von der kontaktlos Guthaben abgebucht werden kann. Setzt sich die Technik auf breiter Front durch, gehört die Suche nach Kleingeld der Vergangenheit an. An einigen Supermarktkassen oder Fahrkartenautomaten können Kunden heute schon per NFC zahlen, die ganz großen Projekte fehlen aber noch. Anbieter wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Visa, Mastercard, Paypal, Google, Microsoft, Telekom, Vodafone, die Geldnotendrucker Giesecke & Devrient, die Deutsche Bahn, Städte wie Hanau (Fahrkarte, RMV-Erlebniscard) oder Handy-Hersteller wie Nokia arbeiten daran, NFC marktreif werden zu lassen. Massentauglich ist es jedoch erst, wenn auch der Handel mitzieht.

Ein Patentrezept, die neuen mobilen Möglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen, wird noch gesucht - es liegt aber mutmaßlich irgendwo in der Mitte zwischen klassischem Einkaufen und reinem Online-Shopping. Heißt: Händler, die den "Crosschannel-Commerce" beherrschen lernen und alle Vertriebskanäle vom Ladengeschäft bis zum Smartphone ihren Möglichkeiten entsprechend ausspielen, haben die größten Erfolgsaussichten.

Ausgewählte Aussteller auf der CeBIT

  • Benzinger, J. (H6, E31/1)

  • c-entron Software (H15, H75)

  • Datatrans (H5, C36)

  • FLS (H4, A24)

  • Fraunhofer IESE (H9, E08)

  • Heidelberg mobil international (H6, D14)

  • MESONIC Software (H5, C16)

  • Mobile Location (H6, K45)

  • Mobylla (H6, B50)

  • Novedia (H9, C20)

  • Noxum (H6, H29)

  • Private Uni Göttingen (H9, C50)

  • Qingdao Wintec System (H5, F62)

  • Software AG (H7, C14)

  • SSA Software Systems and Applications (H6, G45)