Keine Zeit

Das Handwerk hat null Bock auf Digitalisierung

15.03.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Schreiner, Maler, Installateure – sie alle fühlen sich zu beschäftigt, als dass sie sich mit digitalen Themen beschäftigen würden. Offensichtlich spürt die Branche keinerlei Leidensdruck.
Keine Hilti?
Keine Hilti?
Foto: conrado - shutterstock.com

"Die Digitalisierung im Handwerk befindet sich noch in den Startlöchern", lautet die freundliche Formulierung in der Studie "Wie tickt das deutsche Handwerk in Zeiten der Digitalisierung", die das ECC Köln und die dotSource GmbH gemeinsam initiiert haben. Dem Thema werde eine "eher niedrige Priorität" zugeschrieben, lediglich einige der größeren Betriebe hätten bereits Fortschritte erzielt.

Es gibt für Handwerker schlicht keinen Handlungsdruck. Die Auftragslage sei sehr gut oder gut, sagen fast 90 Prozent der 350 befragten Betriebe, darunter Schreiner, Elektriker, Installateure, Raumausstatter, Trockenbauer, Dachdecker, Maler und Bodenleger. Lediglich lange Wartezeiten auf Lieferungen, die Preisexplosion bei Energie und verschiedenen Materialien, verschobene Aufträge sowie der Fachkräftemangel machen den Betrieben zu schaffen.

Diese Herausforderungen fürchtet das Handwerk in Sachen Digitalisierung
Diese Herausforderungen fürchtet das Handwerk in Sachen Digitalisierung
Foto: ECC Köln, dotSource GmbH

Handwerker haben keinen Druck

Die wenigsten Prozesse bei Handwerkern sind heute digitalisiert - auch wenn es durchaus Lippenbekenntnisse gibt. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) gibt zu Protokoll, aufgrund der guten Auftragslage müssten Digitalisierungsvorhaben zurückgestellt werden. Was funktioniert, ist die Nutzung von "Social Media im beruflichen Kontext". Einfacher ausgedrückt: Handwerker schauen sich gerne Youtube-Videos mit Reparaturanleitungen an oder holen sich den Rat Dritter, wenn Sie komplizierte Aufgaben lösen müssen.

Unterm Strich sagen nur neun Prozent der Betriebe, die Digitalisierung sei bei ihnen schon weit fortgeschritten. Weitere 24 Prozent behaupten, sie sei derzeit in vollem Gang. Die Hälfte (49 Prozent) stellt fest, manches sei zwar angestoßen worden, aber das meiste laufe immer noch analog beziehungsweise manuell ab. 19 Prozent geben sogar zu, noch überhaupt keine Digitalisierungsmaßnahmen eingeleitet zu haben.

Diese Prioritäten setzt das deutsche Handwerk in Sachen Digitalisierung.
Diese Prioritäten setzt das deutsche Handwerk in Sachen Digitalisierung.
Foto: ECC Köln, dotSource GmbH

Was hält die Handwerker ab? Am häufigsten werden die hohen Kosten und der "fehlende Mehrwert für den Betrieb" genannt (jeweils 38 Prozent). Ähnlich viele können auch keinen Nutzen für den Kunden erkennen (34 Prozent). Weitere Gegenargumente sind die schlechte Infrastrukturausstattung, Sorgen wegen der IT-Sicherheit, fehlendes Personal, keine technische Kompetenz und die geringe Bereitschaft interner Teams, das Thema voranzutreiben.

Werkzeug- und Lagerverwaltung sind oft unmodern

Andererseits sehen die Befragten durchaus Potenzial, etwa wenn es um die Werkzeug- und Geräteverwaltung geht, das Management von Lagerbeständen, das elektronische Fahrtenbuch, Projektkalkulationen, die Informationserfassung vor Ort oder - ganz banal - die Urlaubsplanung. Während die kleineren Handwerksbetriebe ihre Anstrengungen auf Buchhaltung, Einkauf und Beschaffung oder interne Betriebsorganisation konzentrieren, denken die größeren Betriebe häufiger über eine breit angelegte Digitalisierung nach. Auf der Agenda stehen dort auch die IT-Infrastruktur inklusive Cloud-Lösungen, die Webseite, Datenschutz und -sicherheit sowie eine digitalisierte Personalplanung.

Bei alldem herrscht jedoch im Grundsatz Skepsis vor. Der Aussage "Eigentlich benötige ich keine neuen Technologien in meinem Arbeitsalltag, alles klappt auch so wie es bisher ist", stimmen sage und schreibe 64 Prozent der insgesamt 350 Befragten zu, sogar 69 Prozent der Kleinbetriebe mit unter 50 Mitarbeitenden. Die Digitalisierung hat also keine Priorität, der Nutzen für den Betrieb und den Kunden wird angezweifelt. So laufen Prozesse wie die Werkzeug- und Geräteverwaltung immer noch auf Papierbasis ab. Wenn investiert wird, dann am ehesten in Finanzanwendungen.

Youtube-Videos und Whatsapp sind beim deutschen Handwerk gesetzt.
Youtube-Videos und Whatsapp sind beim deutschen Handwerk gesetzt.
Foto: ECC Köln, dotSource GmbH

Youtube-Videos mit Anleitungen finden alle nützlich

Natürlich nutzen auch Handwerker das Internet, die meisten mehrmals täglich. Auch hier fällt allerdings auf, dass die Mitarbeitenden größerer Betriebe deutlich häufiger im Netz unterwegs sind als kleine Handwerksfirmen. Youtube, Whatsapp und teilweise auch Facebook sind ihre wichtigsten Social-Media-Kanäle. Auf der Videoplattform werden vorzugsweise Problemlösungen und Reparaturanleitungen angesehen, außerdem Informationen zu Produkteigenschaften und -neuheiten. Whatsapp dient als Kommunikationskanal mit Kollegen, Kunden und Lieferanten. Auf Facebook folgen manche Handwerker bestimmten Accounts mit spezifischem Content und suchen den Austausch mit Dritten, wenn es um Fachthemen geht.

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