IS zwischen zentralen und dezentralen Strategien

Das haben DV-Verantwortliche im nächsten Jahr vor

20.12.1991

1991 haben Schlagworte wie offene Systeme, Dezentraliserung, Client-Server-Architektur oder Outsourcing unter Herstellern und Anwender die Runde gemacht. Die CW hat des. halb verschiedene Anwender nach ihren Planungen für das nächste Jahr gefragt. Dabei stellte sich heraus, daß deutsche DV-Leiter sehr wohl Trends und neue Techniken in ihren Vorhaben berücksichtigen. Allerdings verfolgen einige nach wie vor zentralistische Mainframe-basierte DV-Konzepte, die verteilte

Datenverarbeitung nur in Randbereichen zulassen. Unix ist bei allen ein heißdiskutiertes Thema; bei denen, die vorhaben, neue Systeme einzufahren sogar fester Bestandteil der Planung. Keineswegs emotional beurteilen die befragten IS-Manager die Chancen von Outsourcing-Strategien. Allerdings reden sie nicht der totalen Auslagerung das Wort, sondern der gezielten Vergabe von Projekten an Dritte, die weiterhin von der eigenen DV-Abteilung koordiniert werden.

Die DV-Abteilung des VW-Vertragshändlers Mahag in München besteht aus sechs Mitarbeitern, die die vorhandenen PCs und mehrere Nixdorf 8870 betreuen, sowie die gemietete Kapazität auf einem IBM-Host in einem von insgesamt elf VW-Vertriebsrechenzentren nutzen. Thies Böttger, DV-Leiter bei der Mahag, erklärt: "Für 1992 sind keine größeren Neu-Entwicklungen geplant. Wir haben in diesem Jahr

einige Softwareprojekte durchgezogen. Das wollen wir erst konsolidieren, bevor wir neue Dinge angehen."

Allerdings habe VW, so Böttger weiter, seit Jahren vor, sein heutiges 8870-basiertes Händlersystem "Vaudis" (VW-Audi-Diskettensytem) durch "Elan" (Einzelhandelslösung für die neunziger Jahre) abzulösen. Dabei handelt es sich um eine Unix-basierte Software für die Händler des Wolfsburger Konzerns. Mit dem integrierten Paket sollen - von der Finanzbuchhaltung, über das Personalwesen, Neu- und Gebrauchtwagenfakturierung bis hin zur Kundendienstabrechnung alle DV-Probleme der Händler gelöst werden. Da es aber noch keinen genauen Zeitplan für die Einführung des Systems gibt, schlägt das Vorhaben hardwareseitig bei der Mahag noch nicht durch: "Solange uns die VW AG nicht sagen kann, wann wir mit der Umstellung rechnen können, werden wir auch keine neue Hardware kaufen."

Böttger drückt vielmehr die DV-Anbindung der neuen Mahag-Filialen in der Ex-DDR: "Für unsere Niederlassung in Dresden brauchen wir beispielsweise eine Standleitung. Die habe ich aber bisher noch nicht bekommen."

Outsourcing hält er vor allem wegen der Knappheit qualifizierten Personals für ein sehr wichtiges Thema. "Im Moment rechnet es sich noch, die Software-Entwicklung selbst zu machen. Das wäre als Dienstleistung zu teuer." Außerdem befürchtet Böttger Schnelligkeit und Flexibilität zu verlieren, wenn zu viel außer Haus gegeben würde. "Ich stelle mir Outsourcing nicht so vor, daß die Datenverarbeitung komplett nach außen vergeben wird, sondern als gezieltes Zugreifen auf verschiedene Leistungen, die dann von der internen DV-Organisation koordiniert und betreut werden."

Noch zurückhaltender gibt sich Böttger bei offenen Systeme: "Unix ist so lange nicht offen, wie noch jeder Anbieter sein spezifisches X hat. Wenn man zwischen Xenix, Unix, AIX problemlos umsteigen könnte, dann würde ich von einem offenen System reden." Deshalb ist Böttger froh, zur Zeit keinen Handlungsbedarf zu haben.

Ein entschiedener Zentralist ist Siegfried Hartmann, DV-Leiter beim Hamburger Handelshaus Walter Kluxen GmbH:

"Wir sind ja mit SAP erst den Weg der Zentralisierung gegangen und den werden wir noch eine Weile beibehalten. Andererseits denken wir natürlich über PC-gestützte Bürokommunikation nach und darüber, was man an DV-Funktionen eventuell auslagern kann, aber nicht unter dem Aspekt, den Zentralrechner zu verkleinern." Im Fall Kluxen ist diese Position verständlich, ist man doch erst in diesem Jahr - nicht zuletzt wegen der Systemanforderungen der frisch eingeführten SAP Software R/2 - von einer SNI H60 F auf eine größere BS2000-Maschine (H90 A2) umgestiegen. Hartmann will 1992 in erster Linie die eingeführten SAP-Module weiter implementieren, darüber hinaus aber ein Statistik-Konzept realisieren. "Das, was SAP anbietet, geht nicht weit genug", erklärt er, und außerdem sei die in die Datenbank integrierte Statistik "Sehr speicheraufwendig". "Wenn wir beispielsweise bei unseren 15 000 Kunden und 100 000 Artikeln Kunden-Artikel-Verknüpfungen machen wollen, würde unser Speicherplatz gar nicht reichen." Gleichwohl wird Hartmann zum Aufbau der Statistik-Programme, die Tools nutzen, die SAP anbietet.

Hardwareseitig steht bei Kluxen nichts Konkretes auf dem Programm. "Im PC-Bereich könnte sich etwas tun, wir denken daran, in bestimmten Fachbereichen PCs zu installieren. Die werden dann selbstverständlich vernetzt, damit sie alle die gleiche Software nutzen können", erläutert Hartmann.

Auch beim ADAC braucht man nach wie vor einen Mainframe, und zwar mit einem IBM 3090/400J eine nicht gerade kleine Maschine. Trotzdem ist die Informationsverarbeitung, für die Norbert Peczynski verantwortlich zeichnet, absolut up to date. Neben dem Zentralrechner sind mehrere PC-Netze auf Token-Ring-Basis in der Hauptverwaltung und in den Geschäftstellen der gelben Engel installiert.

Außerdem hat man im nächsten Jahr viel vor: "Wir wollen ein neues Pannenhilfesystem realisieren, dessen Herzstück ein DV-gestütztes Vermittlungssystem auf Unixbasis für unsere Straßenwacht und Straßendienstpartner beinhaltet. Das soll zuerst in Bayern installiert und getestet, ab Herbst nächsten Jahres dann bundesweit eingeführt werden", sagt Peczynski. Bisher sei das Pannenhilfesystem mit über 50 Vermittlungszentralen sehr dezentral organisiert; künftig will man mit nur noch fünf Zentren auskommen. "Wenn ein ADAC-Mitglied Hilfe braucht, kann der Vermittler dank des DV-Systems und aufgeschalteter Karten sehr schnell nachprüfen, wo sich der Anrufer befindet, bekommt automatisch den Standort des nächsten Helfers und kann den Auftrag übermitteln. Das soll Ende des, Jahres sogar soweit gehen, daß per Funk ein Datentelegramm zum ADAC-Fahrzeug gesendet wird, auf dem Ort und Art der Panne angegeben sind. Hauptziel dieses Projekts ist die Verkürzung der Wartezeit für die Mitglieder, erläutert der Chef der ADAC-Informationsverarbeitung.

Darüber hinaus hält Peczynski noch weitere Projekte für erwähnenswert: "Wir haben die bis zum vergangenen Jahr spartenorientierten Systeme für die Bestandsverwaltung bei Schutzbrief, Rechtsschutz und normaler Mitgliedschaft in eine spartenübergreifende Bestandsverwaltung übergeben. Jetzt denken wir darüber nach, wie wir das besser unterstützen können." Seiner Meinung nach bieten sich hier zwei Möglichkeiten an. Entweder überführt man die Einzelsysteme in ein gemeinsames System oder man legt über die drei - auf dem Großrechner laufenden Einzelpakete in einer dezentralen Client-Server-Architektur eine gemeinsame Benutzeroberfläche. "Auf diese Weise könten wir die im Background arbeitenden Systeme nach und nach sanieren und zusammenfahren, ohne daß es den Benutzer belastet", erklärt Peczynski die Vorteile dieses Verfahrens.

Schließlich hat man beim ADAC vor, die Finanzbuchhaltung der Gauverwaltungen auf Unix umzustellen und auf RS/ 6000-Rechnern zu installieren, die sich über Token-Ring einbinden lassen. Als eher konventionelles Vorhaben sieht Peczynski dagegen die Erneuerung des sogenannten Schadensystems, das auch weiterhin auf dem Großrechner laufen soll.

Der Chef der ADAC-Informationsverarbeitung braucht offensichtlich nicht zu fürchten, daß die DV des größten deutschen Automobilclubs technisch nicht aktuell ist. Gedanken macht sich Peczynski allerdings um das Verhalten seiner Lieferanten: "Ich beobachte mit Sorge, wie viele Hersteller versuchen, ihren Profit verstärkt im Softwarebereich zu erzielen. Das ist bei der IBM der Fall, die drastische Erhöhungen ihrer Softwarepreise ins Auge faßt. Die nächste CICS-Version soll beispielsweise 60 000 Mark pro Jahr mehr kosten. Ich habe das Gefühl, die IBM will in diesem Bereich die Gewinne erzielen, die sie bei der Hardware nicht mehr bekommt, weil die Kunden in der Software weniger flexibel sind und nicht ausweichen können." Außerdem mache dieses schlechte Beispiel Schule bei den anderen Herstellern, bedauert der ADAC-Mann.

Norbert Ruppenthal, Leiter zentrale Datenverarbeitung bei den optischen Werken Rodenstock, wünscht sich hingegen von seinen Lieferanten: "mehr Beweglichkeit in Preis und Leistung" sowie rechtzeitige Informationen über Neuerungen. Besonders sorgt er sich um den Lieferanten des Mainframes, eine SNI H90: "Wir sind nicht sicher, wie das mit Siemens-Nixdorf weitergeht."

Im Softwarebereich steht für Ruppenthal und seine Leute die Einführung weiterer SAP-Module und die Anbindung der drei Rodenstock-Töchter an: "Die nehmen wir per Standleitung an die Strippe. Die zentrale Datenhaltung für alle findet hier in München statt. Vor Ort wird nur Datenein-. und -ausgabe gemacht." Zu einer Gesellschaft habe man die Verbindung bereits realisiert, die anderen sollen im nächsten Jahr folgen. Das DV-Konzept, das Ruppenthal "dezentral zentralistisch" nennt, schließt PC-Netze und dezentrale DV im Bereich der Bürokommunikation nicht aus. Einzelne PC-Netze habe man bereits installiert: "Die PCs können als Terminals auf die SAP-Welt zugreifen und sind lokal als PCs für die BK einsetzbar", erläutert er.

Bis auf die Personalwirtschaft RP hat man in der Zentrale alle R/2-Module installiert. "Im nächsten Jahr geht es um die Filialen", sagt Ruppenthal. "R/2 ist zwar ein riesiger Moloch, aber wir hatten nur die Alternative, selbst zu entwickeln." Das binde aber bekanntlich, noch mehr Personal und Kapital. Die SAP-Software sei zwar kompliziert, aber wenn man sie in den Griff bekommen habe, "verfügt man über ein Zauberwerk".

Sorge bereitet dem Rodenstock-Manager das weitere Vorgehen, "Leider ist den SAP-Leuten mit R/3 die Entwicklung wohl etwas aus den Händen geglitten, was für uns sehr bedauerlich ist. Die ersten Module sind erst für Mitte '92 angekündigt, und außerdem sollen sie jetzt mit R/2 nicht mehr kompatibel sein."

Werner Tschierschke, Direktor Informationssysteme bei der Friedrich Grohe AG, hat mit seinem 70 Köpfe umfassenden Team im nächsten Jahr viel vor "Bei uns laufen permanent größe Projekte. Seit zwei Jahren arbeiten wir beispielsweise an der Implementierung eines umfassendes PPS-Systems. Bis jetzt steht die Sache bis zur Materialdispositon, und im nächsten Jahr geht es weiter mit dem Einkauf und der Fertigungssteuerung. Dazu sollen neue Leitstandsysteme kommen, die wir zur Zeit auswählen." Außerdem habe man für den kaufmännischen Bereich gerade eine Studie begonnen, wie man die Kostenrechung am besten umorganisiert. "Wir werden bis Mitte nächsten Jahres entscheiden, ob wir ein Paaket kaufen oder die Programme selbst entwickeln", führt Tschierschke selbstbewußt aus.

Die DV bei Grohe ist in verschiedene Ebenen unterteilt, auf denen man sich jeweils um "einen gültigen Standard" bemüht. Unterhalb des zentralen Rechners einer IBM 9021/ESA ist die Ebene der mittleren 9221-Rechner eingezogen, die unter DPPX arbeiten. Die ausländischen Tochtergesellschaften arbeiten dagegen noch mit den /36-Systemen, die aber in absehbarer Zeit durch modernere Systeme, eventuell auch Unix-basierte Systeme, abgelöst werden sollen.

Auf der unteren Ebene - im Bereich der Betriebsdatenerfassung (BDE) und der ZDE, setzt Tschierschke allerdings heute schon auf Unix: "Für die Leitstände, BDE und ZDE haben wir uns bereits für Unix als

Betriebssystem und C als Programmiersprache entschieden." Die ersten vier MX-Rechner von SNI sind installiert. Im mittleren Bereich beginne man jetzt auch mit Unix-basierten System zu arbeiten. "Als Lagerverwaltungsrechner benutzen wir seit zwei Jahren eine Targon von Nixdorf. Auf dieser Ebene werden wir da wo es Sinn macht, Dinge einzurichten oder abzulösen auch in Richtung Unix gehen." Als Beispiele nennt er die /36-Rechner in den Tochtergesellschaften. Tschierschke: "Wir überlegen zur Zeit, ob wir diese Systeme durch Unix-Rechner ersetzen sollen, anstatt AS/400 zu installieren. Die entwickelt sich immer weiter nach oben und das Betriebssystem wird immer aufwendiger. Außerdem ist für mich der Wechsel zu offenen Systemen erklärtes Ziel, um einen höheren Grad an Unabhängikeit und Flexibiltät zu erreichen."

Auf der PC-Ebene verfügt man bei Grobe bereits über diverse Netze, die man weiter ausbauen will. Als Betriebssystem arbeitet der Armaturenhersteller mit MS-DOS und Windows. Mit OS/2 tut sich Tschierschke nach eigenem Bekunden sehr schwer". "Wir würden das nur einsetzen, wenn wir Tools von IBM installieren müssen, die OS/2 voraussetzen."

Achim Fetzer, Datenverarbeitungs- und Organisationsleiter bei der Beru Ruprecht GmbH und Co & KG, steht hingegen vor einer ganz anderen Entscheidung : "Zur Zeit untersucht eine externe Unternehmensberatung, ob es sinnvoll ist, die zentrale Datenverarbeitung auszulagern, wenn wir Standardsoftware, zum Beispiel SAPs R/2, einfuhren. Dabei spricht der Zeitfaktor eigentlich für Outsourcing." Auf diese Weise erspare man sich die Implementierung und eventuell auch einen größeren Rechner. Bis April 1992 soll entschieden werden, ob man Standardsoftware nimmt und "outsourct" oder Eigenentwicklung betreibt und alles im eigenen Hause macht.

Durch die ausstehende Entscheidung sind natürlich alle Projekte auf der Hostseite eingefroren, sonst, so Fetzer, stünden dort Entscheidungen für eine Kassettensystem und für ein automatisiertes Operating an.

Unix-Systeme setzt Beru im BDE und CAD ein. Hardwareseitig arbeitet man mit RS/6000 und Workstations von Silicon Graphics. Bei der Einrichtung eines grafischen Leitstandes hat Fetzer in diesem Jahr allerdings Pech gehabt. "Die Firma, der wir die Generalunternehmerschaft übertragen haben, hat Konkurs angemeldet. Deshalb muß im nächsten Jahr das ganze Projekt neu vergeben werden", berichtet er. Einziger Trost: Hardware und Datenbank bleiben erhalten.

Ferner hat der DV-Leiter vor, die dezentrale Datenverarbeitung in seinem Unternehmen weiter voranzutreiben. "Seit einem Jahr setzen wir PCs als Arbeitsplatz-Rechner ein. Wir sind jetzt dabei, die Terminals nach und nach zu ersetzen und die Stand-alone-PCs als Diskless-Stations ins Netz einzubinden. Den unter MS-DOS arbeitenden und über TCP/IP verbundenen PCs dient eine Unix-Maschine als File-Server."

Von seinen Lieferanten erwartet Fetzer mehr Zuverlässigkeit: "Sowohl bei der Hardware als auch bei der Software kommt es immer wieder vor, daß bestimmte Funktionen, die zum System gehören, nicht ausgeführt werden können."