Commerzbank-Managerin Erdogan

"Das Geschlecht spielt bei der Arbeit keine herausragende Rolle"

25.02.2016
Von Oliver Stock
Nurten Erdogan hat, so sagen die Leser von Handelsblatt und Edition F, das Zeug zur CEO. Wer ist die Frau, die bei der Commerzbank das interne M&A-geschäft betreibt?
Nurten Erdogan: Die Deutsch-Türkin hat in Kayseri, Berlin, Frankfurt, Bochum, Hull, Schanghai und Amsterdam gelebt und ist Managing Director bei der Commerzbank AG.
Nurten Erdogan: Die Deutsch-Türkin hat in Kayseri, Berlin, Frankfurt, Bochum, Hull, Schanghai und Amsterdam gelebt und ist Managing Director bei der Commerzbank AG.
Foto: Nurten Erdogan

Zierlich. Rabenschwarzes Haar, gerader Blick und ein Lächeln von dem das Gegenüber erst einmal nicht weiß, ob es von Herzen kommt oder einfach professionell ist: Nurten Erdogan ist das, was Großeltern vielleicht noch "eine Person" genannt hätten. Sie hätten Persönlichkeit gemeint. Die Leser von Handelsblatt und Edition F haben sie als eine der 25 Frauen gewählt, die sie bald an der Spitze eines Dax-Konzerns sehen wollen. Warum eigentlich?

Die Frau ist Bankerin, genauer: Sie sitzt als Head of Corporate M&A bei der Commerzbank. Die Funktion beschreibt jemanden, der ständig danach Ausschau hält, welche Unternehmen neu zur Commerzbank passen würden. Jemanden, der prüft, wo es sich zu investieren lohnt mit dem Ziel, die eigene Bank immer wieder modern aufzustellen. Wer diese Aufgabe übernimmt, muss etwas von Strategie und Zahlen verstehen und Verhandlungsgeschick mitbringen. Und neugierig sein.

Neugierig auf Fintechs zum Beispiel. Das sind jene Startups, die derzeit die Finanzbranche aufmischen, digitale Bezahlsysteme anbieten, die Kreditvergabe revolutionieren oder auch die Bonität von Kunden mit Hilfe von Daten detailliert ermitteln. Fintechs können herkömmlichen Banken gefährlich werden. Man kann sich von ihnen fressen lassen oder sie umarmen. Sie liebe, sagt Erdogan, das unkomplizierte an diesen Fintechs. An eine Idee zu glauben, und auch mal das auszublenden, was möglicherweise dagegen spricht: Als Managerin in einer Großbank fühle sich so etwas manchmal wohltuend anders an.

Das Geschlecht spielt keine Rolle

Nurten Erdogan spricht konzentriert, verbindlich. Immer wenn es persönlich wird, entsteht eine kurze Denkpause. Als Frau, die die ersten zehn Jahre ihres Lebens in der Türkei verbracht hat und nun im Alter von 45 Jahren in der Führungsetage einer deutschen Großbank sitzt, weiß sie, dass sie Klischees aufgebrochen hat und damit zum Vorbild taugt.

Bei der Vorstellung aber wegen Geschlecht und Herkunft immer wieder ins Scheinwerferlicht gezerrt zu werden, sträubt sich etwas in ihr. "Das Geschlecht", sagt sie, "spielt bei der Arbeit keine herausragende Rolle." Sie hebt Diversität hervor. Ob es speziell weibliche, im Arbeitsalltag hilfreiche Eigenschaften gebe? "Empathie", sagt sie nach einigem Zögern und fügt dann noch "Eleganz" hinzu. "Courage" ist auch noch so ein Wort, das ihr wichtig ist.

Courage hat die Deutsch-Türkin damals gezeigt, als sie nach der Hauptschule eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin meisterte, bei einem Versicherer anheuerte und gleichzeitig die Schulbank im Abendgymnasium drückte. Tagsüber Arbeit, abends büffeln fürs Abi, Wirtschaftsstudium in Bochum, MBA in England dann sechs Jahre bei einer großen Gesellschaft als Wirtschaftsprüferin, acht Jahre bei der Deutschen Bank, jetzt Commerzbank: "Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, tue ich vieles, um es zu erreichen", sagt sie. Ehrgeizig ist diese Frau ganz sicher.

Sie ist Ehefrau, Mutter eines Jungen und sie hat ein Leben außerhalb der Bank. "Rock your life" nennt sich ein Mentorenprogramm, bei dem sie mitmacht. Als Mentorin begleitet sie Kinder an Hauptschulen auf ihrem Weg in den Beruf. Arbeit und Sprachkenntnisse hält sie für den Schlüssel zur Integration von Flüchtlingen. "Ich kann verstehen, wie Menschen sich fühlen, wenn sie kein Zuhause haben."

Ganz klar: So, wie sich Nurten Erdogan gibt, geht sie als Vorbild durch. Sie ist das verkörperte "Wir schaffen das" der Kanzlerin. Noch ist sie zwei Ebenen vom Vorstand in der eigenen Bank entfernt - aber dort oben werden derzeit ja Stühle gerückt. (Handelsblatt)