Artchalking will öffentliche WLANs mit Kunst kennzeichnen

Das Funknetz als virtueller Raum

18.07.2003
MÜNCHEN (mb) - Nach Wardrivern und Warchalkern haben nun auch Künstler das Thema Wireless LAN entdeckt: Die Münchner Projektgruppe Artchalking spürt drahtlose Internet-Zugänge auf und macht die virtuellen Räume mittels Kunstaktionen "sichtbar".

In den Metropolen der westlichen Welt ist es eng geworden: Egal ob in New York, London, Paris oder München, bei einem Streifzug passiert der Spaziergänger - ohne es zu ahnen - zahllose virtuelle Räume. Es handelt sich dabei um drahtlose Netze, auch WLANs oder Hotspots genannt. Die Räume sind insofern nur virtuell, als sie sich lediglich durch den Bereich um einen Access Point definieren, in dem drahtloses Internet-Surfen möglich sein kann. Für das bloße Auge unsichtbar können sie erst mit Sniffer-Tools zum Beispiel "Netstumbler" aufgespürt werden.

Wie weit sich die Wireless-Technologie bereits verbreitet hat, zeigen die mittlerweile über 2500 Access Points, die das Münchner Kunstinfrastrukturprojekt Artchalking bei ihren Suchfahrten in der Isarmetropole und anderswo lokalisiert und auf seiner Website kartografiert hat. Insgesamt, so vermutet Mitinitiator Christian Kehl, existieren allein in München rund 20000 drahtlose Netze. WLANs sind somit längst nicht mehr nur die Domäne großer Unternehmen, Behörden oder kommerzieller Betreiber. Dank kostengünstiger Sets nutzen zunehmend auch Privatpersonen die Wireless-Technologie. Ein Blick in die Online-Datenbank zeigt außerdem, dass viele WLAN-Betreiber die Sicherheitseinstellungen oder Verschlüsselungen nicht aktiviert beziehungsweise geändert haben. Sie laden damit Außenstehende teils unfreiwillig, teils gewollt zum kostenlosen Surfen ein.

Mit dem Aufspüren und Veröffentlichen der WLANs frönen die Artchalking-Mitglieder nicht nur ihrer Sammelleidenschaft. "Wir wollen damit eine Diskussion entfachen, wie stark die Wireless-Technologie bereits Einzug ins öffentliche Leben gehalten hat", erklärt Kehl. Nach Ansicht von Artchalking sind offene WLAN-Zugänge nichts anderes als eine weitere Form öffentlicher Infrastruktur: neu in der Technik und den Möglichkeiten, aber als öffentlicher Raum ein uraltes gesellschaftliches Phänomen. Eine Konstante in der Kulturgeschichte sei es, dass öffentliche Infrastruktur in der für die jeweilige Zeit typischen Gestaltungsweise mittels Kunst, Formen und Symbolen als solche gekennzeichnet wurde, so die Gruppe in ihrem Konzeptpapier. Beispiele dafür seien etwa die öffentlichen Renaissancebrunnen in Augsburg, die U-Bahn-Zugänge in Paris, die Telefonhäuschen oder die Kommunikationswege in der urbanen Vision des Städteplaners Le Corbusier. Entsprechend versucht Artchalking, in Zusammenarbeit mit Gesellschaft und Wirtschaft öffentlich nutzbare WLAN-Zugänge zu errichten und die entstandenen virtuellen Räume durch Kunst sichtbar zu machen. Das Projektteam denkt dabei etwa an Installationen von ansässigen Künstlern wie Johannes Brunner/Raimund Lutz (Kunst am Bau, TU München) oder mobile Raumkonzepte wie das mobile Büro "Cocobello" des Architekten Peter Haimerl.

Eine Kostprobe, inwieweit sich zur Visualisierung des virtuellen Raums auch digitale Kunstformen anbieten, gab Artchalking bereits in der Ausstellung "the crono-files" im Februar und bei der ersten WLAN-Partylounge Anfang Juni: Die Besucher konnten dabei über den bereitgestellten drahtlosen Internet-Zugang nicht nur "ganz normal" surfen, sondern den Abruf von Videos der Installation "unmovie.net" steuern und beeinflussen. Das Resultat wurde per Videobeamer auf einer Leinwand ausgestrahlt.

Links

www.artchalking.org

www.lothringer13.de/halle

www.unmovie.net