Das Festplattengeschäft wächst antizyklisch

13.10.2003
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Die größte Goldader für die Speicherspezialisten wird indes im Bereich Consumer Electronics vermutet. Fotos, Musikdateien, selbst gefilmte digitale Videos oder ein Fernsehprogramm, das statt auf Videobändern auf Festplatten gespeichert wird, soll der Branche zum endgültigen Durchbruch verhelfen. Bestes Beispiel ist Toshiba: Die Company hat durch den Erfolg von Apples MP3-Player "iPod" die Absatzzahlen ihrer 1,8-Zoll-Platten drastisch in die Höhe treiben können.

MP3-Player und Spielekonsolen

Noch ist das Segment Consumer Electronics klein: Bei Maxtor sind es knapp zehn Prozent der Einnahmen; vornehmlich stammen sie vom Unternehmen Tivo, das einen gefragten "Videorekorder" mit Festplatte herstellt. Seagate setzte zuletzt etwa sieben Prozent in diesem Bereich um, auch weil die Company die Speichersysteme für Microsofts Spielekonsole "Xbox" liefert. Wenn eines Tages der Top-Seller der Gaming-Branche, Sonys "Playstation", mit einer Festplatte ausgestattet ist, schnellen die Stückzahlen in dem Segment in die Höhe. Wachstumsraten von 50 bis 100 Prozent sollen kompensieren, dass die Nachfrage nach Desktop- und Server-Platten nur noch geringfügig wächst. Dass für die neuen Märkte aber auch innovative Technologien und Vertriebskanäle erforderlich sind, ficht die an Veränderung gewöhnten Anbieter nicht an.

Platten leer? Ein Wissenschaftler hat im Journal "American Scientist" ausgerechnet, dass mit dem aktuellen jährlichen Kapazitätszuwachs von rund 100 Prozent im Jahr 2012 Platten mit einem Volumen von 120 Terabyte (TB; 1 TB = 1000 GB) zum Standard gehören. Darauf würden sich genug MP3-Dateien speichern lassen, um 230 Jahre ununterbrochen Musik hören zu können. Wer die Platte hingegen mit DVD-Filmen vollschreibt (über eine dann zeitgemäße T1000-Standleitung?), kann knapp sieben Jahre seines Lebens ins Flüssigkristall schauen - pausenlos. Nicht absehbar ist derzeit, ob für die 35 Millionen Songs oder 30000 Filme bezahlt wird. Und braucht man mit einer T1000-Standleitung überhaupt lokalen Speicher? Das alles rechnet sich natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Microsofts "Office-2013"-Büropaket selbst keine 20 Terabyte auf der Festplatte beansprucht.

Doch die dynamische Branche bietet weiterhin ihre verlässlichen Konstanten. Die Fusion von Hitachis und IBMs Festplatten-Business war ein vorläufiger Höhepunkt eines seit Jahren andauernden Konsolidierungsprozesses. Dass dieser nun angesichts des überraschenden Höhenflugs beendet sein soll, glaubt keiner der Beteiligten, weil der Wettbewerb weiterhin hart ist. Er wisse nicht, wie viele Anbieter es in einigen Jahren noch geben werde, sagt Seagate-Manager Dexheimer. Eines sei aber sicher: "Es sind weniger als heute." Tummelten sich 1985 noch etwa 80 Hersteller und 1998 weltweit ein Dutzend Firmen, konkurrieren gegenwärtig noch sieben Unternehmen um den auf 20 Milliarden Dollar geschätzten Markt. Neben den vier großen Anbietern Seagate, Maxtor, WD und Hitachi Global Storage Technologies sind noch Toshiba, Samsung und Fujitsu aktiv.

Auch ein Ende des Kapazitätswettlaufs ist mittelfristig nicht abzusehen: Im Juni hat Hitachi seine erste Serial-ATA-Festplatte für den Desktop mit einer Kapazität von 250 GB vorgestellt. Die Company selbst entschied sich indes für die Formulierung "ein viertel Terabyte". An die Abkürzung TB wird man sich also gewöhnen müssen, während MB aus dem Gedächtnis schwindet. Geht das technische Rennen in dieser Intensität weiter und verdoppelt sich die Kapazität alle zwölf Monate, sind in zehn Jahren Festplatten mit einem Volumen von 120 TB an der Tagesordnung. Das würde dann für etwa 35 Millionen MP3s reichen.