EDV-Systeme für die Fertigung:

Das Erfolgsrezept heißt User-Nähe

04.08.1978

Dr. Ullrich Schedl, Geschäftsstellenleiter der GfS, Gesellschaft für Systementwicklung mbH, München.

Die EDV für die Steuerung von Informations- und Materialflüssen in Fertigungsbetrieben nutzbringend einzusetzen, war seit jeher das Ziel von Herstellern und Anwendern. Ausgehend vom seligen Lochstreifen sind sukzessive alle hardware- und softwaretechnischen Errungenschaften für die genannten Zwecke eingesetzt worden. Hierin zeigt sich jedoch die Problematik vieler bestehender Systeme für Fertigungssteuerung. Die Systeme wurden je nach Pioniergeist des EDV-Leiters oder Investitionsfreudigkeit des Managements verändert, erweitert oder abgelöst. Es bestand kein klares EDV-Konzept über die jeweilige Projektphase hinaus, das es ermöglicht hätte, Aussagen über das Verhältnis bestimmter Aktionen (Einsatz neuer Hardware- und Softwarekomponenten) zu Reaktionen in bestehenden und zukünftigen Systemen zu erhalten. In vielen Fällen kann man heute ein Konglomerat von Systemkomponenten finden, worin sich beim besten Willen kein integrierender Charakter erkennen läßt.

Dieses Manko ist von vielen Anwendern erkannt worden. Durch Re-Design oder durch völlige Neukonzipierung versucht man, die Fehler der Vergangenheit zu revidieren. Sicherlich ist es heute einfacher, aufgrund der Erfahrungswerte und der Transparenz des Hard- und Softwaremarktes prognostisch zu agieren. Softwaresysteme auf der Basis von Dialog, DFÜ und Datenbanken werden sich in absehbarer Zeit nur unwesentlich ändern. Die Anwendungsbereiche für den Einsatz von diesen Systemen sind bekannt. Die Basis für ein EDV-Konzept der nächsten fünf Jahre ist scheinbar vorgezeichnet.

Unsicherheitsfaktor in einer Prognose ist das Verhalten der Mainframer. Die Entwicklung der zukünftigen Systeme hängt vor allem davon ab, ob IBM und damit auch Siemens langfristig den Großrechnerbereich als "second product line" fahren und ihr Hauptinteresse auf den Minicomputer-Bereich legen. Letzteres würde - aufgrund der veränderten Preissituation - der großen Schar von Klein- und Mittelbetrieben zugute kommen. Auch könnte dies bezüglich der EDV-Organisation in den Betrieben dazu führen, die EDV-Kapazitäten zu dezentralisieren und damit jedem Anwenderbereich eigene Rechnerkapazität zu geben. (Konzept der verteilten Datenbanken.) Der Zentralrechner würde in seiner Funktion zum "Message-switching-System" abgemagert werden.

Diese Situation käme sicherlich den berechtigten Anwender-Interessen entgegen, die EDV-Intelligenz anwenderspezifisch zu etablieren. Damit ergäben sich vorderhand zwei Vorteile: Einmal würden das EDV-Bewußtsein und EDV-Verständnis der Benutzer die notwendige Steigerung erfahren. Zum anderen würden die anwenderrelevanten Anforderungen an DV-technische und funktionale Aspekte auf konzeptioneller und operationeller Ebene besser berücksichtigt werden.

Daß man bisher nicht immer so verfahren ist, konnte man an einer Vielzahl von Projekten erfahren. So sind in der Vergangenheit über die zentrale EDV Hardware- und Softwarekomponenten angeschafft worden, denen dann eine Anwendung aufgepropft worden ist. Der qualitativ eindeutig bessere, expansionsfreundlichere und wirtschaftlichere Weg ist es, im Rahmen eines EDV-Konzeptes die EDV-Ziele des Unternehmens und der Anwenderbereiche zu definieren und darauf aufbauend die Anwendersysteme sowie die Hardwarekonfiguration - eventuell phasenweise - zu projektieren. In dieser Vorgehensweise lassen sich die User-Anforderungen klar befriedigen.

Die Notwendigkeit, die Interessen der User zu berücksichtigen, hat sich aus den Referaten im Rahmen der IBM-Anwendertagung (Institut '78) klar herausgestellt. Der Arbeitskampf in der Druckindustrie tat ein übriges für die Erkenntnis, daß die Eingriffsmöglichkeiten der EDV in die soziale und fachliche Struktur der Arbeitswelt ihre Grenzen beim Anwender und nicht - wie bisher angenommen - in der DV-Technik oder in den Investitionsmöglichkeiten der einzelnen Unternehmen hat. Die Hersteller als auch die EDV-Chefs haben diese Erkenntnis erstaunlich schnell verwertet. Die EDV-Chefs verstehen sich nicht mehr als "Erbhofbauern" ihres RZ's, sondern öffnen sich in starkem Maße hard- und softwareseitig dem Anwender. Die EDV-Hersteller pflegen nicht nur mehr ihre Lobby in Form von Management und EDV-Chefs, sondern unterstützen deren Bemühungen im Rahmen des Installation-Managements.

Installation-Management - ein Schwerpunkt der IBM-Tagung umfaßt den Versuch, durch die systematische Ausrichtung organisatorischer Maßnahmen das EDV-Bewußtsein der Anwender zu erhöhen. Dazu gehören die Transparentmachung des RZ-Betriebes in Form eines aussagefähigen Berichtssystems, die Einbeziehung der Anwender bei der Lösung hard- und software-technischer Probleme, die Umorientierung der Arbeitsweise aller Beteiligten und die Ausrichtung der DV-technischen Aktivitäten auf Präventivmaßnahmen. Vereinfachend kann man sagen: vom Krisen-Management zum Installation-Management.

Es wird sich erweisen, wohin gq "EDV-Mitbestimmung" führt. Ob Systeme wie CORMES, ein Dialogsystem als elektronischer Papierkorb zur Steuerung des Informationsflusses (von Anwender zu Anwender), dann eine Chance haben oder aus sozialen Gründen abgelehnt werden. Es wird sich zeigen, ob sinnvolle technische Neuerungen wie drahtlose Datenerfassung und -übertragung (tragbare Terminals) der rein praxis-logischen Beurteilung standhalten. Eines kann man jedoch schon heute sagen: Die auf gemeinsamer Basis erstellten Systeme haben eine längere Lebensdauer und eine größere Effizienz als bisher. Das kurzfristige Ertragsdenken wird damit abgelöst durch langfristige Substanz-Betrachtungen.