Das Energy-Star-Programm der US-Regierung senkt den PC- Stromverbrauch Der gesunde Bueroschlaf des Computers kommt langsam Von John Young*

02.07.1993

Kein anderes technisches Geraet ist einer solch rasanten Entwicklung unterworfen wie der PC. Die heutigen Apparate lassen sich kaum noch mit jenen vergleichen, die vor ein paar Jahren auf dem Markt waren, und die neueste PC-Generation kann beispielsweise ein Tabellenkalkulations-Programm zigmal schneller ablaufen lassen als noch die Vorlaeufer.

In einer Hinsicht aber sind die heutigen PCs noch immer Dinosaurier - im Energieverbrauch. Ein durchschnittliches Geraet benoetigt 80 bis 160 Watt, also etwa so viel wie eine Gluehbirne (siehe die Abbildung).

Dies mag wenig erscheinen, aber die 30 bis 35 Millionen PCs, die in den USA in Gebrauch sind, verbrauchen immerhin etwa fuenf Prozent der Elektrizitaet im Gewerbebereich. Waechst der Markt weiter wie bisher - die Computerindustrie hat die allergroessten Wachstumsraten -, koennte dieser Anteil um das Jahr 2000 zehn Prozent erreichen, vermutet die US-Umweltschutzbehoerde (EPA).

Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die EPA in Zusammenarbeit mit den fuehrenden Computer- und Bildschirmherstellern im Juni 1992 das "Energy-Star-Computerprogramm" initiiert. Die Behoerde konnte im vergangenen Jahr achtzehn Firmen - darunter Apple, IBM, Hewlett-Packard und die Digital Equipment Corporation - dazu bewegen, Arbeitsplatz-Rechner, sogenannte Desktop-Computer, zu entwickeln, die einen geringen Energieverbrauch haben. Unternehmen, deren Geraete den Energiesparnormen von Energy Star entsprechen, duerfen fuer ihre Produkte ab Juni 1993 mit einem speziellen Logo werben.

Wenn Energy-Star-Computer bis zum Jahr 2000 zwei Drittel des Marktes beherrschen wuerden, dann koennte dies nach EPA-Schaetzungen die Emissionen von Kohlendioxid (CO2aus Elektrizitaetswerken um jaehrlich 20 Millionen Tonnen vermindern. Diese Menge entspricht dem jaehrlichen CO2-Ausstoss von fuenf Millionen Automobilen - zufaellig genau die Zahl an Neuwagen, die pro Jahr in den USA produziert werden. Ausserdem wuerden Tausende Tonnen weniger an Stickoxid und Schwefeldioxid - Verursacher des sauren Regens - in die Luft geblasen.

Energy Star ist das juengste von mehreren EPA-Projekten, die auf die Kooperation mit der Industrie setzen. Das bisher erfolgreichste dieser Projekte ist "Green Lights", das die Installation von energiesparenden Leuchtstoffroehren in Firmengebaeuden foerdert. Die Computerindustrie waere zwar schon lange in der Lage, energiesparende Geraete zu bauen, aber erst die Initiative der EPA sorgte dafuer, dass sie nun auf den Markt kommen. Die Behoerde habe die Entwicklung beschleunigt, indem sie bei der Festlegung von Leistungsnormen als unparteiischer Mittler auftrat, berichtet Omar Khalifa, der bei Apple eine Entwicklungsabteilung fuer umweltfreundliche Produkte leitet.

Im PC-Bereich ist das Energiesparpotential besonders gross, weil nur ein Bruchteil des Stromverbrauchs beim aktiven Einsatz der Geraete benoetigt wird. Die meisten Computer bleiben den ganzen Tag eingeschaltet, auch wenn ihre Benutzer telefonieren oder den Arbeitsplatz voruebergehend verlassen. Zwischen 30 und 40 Prozent der Computer werden sogar nachts und am Wochenende nicht abgestellt.

Man sollte meinen, es waere selbstverstaendlich, dass die Benutzer ihre Geraete nur dann anwerfen, wenn sie daran arbeiten. Aber so wie viele Menschen gedankenlos die Beleuchtung brennen lassen, wenn sie aus dem Zimmer gehen, sind sie sich auch nicht bewusst, dass PC und Bildschirm auch Strom verbrauchen, wenn niemand damit arbeitet. Zudem dauert es heute bei den meisten Geraeten noch relativ lange, bis sie nach dem Einschalten betriebsbereit sind, auch deshalb nehmen viele Benutzer sie nicht vom Stromnetz.

Um diesen menschlichen Unzulaenglichkeiten zu begegnen, muessen also PCs entwickelt werden, die automatisch in einen Zustand niedrigen Energieverbrauchs verfallen - man koennte sagen: schlafen gehen -, wenn sie nicht gebraucht werden, jedoch sofort aufwachen, wenn der Benutzer ihrer Dienste bedarf. Computer oder Bildschirme, die sich um das Energy Star-Logo bewerben, duerfen im Schlafmodus hoechstens 30 Watt verbrauchen.

Die Computerhersteller haben fuer ein anderes Marktsegment bereits eine energiesparende Technologie entwickelt: fuer tragbare Apparate, sogenannte Notebook-Computer. Diese Kleingeraete werden mit Batteriestrom versorgt, deshalb muessen sie aeusserst sparsam arbeiten. Praktisch alle derartigen Modelle sind heute mit automatischem Schlafmodus ausgestattet.

Im Rahmen von Energy Star ruesten die Computerfirmen nun auch ihre leistungsfaehigeren Desktop-Systeme um. Mikroprozessor-Hersteller wie Intel, Advanced Micro Devices (AMD) und Cyrix (die wichtigsten Konkurrenten auf dem Markt fuer IBM-kompatible Chips) warten mit Prozessoren auf, die auch bei den komplexesten Systemen saemtliche Komponenten - Diskettenlaufwerk, Bildschirm, Speicher, Karten, Modems - abschalten, wenn sie fuer eine gewisse Zeit nicht in Gebrauch sind. Die neuen Chips sind auch in der Lage, sich schnell an den letzten Arbeitsgang vor der Selbstabschaltung zu erinnern.

Die Energiespargeraete sollen in diesem Fruehjahr in den Handel kommen. Die Computerfirmen, die an dem EPA-Projekt teilnehmen, gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Neugeraete in zwei Jahren den Energy-Star-Richtlinien entsprechen werden; sie versprechen, dass durch den sparsamen Energieverbrauch weder die Leistungsfaehigkeit beeintraechtigt werde, noch wuerden Preise in die Hoehe gehen.

Die Firmen, die Energy-Star-Geraete herstellen, treffen zumindest in den USA auf einen bedeutenden Markt. Die US-Umweltbehoerde kooperiert mit dem Bundesbeschaffungsamt (der Verwaltungsstelle, die die Bueros der Bundesbehoerden mit Geraeten und Arbeitsmaterial ausstattet) und dem Energieministerium, um die Produktion der neuen Computer durch Regierungsauftraege zu foerdern. Mit umgerechnet etwa sechseinhalb Milliarden Mark pro Jahr ist die US- Bundesregierung der weltgroesste Kaeufer von Computern und Software. Zusaetzlich versucht die EPA, die Wirtschaft auf die Energy-Star- Geraete einzuschwoeren.

Es duerfte nicht allzu schwierig sein, Firmen davon zu ueberzeugen, die neuen Computer anzuschaffen. Immerhin senken die Geraete ihre Stromrechnungen. Die EPA schaetzt, dass durch das Projekt jaehrlich zwischen einer und zwei Milliarden Mark an Stromkosten gespart werden. Ein weiterer Spareffekt - zumindest im Sommer: Die schlafenden Computer geben bedeutend weniger Waerme ab, was die Energiekosten fuer Klimaanlagen in den Buerogebaeuden senkt.