Das Ende von DOS ist nur noch eine Frage der Zeit

17.06.1994

DOS stirbt. Auch die lebensverlaengernden Massnahmen der Anbieter von DOS-Betriebssystemen koennen wenig dagegen tun. PC- Softwarehersteller halten sich zwar mit definitiven Aussagen noch zurueck. Sie beschraenken sich bei den Applikationen aber vermutlich nur noch auf die Pflichtversorgung. Fuer die Anwender hat DOS keine Bedeutung mehr.

CW-Bericht, Stefanie Schneider

Wer die Aktivitaeten der Betriebssystem-Hersteller verfolgt, mag an ein baldiges Ende des Veteranen DOS nicht glauben. Microsoft stellt mit MS-DOS 7.0 eine 32-Bit-Version in Aussicht, Novell kuendigte Novell-DOS 7 mit grossem Brimborium an, die sogar eine einstweilige Verfuegung Microsofts nach sich zog. Auch IBM entwickelte das eigene PC-DOS weiter und brachte mit dem Paket 6.3 verbesserte Antivirenfunktionen sowie Treiber fuer CD-ROM- Laufwerke. DOS soll Ende des Jahres zudem als Workplace-Shell mit OS/2-Look-and-feel angeboten werden. Sogar ein russisches Unternehmen steigt jetzt mit PTS-DOS 6.4 in den Markt der PC- Betriebssysteme ein.

Die Intensionen der Anbieter sind aber unterschiedlich. So handelt es sich bei dem fuer Ende 1994, Anfang 1995 erwarteten MS-DOS 7.0 offenkundig um eine der grafischen Benutzeroberflaeche entledigte Version von Windows 4.0, die auch den Codenamen "Chicago" traegt. Dieses neue DOS soll der CW-Schwesterpublikation "PC-Welt" zufolge durch die neuen Parameter "standard" und "enhanced" in der Systemdatei Io.sys die leidigen Speicherbarrieren ueberwinden. Ein Ersatz fuer Doublespace steht wahrscheinlich ebenfalls auf der Funktionalitaetenliste. Haelt die 32-Bit-Version, was sie verspricht, holt Bill Gates damit den in der 16-Bit-Klasse an Novell verlorenen Vorsprung wieder auf. Microsoft macht aber laut PC-Welt keinen Hehl daraus, dass es sich bei der Version 7.0 um das definitiv letzte MS-DOS handelt.

Bei IBM ist die DOS-Politik schwieriger zu durchschauen. So entwickelt Big Blue ein DOS fuer Low-end-Rechner, das ueber eine Workplace-Shell-Schnittstelle von OS/2 diesem wenigstens aeusserlich her aehnlicher werden soll (siehe auch CW 4/94, Seite 14, "IBM plant PC-Betriebssystem ..."). Es fiele leicht, dem Branchenriesen zu unterstellen, dass dies als OS/2-Koeder gedacht ist, damit die Anwender nicht nach "Chicago" greifen.

Novells DOS 7 fuer viele die Nummer eins

Novell-DOS 7 gilt bei vielen Fachleuten derzeit als bestes DOS. Die positive Einschaetzung kommt in erster Linie durch die integrierten DOS Protected Mode Services (DPMS) und das DOS Protected Mode Application Interface (DPMI) zustande. Ueber dieses API lassen sich die entsprechenden Anwendungen im Protected Mode im Extended Memory betreiben und dadurch die Adressbereiche oberhalb des klassischen Arbeitsspeichers besser nutzen. Hinzu kommen neben diversen Utilities das integrierte Peer-to-peer-Netz Personal Netware, die Moeglichkeit des praeemptiven Multitasking, bei dem Tasks im Hintergrund aktiv bleiben, sowie die integrierte Kompressionssoftware Stacker.

Die Hintergruende fuer Novells Engagement in bezug auf die Nach-DOS- Aera sind allerdings andere als die der Firma Microsoft, die mit Windows bereits einen betraechtlichen Teil des PC-Betriebssystem- Markts vereinnahmt. Das seit der Uebernahme von Wordperfect groesste Softwarehaus nach Microsoft steht vor dem Dilemma, dass seine Netzsoftware Netware nicht als "richtiges" Betriebssystem arbeitet und deshalb auf die Kooperation mit DOS beziehungsweise Windows angewiesen ist. Microsoft verfuegt mit Windows for Workgroups und Windows NT jedoch ueber komplette PC-Betriebssysteme, die Netzfunktionalitaeten beinhalten. 84 Prozent des Novell-Umsatzes (1993: 1,12 Milliarden Dollar) wurden mit den Netware-Produkten generiert. Ueberlegungen, dieses Kerngeschaeft gegen die Konkurrenz abzuschotten, waeren also durchaus verstaendlich.

Erschwerend kommt fuer Novell jedoch der Trend zu Windows und zu grafischen Oberflaechen hinzu. DOS ist fuer die Hersteller von Anwendungssoftware schon laengst nicht mehr die erste Wahl. Sie stecken ihre Entwicklungsressourcen lieber in GUI-basierte Applikationen (Graphical User Interface). So hat Microsoft die Weiterentwicklung von "Multiplan" und "Chart" schon vor laengerem eingestellt. Auch die Zukunft der Textverarbeitung "Word" steht fest: "Es wird nach der Version 6.0 kein weiteres Update fuer Word mehr geben", erklaert Bernhard Grander, Pressereferent bei der deutschen Microsoft-Niederlassung. Was weitere DOS-Releases von "Works" und "Foxpro" angehe, sei die Entscheidung allerdings noch nicht gefallen. Bei den Spielen faehrt man dagegen ausdruecklich weiter auf der DOS-Schiene. Neben der neuen Version des "Flugsimulators", die vor etwa einem halben Jahr auf den Markt kam, ist laut Grander fuer die zweite Jahreshaelfte ein neues Spiel auf Basis des zwoelf Jahre alten PC-Betriebssystems geplant: der "Spacesimulator".

Microsofts Strategie hinsichtlich der Anwendungsentwicklung bewegt sich damit in die gleiche Richtung wie die in der PC-Welt verlautbarte DOS-Politik. Das Unternehmen reagiert damit unverkennbar auf das veraenderte Kaeuferverhalten. Bereits 1993 stellte der Executive Vice-President Mike Maples einen deutlichen Rueckgang der verkauften DOS-Applikationen fest (siehe CW 33/93, Seite 1, "Weiterentwicklung fuer DOS ..."). Grander kann diese Entwicklung, was Word betrifft, bestaetigen: "Der Anteil an Word fuer DOS betraegt nur noch zehn Prozent der verkauften Word-for- Windows-Pakete."

Die uebrigen Softwarehersteller druecken sich weniger konkret aus - der Begriff "Maintenance Release" macht die Runde. Die Firma Wordperfect, deren enge Verbundenheit mit Novell amtlich ist, bemueht sich sogar, mit einer Pressemitteilung Geruechten ueber ein Ende der DOS-Entwicklung entgegenzuwirken.

Der DOS-Markt ist, so Wordperfect, nach wie vor ein wichtiger Geschaeftsbereich, obwohl in den letzten Jahren eine Abschwaechung des Marktes zu beobachten war: "Die Wordperfect Corp. wird ihren DOS-Kunden treu bleiben und weiterhin Produkte fuer diese Plattform entwickeln und unterstuetzen. Fuer 1994 sind neue Maintenance Releases (verbesserte Versionen ohne neue Versionsnummer), umfassender technischer Support und Konvertierungsprogramme fuer die Konvertierung von Dateien der DOS-Produkte geplant." Dabei richte sich das Augenmerk auf die Optimierung des Leistungsumfangs von Wordperfect 6.0 und 5.1 fuer DOS. Bezueglich neuer Versionen aeussert sich das Unternehmen jedoch zurueckhaltend: Man werde den DOS-Markt genau be- obachten und die Anforderungen der Kunden analysieren, um die potentielle Nachfrage nach einer weiteren DOS- Version von Wordperfect realistisch einzuschaetzen.

Der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" zufolge plant Lotus zwar, zeitgleich mit der Windows-Version von "Lotus 1-2-3" auch ein DOS-Release auf den Markt zu bringen. Ausser "CC:Mail fuer DOS" seien jedoch alle anderen wichtigen Produkte auf grafische Benutzeroberflaechen ausgerichtet. Nach dem Release 4 von 1-2-3 fuer DOS wolle man erst den DOS-Markt ausloten, aeusserte Jeff Anderholm, Marketing-Direktor fuer Tabellenkalkulationen, gegenueber der US- Zeitschrift.

Eine aehnliche Linie vertritt auch Borland. Laut "Computerworld" seien keine bedeutenden Upgrades fuer die DOS-Versionen von "Quattro Pro" und "Paradox" mehr geplant. Nur "Dbase" erhaelt noch ein DOS-Upgrade - danach soll aber ueber die Zukunft dieses DOS- Produkts nachgedacht werden. Das deutsche Softwarehaus Star Division stellt die Weiterentwicklung der Textverarbeitung "Starwriter" ebenfalls ein.

Nur kleine Aenderungen wie neue Treiber etc. werden der Maintenance zuliebe bei Bedarf durchgefuehrt, erklaert Star-Division- Geschaeftsfuehrer Marco Boerries. "DOS ist auf dem absterbenden Ast, zumindest fuer Entwickler", ist auch Ralf Kahler, Projektleiter bei der Polikon GmbH, einem Hersteller von Bildverarbeitungssystemen, ueberzeugt. Das Unternehmen hat eine DOS-Applikation fuer die Chromosomenanalyse in seiner Palette, die nun fuer Windows verfuegbar gemacht werden soll. "An Windows fuehrt kein Weg vorbei", so Kahler.

Fuer die neuen Anwendungen lassen sich auch die Vorteile von objektorientierten Technologien nutzen. Fuer Chris LeTocq, Industrieanalyst bei Computer Intelligence/Info Corp., zwingen OLE 2.0 von Microsoft oder Open-DOC von IBM und Apple die Softwarehersteller deshalb geradezu heraus, sich staerker auf die neuen Plattformen zu konzentrieren. "Der Effekt von OLE und anderen Technologien ist, dass sie enorme Entwicklungskapazitaeten binden", fuegt er hinzu. "Die Anbieter muessen viel fuer neue Plattformen entwickeln, so dass sie sich jetzt von aelteren trennen", beobachtet auch Gartner-Group-Analyst Carter Luscher.

Von den Anwendern werden weder Betriebssystem-Hersteller noch Software-Anbieter Druck bekommen, an DOS festzuhalten. Ihre PC- Strategie scheint unbeeinflusst von Ankuendigungen seitens der Industrie, auch wenn - wie in der Muenchner ADAC-Zentrale - nicht jeder End-User mit Maus und Icons hantiert. Die DOS- Textverarbeitung Word ist dort sowohl in der Version 5.0 als auch in der 4.0-Ausfuehrung noch im Einsatz. "Es wird Inseln geben, die auch in acht Jahren noch mit Word 5.0 arbeiten", erklaert Dietrich Lueben, Leiter Buerokommunikation. "Wenn nur Briefe geschrieben werden, rechnet sich die Umstellung nicht."

Dennoch ist das Unternehmen bereits voll auf dem Windows-Trip: mit Windows for Workgroups und einem Windows-NT-basierten Netz. Auch die eigenentwickelten Anwendungen koennen sich diesem Trend nicht entziehen. Wegen der Vorteile praeemptiver Betriebssysteme sowie der besseren Netzanbindung soll auch die Geschaeftsstellen- Vernetzung, die unter MS-DOS 3.3 laeuft und ueber 1000 PCs verbindet, in drei Jahren abgeloest werden. Lueben: "Neue DOS- Anwendungen machen wir nicht."

Der Trend geht unaufhaltsam zu grafischen Oberflaechen. "DOS ist tot. Ich liebe DOS und hasse Windows in der heutigen Form, aber die Realitaet ist, dass alle unsere neuen Anwendungen fuer Windows und OS/2 entwickelt werden", konstatiert Rock Blanco, Director fuer Informationssysteme bei Garber Travel Services in Boston. Die Altlasten werden nach und nach abgebaut. Das bestaetigt auch Helmut Noeske, DV/ Org.-Leiter bei der Huerner GmbH in Frankfurt: "Wir haben noch umfangreiche DOS-Pakete, die unter Windows im DOS- Fenster laufen. Ziel ist aber, alle Programme in Windows zu integrieren und die Windows-Library zu nutzen."

Standardprogramme bilden da keine Ausnahme. "DOS-Versionen werden sukzessive gegen Windows-Pakete eingetauscht", erlaeutert Lutz Jericho, Gruppenleiter Systemtechnik bei der Nissan Deutschland GmbH. Er kann deshalb auf neue DOS-Versionen verzichten: "Kein Problem, wenn die Softwarehersteller bei DOS nicht mehr weiterentwickeln."

Selbst signifikante Verbesserungen im Betriebssystem selbst koennen die Anwender offenbar nicht mehr davon abhalten, den Veteranen noch lange durchzufuettern - was Microsoft angesichts der Windows- Nachfrage wenig stoeren duerfte. "Der Wechsel zu grafischen Oberflaechen ist auf jeden Fall geplant. Die DOS-Weiterentwicklung durch Microsoft hat darauf keinen Einfluss", bemerkt Noeske.

Tips & Tricks

DOSKEY/insert und /overstrike

Die meisten Anwender faenden es komfortabler, wenn die DOS- Befehlszeile den aus der Textverarbeitung gewohnten Einfuegemodus verwenden wuerde. Starten Sie dafuer DOSKEY in der AUTOEXEC.BAT mit der Option /INSERT. Die Standardoption ist /OVERSTRIKE, also der Ueberschreibmodus. Sie koennen den Modus mit dem entsprechenden Befehl jederzeit auch waehrend der Sitzung wechseln.

Aus der CW-Schwesterpublikation "PC WELT", Ausgabe 4/94.

Tips & Tricks

DEL optimieren

Loeschen ist immer gefaehrlich, auch noch im Zeitalter von UNDELETE. Wollen Sie Ihr Loeschverhalten kontrollieren, geht das ganz einfach mit einem DOSKEY-Makro. Nach DOSKEY Del=Del $1 /P verlangt DOS bei jedem Loeschvorgang eine Bestaetigung. Wenn Sie sich misstrauen, definieren Sie diese Art zu loeschen am besten in der AUTOEXEC .BAT zum Standard (zunaechst muss natuerlich DOSKEY.COM geladen sein).

Aus der CW-Schwesterpublikation "PC WELT", Ausgabe 4/94.

Tips & Tricks

Erweiterte TREE-Info

Der Befehl TREE zeigt die Baumstruktur Ihrer Festplatte auf dem Bildschirm an. Der Schalter /F gibt zusaetzlich zu den Verzeichnissen die darin enthaltenen Dateien aus. Hier empfiehlt es sich, die Bildschirmausgabe mit MORE nach jedem vollen Bildschirm anzuhalten TREE c: /f more oder die Ausgabe in eine Datei umzuleiten.