ZVEI-Podiumsdiskussion um "Entwicklungslinien der Datentechnik mit unbefriedigendem Resümee:

Das Bild vom Jobkiller ist überzeichnet

10.11.1978

FRANKFURT (ee) - Nach wie vor fehlt es an qualifizierten Prognosen, ob die Datentechnik per saldo mehr Arbeitsplätze vernichte als durch sie entstünden. Diese bekannte - und unbefriedigende - Aussage stand am Schluß einer Podiums-Diskussion, die jetzt im Haus des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI) in Frankfurt zum Thema "Entwicklungslinien der Datentechnik und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen" Standpunkte offenlegte.

Pragmatisch - weil der Computer nicht wegzudenken ist - standen Dipl.-Ing. Dr. Hans-Joachim Bohn (ZVEI-Fachverband DV) von der Siemens AG und Dipl.-Kfm. Ulrich Kiel (EDV-ORG-Leiter im Großversandhaus Quelle) der Datentechnik gegenüber. Mehr Kontrolle und Steuerung hält hingegen Diether Noth, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen, für notwendig. Das CSU-MdB Dr. Albert Probst, zugleich Vorsitzer des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie, stritt aber doch pro Datentechnik: "Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Beherrschung der Datentechnik eine Existenzfrage." Dipl.-Ing. Erhard Ulrich (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg) relativierte die "Jobkiller-Rolle" der Datentechnik durch statistische Arbeitsmarktzahlen. So seien 70 bis 90 Prozent aller Arbeitslosen wegen Auftragsmangel, gesundheitlicher Mängel oder unzureichender Qualifikation arbeitslos geworden, während Rationalisierungsmaßnahmen als Ursache für den Arbeitsplatzverlust nur bei 10 bis 20 Prozent der Arbeitslosen eine Rolle spielen. Ulrich: "Die häufig angeführten Zahlen von drei bis sieben Millionen wegfallenden Arbeitsplätzen durch Einführung der Datentechnik und Mikroelektronik überzeichnet das Bild der Auswirkungen wenn nicht dazu gesagt wird, in welchem Zeitraum diese Arbeitsplätze wegfallen." Ulrich drastisch: "Bezieht man diese Zahlen auf einen Zeitraum von 10 Jahren, so liegen diese Arbeitsplatzveränderungen im Rahmen bisheriger Strukturwandelprozesse. Sie sind dann bewältigbar."

Eine interessante Variante der Jobkiller-Version kursiert offensichtlich bei der OECD. Dipl.-Ing. Hans Peter Gassmann (der kurzfristig absagte) unterschied einmal im Interesse der Sache korrekt zwischen Datentechnik und Mikroelektronik, wobei er wegen des schnellen Alterns von Informationsprodukten im Bereich der Datentechnik eine "arbeitsintensive" Zukunft sieht. Anders betrachtet Gassmann die Auswirkungen der Mikroelektronik, "die 20 Jahre zu früh kommt". Seine Überlegung: "Wenn wir das Innovationstempo der Elektronik so lange aufhalten oder verlangsamen könnten, bis weniger junge Leute auf den Arbeitsmarkt drängen, könnten wir uns einige Probleme ersparen."