Das Beste aus zwei Welten

07.11.2008
Von Oliver Wucher
SAP und Microsoft bieten jeweils ein Portalprodukt an, allerdings keine zufrieden stellenden Mittel für deren Zusammenspiel. Doch es gibt eine Lösung.

Standardsoftware von SAP und Microsoft ist ein Infrastrukturbestandteil vieler Unternehmen. Während der Fokus von SAP auf Business-Software etwa für ERP liegt, setzt Microsoft den Schwerpunkt auf Office-Anwendungen. SAP wird eher für die Verwaltung von strukturierten Daten eingesetzt, Microsoft stellt mehrheitlich Produkte zum Umgang mit unstrukturierten Daten bereit. Beide Softwarehäuser haben eigene Portale als zentrale Bestandteile ihrer Plattformstrategie entwickelt und in den vergangenen Jahren erfolgreich am Markt etabliert - Microsoft den "Office Sharepoint Server" (MOSS) und SAP das "Netweaver Portal". Wer allerdings die Portale integrieren will, sucht derzeit bei den Herstellern noch vergeblich nach einer befriedigenden Antwort.

Doch es gibt gute Gründe für eine Integration. Durch die Vernetzung im Unternehmen, aber auch über die Unternehmensgrenzen hinaus müssen Nutzer immer häufiger gleichzeitig mit strukturierten und unstrukturierten Daten arbeiten. Ein typisches Beispiel für eine solche Tätigkeit ist die Aufbereitung von Kundensegmentierungen. Hierfür kommen zunächst die Quelldaten zu Kunden und Umsätzen aus dem SAP-System. Im zweiten Schritt werden die Informationen dann aufbereitet, mit Fachleuten diskutiert und analysiert. Dies geschieht in der Regel in Form von Office-Dokumenten. Gerade der zweite Schritt beinhaltet im Wesentlichen die Zusammenarbeit mit anderen Personen (Collaboration). Deshalb ist der Bedarf groß, gut integrierte, fachlich handhabbare und technisch zusammenwirkende Systeme bereitzustellen.

Schutz vor Upgrade-Problemen

Da es sich sowohl bei SAP wie auch bei Microsoft um Standardprodukte handelt, die regelmäßig Produkt-Updates erfahren, ist es wichtig, die Integration der Systeme mit möglichst wenig Eigenentwicklungen umzusetzen. Denn Anwender wollen keine umfangreichen Schnittstellen, die beim nächsten SAP-Upgrade oder der nächsten Office-Version nutzlos sind. Gerade deshalb bietet sich der Weg über Portale an, um die beiden Welten mit möglichst geringem Aufwand zusammenzuführen.

Das Thema Collaboration greift noch weiter. Immer öfter sind Unternehmen gezwungen, mehrere Nutzergruppen im Zuge einer durchgängigen Prozessunterstützung zu integrieren - sowohl aus den eigenen Reihen wie auch aus denen der Partner, Lieferanten oder Kunden. Sie alle brauchen Zugang zu Informationen und Applikationen und verlangen verstärkt nach einer von virtuellen Projekträumen, Foren, Wikis oder Portalen unterstützten Zusammenarbeit. Da viele Unternehmen bereits ein SAP-Portal für den Zugriff auf SAP-Daten haben, stellt sich die Frage, wie sich in einer Netweaver-Portallandschaft das Thema Collaboration abbilden lässt. Als mögliches Produkt bietet sich MOSS an.

Microsoft Office Sharepoint Server

Ein Schwerpunkt der aktuellen Version MOSS 2007 ist das verteilte Arbeiten mit unstrukturierten Daten inklusive Dokumenten- und Content-Management-Funktionen. Im Bereich Collaboration stehen Funktionen wie Wikis, Blogs und Foren zur Verfügung. Die wohl am häufigsten genutzte MOSS-Funktion sind Teamsites. Diese spiegeln auch die Stärke des Produkts wider, schnell eine interaktive Website für Teams oder Abteilungen aufzubauen. MOSS bietet hier schon im Standard eine Vielzahl von Funktionen. Zusätzliche Features lassen sich über Webparts in MOSS einbinden. Ein Webpart ist eine Ansicht, die auf einer Web-Seite platziert wird und Inhalte aggregiert.

Anwender, die viel mit unstrukturierten Daten arbeiten, nutzen häufig Office-Produkte wie Word, Excel und Powerpoint. Durch die Verwendung von MOSS kann das verteilte Arbeiten mit unstrukturierten Informationen dadurch vereinfacht werden, dass zum Beispiel ein ganzes Team auf ein online verfügbares Excel-Sheet zugreift, statt jeweils mit einer duplizierten lokalen Version zu arbeiten, die immer wieder per E-Mail verschickt werden muss. Gerade in mittelständischen Unternehmen wird MOSS immer häufiger als konzernweites Unternehmensportal eingesetzt. Auch größere Unternehmen nutzen inzwischen MOSS verstärkt als Collaboration-Plattform.

Das Netweaver-Portal

Das SAP Netweaver Portal hingegen legt einen Schwerpunkt auf die Integration von Business-Anwendungen und Prozessunterstützung. Das bedeutet, Anwender nutzen das Portal hauptsächlich als Zugang zu den diversen SAP-Anwendungen, so etwa zur Integration von Reise-Management, Zeiterfassung und Business Intelligence. Vor diesem Hintergrund werden SAP-Portale meist in einem zentralen Ansatz im Gesamtkonzern betrieben. Eine umfassende Collaboration-Funktion fehlt dem Produkt aber derzeit noch. SAP will das Thema zwar künftig mit einem erweiterten Collaboration-Portal bedienen, vor Ende 2009 ist mit der Technik jedoch kaum zu rechnen.

Aufgrund der unterschiedlichen Schwerpunkte von MOSS und Netweaver Portal ergänzen sich die beiden Produkte gegenseitig sehr gut. Die entscheidende Frage lautet also, wie sie am besten zusammenspielen. Bevor man sich jedoch für eines der vier dafür möglichen Szenarien entscheidet, gilt es, einige wesentliche Aspekte der MOSS-Netweaver-Portalintegration zu beachten.

Aspekte der Portalintegration

Benutzer-Interface und Layout: Portale bilden die Schnittstelle zwischen den Benutzern und den über das Portal integrierten Anwendungen. Deshalb ist bei der Einführung von Portalen immer ein entscheidendes Ziel, einheitliche und leicht bedienbare Nutzerschnittstellen zu schaffen. MOSS und Netweaver Portal unterscheiden sich deutlich im User Interface, zum Beispiel im Seitenaufbau, aber auch bei den bereitgestellten Portal-Steuerelementen. Je nach Integrationsszenario besteht die Möglichkeit, das User Interface der beiden Portale zu vereinheitlichen. Ein gemeinsames Layout erreicht man durch die Verwendung von übergreifenden Cascading Style Sheets (CSS).

Navigation: Bei der Navigation gibt es zwei Herausforderungen. Zum einen besteht das Ziel, einen übergreifenden Navigationsbaum für das Portal aufzubauen, der idealerweise nur an einer Stelle gepflegt wird. Zum anderen ist eine fehlerfreie Verlinkung von einem Portal in das andere elementar für das Zusammenspiel. Bei Verweisen in MOSS-Unterbereiche müssen dazu Links vorab konvertiert werden.

Single-Sign-on: Das Single-Sign-on ist eine grundsätzliche Anforderung bei jeder Portaleinführung, damit sich die Benutzer nicht für unterschiedliche Anwendungen mehrmals anmelden müssen. Bei der Verwendung von zwei Portalen sollten auch die Portale untereinander mittels SSO aufrufbar sein. Für ein nahtloses SSO zwischen MOSS und Netweaver Portal wird die Verwendung einer einheitlichen User-ID empfohlen. Dazu bietet es sich an, die Benutzer in einem zentralen Directory zu verwalten.

Suche: Bezüglich einer übergreifenden Suche gibt es für die MOSS-Netweaver-Portalintegration mehrere Optionen:

Verwendung von SAP Enterprise Search / TREX als zentrale Suche und Zugriff auf MOSS-Search zum Beispiel über WebDAV oder Web-Service;

Verwendung von Microsoft Search Server als zentrale Suche mit Integration der SAP-Inhalte;

Verwendung eines Drittprodukts wie Google Search und Integration von beiden Portalinhalten.

Die Herausforderungen bei allen drei Optionen sind die integrierte Rechteprüfung und ein übergreifendes Ranking der Suchergebnisse. Ziel dabei ist, dass nur die Dokumente angezeigt werden, auf die ein Benutzer Zugriff hat, und dass die Suchergebnisse einheitlich dargestellt werden. Bei der Verwendung von WebDAV ist zum Beispiel keine Rechteprüfung möglich. Bei allen anderen Verfahren muss sichergestellt sein, dass der Nutzerkontext mit der Suchanfrage übergeben und ausgewertet wird. Das Ranking der Ergebnisse erfordert entweder die Verwendung eines übergreifenden Index oder die Synchronisierung der unterschiedlichen Suchindizes bezüglich der Trefferrelevanz.

Personalisierung und Mehrsprachigkeit: Ein weiterer zu beachtender Punkt bei der parallelen Verwendung von zwei Portalen ist die zentrale Verwaltung und Übergabe von Personalisierungsinformationen, also zum Beispiel der eingestellten Sprachauswahl.

Das Ziel aus Benutzersicht ist, dass die Informationen nicht separat in beiden Portalen verwaltet werden müssen. Dies geschieht durch die Freischaltung der Personalisierungsfunktion in nur einem Portal. Das jeweils andere Portal wird dann mit den entsprechenden Informationen versorgt.

Optionen für das Zusammenspiel

Wer diese Aspekte der Portalintegration geklärt hat, kann mit der Evaluierung der vier möglichen Szenarien beginnen:

1. Keine Integration: Wenn MOSS und das Netweaver Portal unabhängig voneinander betrieben werden, schafft man es nicht, einen übergreifenden Informationskontext herzustellen. Die beschriebenen Integrationsaspekte werden nicht erfüllt.

2. Single-Master SAP: Hier wird MOSS wie eine zu integrierende Applikation behandelt und in das Netweaver Portal eingebunden. Dies hat den Vorteil, dass alle Funktionen durch das Netweaver Portal kontrolliert werden. Der Nachteil dieser Variante ist, dass die MOSS-Funktionalität erheblich eingeschränkt wird. Darüber hinaus können im MOSS Probleme mit der Darstellung der Navigation auftreten, indem zum Beispiel zusätzlich zur SAP-Navigation im Content-Bereich auch eine MOSS-Navigation auftaucht. Dies führt zur Verwirrung der Anwender.

3. Single-Master MOSS: In dieser Kombination ist MOSS das zentrale Portal und integriert die benötigten Netweaver-Portalfunktionen in seiner Oberfläche. Dazu stehen im MOSS zum Beispiel die SAP-Webparts oder der Business Data Catalog (BDC) zur Verfügung, mit dem auf externe Datenquellen zugegriffen werden kann. Nachteil dieser Variante ist, dass das Netweaver Portal seine Stärken bezüglich der Applikationsintegration nicht im vollen Maß ausspielen kann. Dies bedeutet entweder einen erhöhten Integrationsaufwand von SAP-Applikationen oder eine eingeschränkte Funktionalität.

4. Multi-Master - die Lösung: Aufgrund der Nachteile der ersten drei Optionen hat sich in der Praxis das Multi-Master-Szenario bewährt. Damit können Unternehmen sowohl Anwendungen wie auch zentrale Services nutzen, und beide Portale erhalten ein ähnliches Look and Feel. Im Idealfall merken die Benutzer nicht einmal, in welchem Portal sie sich gerade befinden. Mit diesem Ansatz lassen sich alle Funktionen beider Portallösungen verwenden. Somit bekommt der Nutzer das Beste aus beiden Welten: Collaboration, Integration von Business-Anwendungen und Prozessunterstützung. Die verschiedenen Produkte können ihre jeweiligen Stärken voll ausspielen.

Konkret könnte dieses Szenario so aussehen: Das Netweaver Portal agiert als zentrale Instanz und stellt Services zur Verfügung, die sich nicht nur auf MOSS beschränken. So wird die Navigation vom Netweaver Portal über den Web-Service SAP Navigation Provider bereitgestellt. Dieser Web-Service wird vom MOSS aufgerufen, so dass er im Ergebnis die jeweils gültige Navigation erhält. Somit wird im MOSS stets die gleiche Navigation wie im Netweaver Portal angezeigt. Entscheidend für das Multi-Master-Szenario ist auch, dass beide Portale unabhängig voneinander aufgerufen werden können.

Fazit

Der Microsoft Office Sharepoint Server und das SAP Netweaver Portal sind zwei Portalprodukte, die in vielen Firmen bereits vorhanden sind. Oft fehlt allerdings die Verknüpfung der Portale zu einer integrierten Arbeitsumgebung für die Anwender. Um die Funktionen beider Produkte in vollem Umfang nutzen zu können, empfiehlt sich ein Multi-Master-Szenario. Dies beinhaltet eine enge Integration der beiden Portalfunktionen und hilft so Mitarbeitern, in einem übergreifenden Kontext aus strukturierten und unstrukturierten Informationen zu arbeiten. (ue)