Wirtschaftlichkeit des Datenschutzes:

"Das BDSG ist ein fairer Kompromiß"

17.09.1976

BERLIN - Mit dem Leitsatz "Datenschutzgesetzgebung ist Kosten-Nutzen-Überlegungen grundsätzlich nicht zugänglich" schockte Ministerialrat Dr. Herbert Auernhammer, für das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zuständiger Referent im Bonner Innenministerium, seine knapp 100 Zuhörer beim Workshop "Recht und Automation", der vom Kooperationsausschuß ADV Bund/Länder auf dem Internationalen Kongreß für Datenverarbeitung veranstaltet wurde. Auernhammer rechtfertigte in seinem Referat "Probleme der Datenschutzgesetzgebung - auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten" diese These mit dem Verfassungsauftrag, daß der dem Bürger vom Grundgesetz gewährte Freiheitsraum, die unantastbare Sphäre privater Lebensgestaltung, nicht durch die rasche Entwicklung der automatischen Datenverarbeitung und die damit verbundenen Möglichkeiten der Informationsverflechtung und -konzentration eingeengt werden dürfe. In diesem Sinne sei die Sicherung von Grundrechten des Bürgers nicht nach in der Wirtschaft sonst üblichen Kriterien zu bemessen, die zur Aufgabe eines Projektes zwingen, wenn sich herausstellt, daß die Kosten den Nutzen übersteigen und das Projekt deshalb wirtschaftlich uninteressant ist.

Gleichwohl habe sich Regierung und Parlament bemüht, zwischen unterschiedlichen Interessengegensätzen und Zielkonflikten Kompromisse zu finden in Form einer Güterabwägung nach dem Verhältnismäßigkeits-Prinzip. Daß das BDSG solche Kompromisse zwischen Verfassungsauftrag einerseits und der Forderung nach möglichst geringen Kosten des Datenschutzes andererseits enthält, belegte der" Vater des BDSG".

So wurde nicht der Forderung nachgegeben, gesetzlich die unaufgeforderte kostenlose Übersendung eines vollständigen Speicherauszuges sämtlicher zur Person des Bürgers gespeicherten Daten an den Betroffenen bei Inkrafttreten des Gesetzes oder bei Neueröffnung einer Datenbank sowie die nachfolgende regelmäßige kostenlose Benachrichtigung über alle einschlägigen Änderungen vorzuschreiben. Der Gesetzgeber hat diese gewiß erhebliche Belastung von den datenverarbeitenden Stellen abgewendet und sich mit Regelungen begnügt, die erheblich wirtschaftlicher sind und für den interessierten Bürger dennoch von ausreichen."

Danach - so Auernhammer - haben die Behörden alle erforderlichen Angaben über Datenspeicherung, -übermitlung etc. in den üblichen Amtsblättern bekanntzugeben und diese Veröffentlichungen dem Bürger auf Anforderung zuzusenden. Für den öffentlichen Bereich hingegen wurde aus Wettbewerbsgründen dieser Weg nicht gegangen, sondern, die Verpflichtung zur Benachrichtigung des Betroffenen über die Tatsache der Speicherung von Daten zu seiner Person vorgesehen - jedoch mit der "wirtschaftsfreundlichen" Einschränkung des Gesetzestextes "es sei denn, daß er auf andere Weise Kenntnis von der Speicherung erlangt". Diese Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, etwa in Form eines Speicherauszuges, ist dem Betroffenen jedoch nur auf sein ausdrückliches Verlangen und gegen ein die direkt zurechenbaren Kosten deckendes Entgelt zu erteilen.

Eingehend auf die als "Maßnahmenkatalog" unter Wirtschaftlichkeits-Aspekten besonders umstrittene Anlage zum Paragraphen 6 des BDSG erklärte Auernhammer, daß auch hier bei der Regelung des Einsatzes technischer und organisatorischer Maßnahmen zugunsten des Datenschutzes der Gesetzgeber großen Wert darauf gelegt habe, ein Übermaß an normativen Forderungen zu vermeiden. Denn nach dem Datenschutzgesetz sind die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, "die erforderlich sind, um die Ausführung der Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere die in der Anlage zu diesem Gesetz genannten Anforderungen zu gewährleisten" (° 6 Absatz 1). Was erforderlich ist, sei nach der gleichen Vorschrift nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beurteilen. Danach sind Maßnahmen nur erforderlich, "wenn ihr Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht". Hinzu komme, daß nicht in der genannten Anlage detaillierte Maßnahmen vorgeschrieben sind, die sich in Einzelfällen in die vorhandenen DV-Systeme überhaupt nicht oder nur mit erheblichen, manchmal auch unnötigem Aufwand einbauen ließen, sondern es werde auf zehn verschiedenen Sektoren auf näher beschriebene Datensicherungseffekte hingewiesen, die zwar erreicht werden müssen; wobei jedoch der Weg dorthin den datenverarbeitenden Stellen überlassen wird. Auernhammer: "Es liegt an Ihnen, den einfachsten und wirtschaftlichsten Weg zu finden."

Der Bonner Ministerialrat ließ in der Diskussion keinen Zweifel daran, daß er fest damit rechnet, daß diese nunmehr vom Vermittlungsausschuß als Kompromiß zwischen den Interessen des Bundestages und des Bundesrates und zugleich als Kompromiß zwischen den Parteien ausgehandelte Gesetzesvorlage noch in diesem Jahr zwischen dem dritten Oktober und dem l6. November, dem Ende dieser Legislaturperiode, endgültig verabschiedet wird. -m-