Das Angebot an PC-Prozessoren wird groesser SGS-Thomson will ebenfalls Cyrix-Chips selbst vermarkten

06.05.1994

MUENCHEN (kk) - Einen neuen Anlauf nimmt derzeit die Mikroprozessor-Branche. War im vergangenen Jahr die Situation auf dem Markt fuer PC-Rechenwerke noch relativ ueberschaubar, so bedraengen nun neue Hersteller und unerwartete Allianzen die Vormachtstellung von Intel.

Am 14.April dieses Jahres liess die IBM Microelectronics mit der Mitteilung aufhorchen, kuenftig fuer den texanischen Chiphersteller Cyrix Corp. 486- und spaeter Pentium-kompatible Chips zu fertigen und selbst zu vermarkten. Nun, eine Woche spaeter, hat sich mit der SGS Thomson Microelectronics NV ein weiterer Fabrikant von Cyrix- CPUs dazu entschlossen, diese Produkte unter eigenem Namen anzubieten. (Siehe auch CW Nr. 17, Seite 74)

Chip-Hersteller aus Europa auf Erfolgskurs

Das Unternehmen, das 1987 aus dem maroden franzoesischen Staatsbetrieb Thomson SA und dem italienischen Aequivalent SGS Microelettronica SpA gebildet wurde, erzielte nach verlustreichen Anfangsjahren erstmals 1992 einen Jahresgewinn (bescheidene drei Millionen Dollar), der 1993 auf 160 Millionen gesteigert werden konnte. Eine Spitzenstellung nimmt die von Pasquale Pistorio gefuehrte Firma bei ROM-Speicherbausteinen und chipbestueckten Smartkarten ein.

Wie der englische Branchendienst "Computergram" meldet, will SGS- Thomson fuer die Produktion der Cyrix-Chips die stillgelegte Fabrik in Phoenix, Arizona, wiedereroeffnen, die bereits auf eine Halbmikron-CMOS-Fertigung ausgelegt ist.

Fuer die Aufnahme des Geschaeftsbetriebs formierten die Europaeer die "New Operations Group", die von SGS-Thomsons ehemaligem Strategiedirektor Piero Martinotti gefuehrt wird. Innerhalb von drei Monaten soll, wie das "Wall Street Journal" meldet, der Plan fuer das Projekt verabschiedet sein.

Wird Intel die Clone-Hersteller verklagen?

Interessant duerfte in den naechsten Wochen das Verhalten von Intel sein. Der Chipkroesus ueberlegt derzeit, ob man die IBM wegen der Cyrix-Vermarktung vor Gericht zitieren soll. Nach Intels Auffassung darf ein Partner, mit dem eine Cross-Licence- Vereinbarung ueber Patente besteht, nicht zugleich Clone-CPUs wie die von Cyrix herstellen. Big Blue sieht der Klaerung der Frage, die ein texanisches Gericht vermutlich in diesem Sommer bringen wird, gelassen entgegen. Derzeit fuehrt man Gespraeche mit der Nexgen Microsystems Inc. ueber die Fertigung von Mikroprozessoren der Pentium-Klasse.

SGS-Thomson sieht sich gegen patentrechtliche Auseinandersetzungen mit Intel besonders gefeit, obwohl auch die Italo-Franzosen eine entsprechende Patentvereinbarung mit dem groessten CPU-Hersteller geschlossen haben. Bereits vor zwei Jahren klaerte ein US-Gericht in Texas, dass die Europaeer Produkte verkaufen duerfen, die bestimmte Intel-Technologie enthalten.

Das Urteil bezog sich auf ein Lizenzabkommen zwischen Intel und der Mostek Corp. aus dem Jahre 1977. Der einstige US- Chiphersteller Mostek wurde zwischenzeitlich von SGS-Thomson uebernommen - inklusive der Patentrechte.

Michael Slater, Herausgeber des "Microprocessor Report" und Kenner der Chipszene, erwartet fuer die Intel Corp. die groesste Herausforderung im naechsten Jahr: "Intels grosser Vorteil lag in der Lieferfaehigkeit der Produkte, aber der wird naechstes Jahr verschwunden sein."

Hersteller wie Texas Instruments, Nexgen, Cyrix, IBM und AMD werden ihre Produktion von x86-Clones erhoeht haben und sich danach auf Preiskaempfe einlassen koennen.