Das alternative System-Management

30.10.2006
Von Eva-Katharina Kunst
Das System-Management großer Server-Installationen ist noch die Domäne der kommerziellen Anbieter. Doch kleine und mittelständische Anwender setzen zunehmend auf quelloffene Lösungen.

Komplex, verteilt, heterogen und virtualisiert, lauten die Attribute heutiger Rechnerlandschaften. Die zudem stets wachsende Zahl von Servern in einem Unternehmen haben die Ansprüche an eine zentralisierte Verwaltung der IT-Bedürfnisse gesteigert. Die führenden, kommerziellen Schwergewichte im Markt der System-Management-Software haben darauf mit umfangreichen Komplettlösungen reagiert. Tivoli (IBM), Openview (HP), Unicenter (Computer Associates) und Patrol (BMC) sind in der Lage, tausende von Servern an verschiedenen Standorten zu verwalten und überwachen. Die ausgedehnte Funktionalität erfordert einen hohen Aufwand, der sich in den meisten Fällen auch rechnet.

Open-Source-Management-Tools

• Big Sister (www.bigsister.ch): Netzwerk- und Systemmonitor;

• Cacti (www.cacti.net): Visualisierungstool, Netzwerkgrafiken;

• Groundwork Monitor Open Source (www.groundworkopensource.com) Monitoring-Framework;

• Jboss Operations Network (http://de.jboss.com): Management-Plattform für Inventarisierung, Monitoring und Administration;

• Ganglia (http://ganglia.sourceforge.net): Monitoring-Tool für Cluster;

• MRTG (www.mrtg.org) Monitoring-Tool für SNMP-Netzwerkinformationen inklusive grafischer Auswertung;

• Nagios (www.nagios.org): ausgereifte Monitoring-Lösung auch für gehobene Ansprüche;

• net-snmp (www.net-snmp.org): Sammlung verschiedener Tools für das Simple Network Management Protocol;

• OpenNMS (www.opennms.org): Java/XML-basierte Netzwerk- und System-Management-Plattform;

• OpenQRM (www.openqrm.org): Sammlung von Data-Center-Management-Tools vor allem für das Monitoring, die Provisionierung und das Managen virtueller Umgebungen;

• Ossim (www.ossim.net): Netzwerk- und Security-Monitoring-Werkzeug;

• Webmin (www.webmin.com): Web-basierendes Configuration-Management-Tool;

• Zenoss (www.zenoss.com): Monitoring-Software, überwacht Verfügbarkeit, Konfiguration, Performance und Events.

Open Management Consortium

Das im Mai gegründete Open Management Consortium (OMC, www.open-management.com) möchte die Entwicklung und Akzeptanz freier System-Management-Lösungen vorantreiben. Es versteht sich als Forum für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Open-Source-IT-Management-Projekten. Das OMC plant offene Standards zur Interoperabilität und Integration zu etablieren, wobei an erster Stelle die Entwicklung gemeinsamer Protokolle steht.

Der Projektverbund setzte sich ursprünglich zusammen aus einem System-Management-Framework (openQRM), Lösungen für das Monitoring (Nagios, Zenoss), das Konfigurations-Management (WebMin, Net- Director) und Security (OpenSIMS). Die Arbeitsgemeinschaft ist mittlerweile auf 29 Mitglieder angewachsen.

Umfrage zum OS-Management

Der 2005 gegründete Verein Linux Solutions Group e.V. (LiSoG) zur Förderung Linux-basierender Lösungen hat eine nichtrepräsentative Online-Umfrage zum System-Management betrieben, an der sich vorwiegend Systemadministratoren und IT-Manager kleiner und mittelständischer Unternehmen beteiligt haben. Dabei ergaben sich - nach Zwischenstand zu Redaktionsschluss - unter anderem folgende Ergebnisse:

• Ein Großteil der Unternehmen setzt auf ein Tool-gestütztes System-Management.

• Die meisten Unternehmen nutzen eine Kombination aus Hersteller-Tools und Eigenentwicklungen.

• Als besonders wichtige Aufgaben des System-Managements gelten Backup/Recovery, Monitoring und Configuration-Management.

• Als kommerzielle Lösungen werden vorwiegend Tivoli (IBM) und Openview (HP) verwendet.

• Das am meisten eingesetzte Open Source Monitoring-Werkzeug ist Nagios, mit deutlichem Abstand folgen die Lösungen net-snmp und Cacti.

• Als wichtigste Kriterien für die Einführung eines System-Management-Tools gelten der Multiplattform-Support, die Usability des zentralen Managements sowie eine zentrale Konfigurationsverwaltung.

• Die Tools werden überwiegend von den Administratoren selbst ausgewählt.

• Der Anteil virtualisierter Server-Systeme in den Unternehmen wird in den nächsten ein bis drei Jahren deutlich steigen.

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Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) benötigen aber nicht unbedingt den vollen Umfang großer kommerzieller Lösungen. "In der Praxis hat sich gezeigt, dass die meisten Kunden mit 80 Prozent des Funktionsumfangs der großen Lösungen mehr als bedient sind", meint Detlev Altendorf, Vertriebschef für Zentral-, Süd- und Osteuropa des US-amerikanischen Anbieters Groundwork Open Source Inc. Denn "klar definierte Betriebsprozesse und übersichtliche, beherrschbare Tools sind wichtiger als tausende Funktionen."

Da Preise für kommerzielle Lösungen selbst in kleinen Deployments im fünfstelligen Bereich beginnen und für Service und Support nochmals jährlich mindestens vierstellige Kosten zu tragen sind, suchen viele Unternehmen nach Alternativen. Im Open-Source-Umfeld werden sie fündig. Auf den Management-Konsolen der Admins tauchen zunehmend Informationen von "Nagios", "Cacti" & Co. auf (siehe Kasten "Open-Source-Management-Tools").

Berechnungen, die Groundwork mit seinen Kunden zur Total Cost of Ownership (TCO) anstellte, ergaben auf drei Jahre gesehen eine Einsparung von 30 bis 35 Prozent gegenüber den Gesamtkosten einer kommerziellen Lösung: Deutlich reduzierte Initialkosten bei entfallenden Lizenzgebühren sowie geringe Folgekosten für Wartung und Anpassungen drücken den Preis.

Auch dass die Tools leicht anzupassen und zu erweitern sind, spricht für Open Source. Oftmals beruhen die Interfaces auf bekannten Standards wie Perl und PHP. Weiterentwicklungen beispielsweise durch eigene Shell-Skripte sind für die meisten Admins keine Herausforderung.

Helfer zum Nulltarif

Aus diesen Gründen haben sich viele Open-Source-basierende System-Management-Werkzeuge bereits erfolgreich am Markt positioniert. Tausendfach aus dem Internet heruntergeladen, erleichtern sie den Systemadministratoren zum Nulltarif die Arbeit. So beispielsweise "Webmin", ein Web-basiertes Interface für das Konfigurations-Management, das im Unterschied zu Yast (Suse) und Red Hats Control-Panels in Fedora und RHEL auch auf allen Unix-Systemen läuft und ein zentrales Management ermöglicht.

"Unsere Anwender benötigen nur geringe bis moderate Linux- und Administrations-Vorkenntnisse", erläutert Jamie Cameron, Gründer des Webmin-Projekts. Das GUI-Tool kommt zum Einsatz, um die Komplexität der Systemadministration zu reduzieren. Große Unternehmen wie Ikea oder die US Federal Reserve Bank nutzen das Werkzeug insbesondere zum DNS-Management. Ausgehend von monatlich 120 000 gezählten Downloads, schätzt Cameron die Anzahl der tatsächlichen Webmin-Installationen auf über eine Million.

Im Bereich Monitoring stellt Nagios eine ausgereifte Lösung dar, die mit kommerziellen Anbietern mithalten kann und sich nicht nur bei kleinen und mittelständischen Unternehmen großer Beliebtheit erfreut. Nagios ist ein leistungsfähiges Werkzeug zur Überwachung auch komplexerer IT-Strukturen. Da es ein Plug-in-Konzept verfolgt, ist es sehr einfach zu erweitern. "Mit Nagios lassen sich mittels einer Eskalationsstrategie anhand des Status von Diensten oder Servern entsprechende Aktionen triggern", beschreibt Christoph Wegener, Gründer der Open-Source-Beratungsfirma wecon. it-consulting, ein weiteres Leistungsmerkmal der Software.

Automatische Aktionen

Für Firmen besonders interessant ist es, wenn Probleme nicht nur einfach gemeldet werden, sondern Eventhandler gleichzeitig auch erste Schritte zu ihrer Behebung anstoßen können. Wer auf eine bessere Visualisierung als bei Nagios und auf Langzeitanalysen abzielt, ist mit den Open-Source-Tools Cacti oder "MRTG" gut bedient, so Wegener.

Er beobachtet einen eindeutigen Trend zu Open Source für das Netzwerk- und System-Management, entsprechende Schulungen zum Thema Netzwerküberwachung mit Open-Source-Tools sind stets ausgebucht. Viele Systemhäuser bieten Services und Support für Nagios an.

Auf dem Weg ins Highend

Auch die "Monitor"-Produktlinie von Groundwork gründet auf Nagios, ist aber mit weiteren Eigenentwicklungen ausstaffiert. Hinzugekommen sind unter anderem eine MySQL-Datenbank, ein "Status Viewer" zur besseren Visualisierung sowie Komponenten zum Erstellen von Berichten und Grafiken. Die seit diesem Jahr auch in Deutschland vertretene Company bietet neben der kostenfreien Schmalversion "Monitor Open Source" auch zwei kostenpflichtige Varianten für Unternehmen mit bis zu 50 beziehungsweise 500 Servern an.

Letztere Version umfasst als "Professional" ein zentrales Konfigurations-Management für verschiedene Server-Standorte sowie zahlreiche Skalierungsmöglichkeiten. Gemeinsame Dashboards und Reports erleichtern die Übersicht über verteilte Architekturen, Darüber hinaus überwacht die Software Service-Level-Agreements (SLAs) gemäß den Grundsätzen der Itil und wertet Performance-Daten aus. Bis September haben 200 Kunden über die Professional-Variante einen Supportvertrag mit Groundwork geschlossen. Weltweit, so die Schätzungen, werden bislang zirka 5000 Groundwork Open Source Monitors produktiv genutzt.

Im Virtuellen geht’s auch

Eine vergleichsweise neue Aufgabe der Systemverwaltung ist das Management virtualisierter Umgebungen. Gerade große Rechenzentren erfordern nicht nur die Verwaltung und Überwachung ihrer physikalischen Server, sondern beispielsweise auch die Konfiguration und Ressourcenverteilung in virtualisierten Umgebungen. Hier setzt "OpenQRM", das quelloffene System-Management-Framework des US-amerikanischen Herstellers Qlusters, an. Es abstrahiert führende Virtualisierungstechniken wie VMware, Xen, Qemu und Linux-V-Server anhand einer logischen Ebene, der "Partition Engine". Diese stellt eine virtualisierte Server-Ressource bereit, die genauso wie ein physikalisches System zu benutzen ist. Seit Einführung des Projekts Ende Januar wurde die Open-Source-Software knapp 50000-mal heruntergeladen.

Trotz ihres Vordringens in den Markt des System-Managements spielen Open-Source-Produkte zurzeit aber noch in einer anderen Liga als ihre kommerziellen Pendants. Die quelloffenen Lösungen sind zwar vielseitig und schlank, jedoch meistens für spezifische Aspekte des System-Managements gedacht. "Open-Source-Management-Werkzeuge enden im Unternehmen oft als Einzellösung", glaubt William Hurley, CTO von Qlusters. Auch Altendorf konstatiert: "Was vielen fehlt, ist eine Integrationsschicht, die die Fähigkeit der Tools miteinander verbindet und daraus den Mehrwert einer Gesamtlösung schafft."

Schließlich haben sich die Ansprüche an eine System-Management-Lösung erweitert und die Schwerpunkte verschoben. Immer komplexere IT-Strukturen führen dazu, dass bereits ein reines Infrastruktur-Management oft nur aufwändig zu betreiben ist. Und das reicht bei weitem nicht aus. Neben der Sicherung der Verfügbarkeit von Servern und Komponenten sind die Überwachung der Performance, die Auswertung von Ereignissen und die Einleitung von Gegenmaßnahmen im Problemfall normale Anforderungen

Stark im Kommen ist schließlich das "automatische Reporting zum Leistungsnachweis und die Darstellung der erbrachten Servicequalität in Form von Dashboards", stellt Altendorf fest. Die Werkzeuge sollen sich in betriebliche Abläufe integrieren, Geschäftsprozesse mitsamt zugehörigen Ressourcen zentral verwalten sowie den IT-Betrieb und Services letztlich bewertbar machen. Es geht also um Service-Management zur Unterstützung von Business-Prozessen nach der Itil. Wer in dieser Richtung umfangreiche Funktionen benötigt, muss noch zu kommerziellen Produkten greifen.

Es gibt - noch - Defizite

Die Community-Entwickler sind sich der Defizite bewusst. Mehrere Projekte und Firmen haben sich zum "Open Management Consortium" (OMC) zusammengeschlossen. Dort verfolgen sie das Ziel, Open-Source-Produkte zur Systemverwaltung zu fördern, die Entwicklung zu bündeln und Standards für Integration und Interoperabilität zu etablieren (siehe Kasten "Open Management Consortium").

Dass Open-Source-Produkte sich im Markt der System-Management-Lösungen noch ein größeres Stück vom Kuchen holen werden, davon sind Open-Source-Firmen und Projektentwickler überzeugt. Die stark steigendende Nachfrage unterstützt ihren Optimismus. Cameron glaubt, Open Source werde zu den großen Lösungen aufschließen: "Unsere Tools werden immer größere Netzwerke und Cluster managen können und tausende oder zehntausende Maschinen einrichten, konfigurieren und überwachen. Hierin sind uns proprietäre Anbieter noch überlegen - aber nur im Moment." (ls)