Web

Netscape und Mosaic

Damals: Das Zeitalter der Browserkriege

02.05.2008
Von Handelsblatt 
Vor 15 Jahren begann der Siegeszug des WWW. Das war der Anlass für den ersten, mit Verbissenheit geführten "Browserkrieg". Ein Rückblick.

Wer heute mit "Internet Explorer" oder dem "Firefox" durch Web segelt, denkt wohl kaum mehr an jenes Unternehmen, das vor gut einem Jahrzehnt den Browsermarkt beherrschte. Auf bis zu 90 Prozent Markanteil brachte es der kostenpflichtige "Netscape Navigator" - bis Microsoft Mitte der 90er Jahre zum Angriff auf den Konkurrenten blies. Die Basis des Navigator war der Browser "NCSA Mosaic", der als erster Browser auch grafische Elemente in Webseiten darstellen konnte. Weitere Funktionen kamen mit dem Netscape Navigator und später dem Netscape Communicator dazu. 1995 erreichte der Netscape-Browser einen Anteil von 80 Prozent im Browsermarkt; Netscape wollte damit die Nachfrage entsprechender Serverprodukte ankurbeln.

Als Microsoft Mitte der 90er Jahre gewahr wurde, welche Bedeutung das World Wide Web einnehmen wird, versuchte der Softwaregigant verlorenes Terrain wettzumachen. Bis dahin spielte das WWW für Microsoft kaum eine Rolle, aber nun befürchtete der Konzern, dass Netscape eine immer stärkere Konkurrenz werden könnte. Microsoft setzte ebenfalls als Basis auf Mosaic und brachte im August 1995 den ersten Internet Explorer auf den Markt, der es funktional allerdings nicht mit dem Netscape-Konkurrenten aufnehmen konnte.

Mit dem Markteintritt des Internet Explorer entflammte der Browserkrieg, in dem vor allem Microsoft versuchte, Netscape Marktanteile abzuluchsen. Während der Netscape-Browser bis Anfang 1998 kostenpflichtig war, verteilte Microsoft den Internet Explorer von Anfang an gratis. Netscape reagierte zunächst nur zaghaft auf den Angriff von Microsoft und nahm offenbar an, seine beherrschende Marktmacht jener Tage sei nicht angreifbar. Doch Microsoft taktierte geschickt: Um Netscape möglichst schnell besiegen zu können, koppelte das Unternehmen den Internet Explorer mit Windows. Seitdem werden Windows-Installationen üblicherweise vorinstalliert mit dem Internet Explorer ausgeliefert.

Das Kalkül von Microsoft ging auf, der Marktanteil vom Internet Explorer nahm rasant zu, und Ende der 90er Jahre dominierte Microsofts Browser den Markt, während der Netscape-Browser nur noch auf einen Marktanteil von unter 20 Prozent kam. 2002 lag der Marktanteil vom Internet Explorer sogar bei über 90 Prozent. Zum Netscape-Todessturz trug wesentlich die Tatsache bei, dass der damals sehr dominante Internet-Provider AOL mit Microsoft paktierte und der AOL-Browser die Rendering Engine von Microsoft verwendete. Pikanterweise war es dann ausgerechnet AOL, das Jahre später Netscape aufkaufte und die Marke schließlich ganz beerdigte, nachdem die Bedeutung des Browsers immer weiter schwand.

Microsofts Koppelgeschäft führte letztendlich zum US-Kartellprozess gegen das Unternehmen, der weitere Zivilklagen nach sich zog. Microsoft wurde vorgeworfen, die eigene monopolartige Marktmacht im Betriebssystemmarkt zu missbrauchen und auf den Browsermarkt zu übertragen. Microsoft musste zum Teil hohe Strafen zahlen, zahlreiche Auflagen erfüllen und steht seitdem unter gerichtlicher Beobachtung. Auf den Browserkrieg hatten diese Entscheidungen aber keinen Einfluss mehr. Der erste Browserkrieg war beendet und Microsoft sah die Schlacht als gewonnen an. Nachdem der Internet Explorer 6 im Herbst 2001 erschienen ist, hat sich das Entwickler-Team für den Internet Explorer aufgelöst und trat erst wieder knapp vier Jahre später zusammen, um als Reaktion auf den Erfolg von Firefox wieder eine neue Internet-Explorer-Version auf den Markt zu bringen.

Nachdem der Netscape Communicator nahezu bedeutungslos geworden war, wurde im März 1998 der Quellcode der in Entwicklung befindlichen 5er-Version freigegeben. Daraus entstand das Mozilla-Projekt - der Versuch einer Open-Source-Gemeinde, dem Internet Explorer Marktanteile abzunehmen. Der Netscape Communicator 5.0 erschien dann aber niemals. Die Software wurde von Grund auf neu entwickelt und bildete die Grundlage des Mozilla-Browsers, der dem Internet Explorer aber kaum Marktanteile abtrotzen konnte.

Als schließlich die Mozilla-Entwicklung aufgeteilt wurde, war dies unter anderem die Geburtsstunde von Firefox. Mit dem Erscheinen von Firefox 1.0 im November 2004 begann der zweite Browserkrieg, denn nun kam Bewegung in den Markt. In einem zweiten Anlauf versuchte das Mozilla-Projekt, das Web zurückzuerobern. Der zweite Browserkrieg wurde weniger aggressiv geführt als die vorherige Auseinandersetzung. Durch den Erfolg von Firefox büßte Microsoft seine dominante Position im Browsermarkt ein. Schritt für Schritt konnte Firefox den eigenen Marktanteil steigern, der derzeit stabil bei ungefähr 30 bis 40 Prozent liegt.

Pikantes Detail am Rande: Während Netscape den ersten Browserkrieg unter anderem verlor, weil sich das Unternehmen auf dem erzielten Erfolg ausruhte, büßte Microsoft im zweiten Browserkrieg massiv Marktanteile ein, weil auch Redmond so verfuhr und dem Internet Explorer kaum mehr Beachtung schenkte, nachdem Netscape ausgeschaltet war. Erst der stetig steigende Erfolg von Firefox brachte Microsoft dazu, dem Internet Explorer wieder Neuerungen angedeihen zu lassen.

Fortan will Microsoft alle paar Jahre eine neue Hauptversion des Internet Explorer auf den Markt bringen. Allerdings nun nur noch für die Windows-Plattform. Die Mac-Variante des Internet Explorer wurde bereits im Sommer 2003 eingestellt. Andere alternative Browser wie "Opera" oder "Safari" hatten seit jeher nur geringen Einfluss auf die Verteilung der Marktanteile im Browsermarkt.