Verhandlungen über einen Vertragsausstieg laufen

Daimler-Projekt mit HP steht vor dem Aus

28.11.2003
MÜNCHEN (wh) - Nach ernüchternden Erfahrungen in der Pilotphase will Daimler-Chrysler die geplante Auslagerung sämtlicher PCs an Hewlett-Packard (HP) stoppen. Wie die COMPUTERWOCHE erfuhr, verhandelt der Automobilkonzern derzeit über einen Vertragsausstieg. Das Projekt "PC Global", mit dem Daimler seine Desktop-Systeme weltweit vereinheitlichen will, soll dennoch weiterverfolgt werden.

Für Hewlett-Packard bedeutet die Entscheidung des Daimler-Chrysler-Managements einen herben Rückschlag im hart umkämpften IT-Servicemarkt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollte der Dienstleister die Beschaffung und den Betrieb sämtlicher Desktop-Rechner, Notebooks und Netzkomponenten übernehmen (siehe CW 47/03, Seite 1). Das Volumen des im Februar 2003 geschlossenen Vertrags beläuft sich firmeninternen Informationen zufolge auf knapp eine halbe Milliarde Euro. Wichtigstes Ziel des von CIO Sue Unger angestoßenen Projekts ist es, die mehr als 150000 Desktop-Systeme zu vereinheitlichen und damit IT-Kosten zu senken.

Teurer Rückzieher

In den derzeit laufenden Verhandlungen fordere HP zwischen zehn und 15 Millionen Euro an entstandenen Kosten zuzüglich einer Ausstiegssumme in Höhe von mehreren Millionen Euro, berichten mehrere mit dem Projekt vertraute Daimler-Chrysler-Mitarbeiter. Unterm Strich könne der Rückzieher den Automobilkonzern rund 20 Millionen Euro kosten.

Offiziell halten sich beide Seiten bedeckt. Die Gespräche mit HP seien noch nicht beendet, erklärte Matthias Brock, Sprecher der IT-Organisation Information Technology Management (ITM). Die Bewertung der Pilotphase werde noch einige Wochen in Anspruch nehmen. Auch das deutsche HP-Management wollte sich zur aktuellen Entwicklung nicht äußern. Man habe mit dem Kunden vereinbart, während der Pilotphase keine Stellungnahme abzugeben.

Laut den der COMPUTERWOCHE vorliegenden Informationen kämpfte das Projektteam im Rahmen der deutschen Pilotphase bereits seit Juni 2003 mit Schwierigkeiten. Demnach ist es HP wiederholt nicht gelungen, die Vorgaben hinsichtlich einheitlich konfigurierter PCs zu erfüllen. Insbesondere die automatische Softwaredistribution habe nicht funktioniert; für das Projekt unabdingbare Systeme etwa für das Asset-Management oder Ordering hätten nicht zur Verfügung gestanden. Kritik äußern Daimler-Chrysler-Angestellte auch am Projekt-Management des Outsourcing-Dienstleisters: Dieses sei "quasi nicht vorhanden", der zuständige HP-Projektleiter permanent abwesend gewesen.

Andererseits deutet vieles darauf hin, dass es auch von Seiten Daimler-Chryslers Versäumnisse gab: So hätten ständig wechselnde Anforderungen des Managements zu Terminproblemen geführt, die zentrale Projektleitung unter Sue Unger sei nicht auf die Anforderungen einzelner Business Units wie der Mercedes Car Group eingegangen. Immer wieder zogen Mitarbeiter die erhofften Einsparungen in Zweifel: Mehrere Standorte rechneten den Projektverantwortlichen vor, den PC-Betrieb in Eigenregie günstiger leisten zu können. Die "Business Cases", sprich Kosten-Nutzen-Bewertungen, fielen teilweise deutlich negativ aus und schwankten tagesaktuell, monieren die hausinternen Kritiker.

Auch Unger selbst gerät angesichts der anhaltenden Probleme in die Schusslinie: Unter deutschen Kollegen aus der alten "Daimler-Welt" schwinde die Akzeptanz für die IT-Chefin, ist zu hören. Von Anfang an hatten sie gewarnt, ein einzelner Dienstleister könne das Megaprojekt nicht stemmen.

Strategiewechsel

Andeutungen in diese Richtung machte der deutsche Projektleiter Dietrich Schreiner bereits auf eine frühere Anfrage der COMPUTERWOCHE : Das Pilotprojekt habe gezeigt, dass die Anforderungen der einzelnen Standorte im Servicebereich sehr unterschiedlich und sehr speziell seien. "Insofern ist es sinnvoll, das Thema Service auch im Zusammenspiel mit lokalen Anbietern abzuwickeln. Trotzdem wird HP weiterhin ein Partner für Daimler-Chrylser bleiben."

Insider gehen davon aus, dass der Großkunde die vielfältigen Geschäftsbeziehungen zu HP nicht vollständig beendet. Stattdessen könnte man sich beispielsweise darauf verständigen, das ursprünglich weltweit aufgesetzte Vorhaben in kleinere Projekte zu zerlegen und gegebenenfalls mehrere Dienstleister ins Boot zu holen.

Peter Dück, Vice President Research bei Gartner Deutschland, hält Schwierigkeiten in Projekten dieser Größenordnung nicht für ungewöhnlich. "Bisher hat es noch kein Anbieter geschafft, einen globalen Desktop-Outsourcing-Deal ohne größere Schmerzen abzuwickeln." Ursächlich dafür sei nicht zuletzt die Struktur der Serviceunternehmen. Häufig sprächen die Landesfürsten mit eigener Ergebnisverantwortung ein entscheidendes Wort bei der Umsetzung mit. Hinzu komme, dass auch ein weltweit aufgestellter Dienstleister lokal auf Sublieferanten zurückgreifen müsse.

Auf Kundenseite gelte es gerade in Desktop-Projekten, die Endbenutzer gründlich auf den Umstieg vorzubereiten, so Dück. "Akzeptanzprobleme bei Vorhaben dieser Größenordnung und Komplexität können sehr schnell das Projek-Management auf Kunden- und Anbieterseite überfordern."