DB-Datenverarbeitung wird Teil einer Dienstleistungstochter

Daimler-Benz-Systemhaus tritt als DV-Anbieter für Dritte auf

13.04.1990

BERLIN (qua) - Die Ende vergangenen Jahres gegründete Daimler-Benz Informationssysteme GmbH sucht sich ihren Markt auch außerhalb des Konzerns; intern wie extern bietet sie RZ- und Netz-Dienste sowie Standardsoftware und Beratung an. Die wettbewerbsentscheidende Anwendungsentwicklung verbleibt hingegen bei den Einzelgesellschaften.

Nachdem die Gerüchteküche bereits ein halbes Jahr lang gebrodelt hatte (vergleiche CW Nr. 26 vom 23. Juni 1989, Seite 1), fand die eigentliche Gründung des Systemhauses in aller Stille statt: Ein Teil der Daimler-DV firmiert seit Dezember vergangenen Jahres als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Sitz des Unternehmens befindet sich dort, wo auch die Konzernzentrale zu Hause ist, nämlich in Stuttgart.

Voraussichtlich zur Jahresmitte wird das DV-Dienstleistungsunternehmen unter dem neuen Namen Debis Systemhaus GmbH in die Daimler-Benz Interservices AG (Debis), Berlin, eingegliedert, deren juristische Gründung im Juli erfolgen soll. Die nach der Mercedes-Benz AG, der Deutschen Aerospace und der AEG vierte Säule des Stuttgarter Konzerns umfaßt neben dem Systemhaus-Ableger die Unternehmensbereiche Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Handel und Marketing-Service.

Als Vorstandsvorsitzender der Debis AG wird der langjährige Daimler-Benz-Manager Manfred Gentz zeichnen. Zu den designierten Vorstandsmitgliedern zählt neben den anderen drei Bereichsleitern auch Karl-Heinz Achinger, der zur Zeit die Geschäfte der Daimlereigenen Informationssysteme GmbH führt und demnächst dieselbe Aufgabe bei der Debis Systemhaus GmbH erfüllen soll. Bis 1988 hatte Achinger die Zügel bei der Münchener MTU Informationssysteme GmbH in der Hand.

Laut Gentz will die Debis 1990 mit 3700 Mitarbeitern 3,8 Milliarden Mark Umsatz erzielen. Das Systemhaus beschäftigt derzeit rund 1000 Mitarbeiter; geplant ist jedoch, diese Zahl bis zum Ende des Jahres zu verdoppeln. Achinger strebt einen Jahresumsatz von 700 Millionen Mark an. Dieser Wert entspräche Pro-Kopf-Einnahmen von 350 000 Mark und damit einer Produktivität, die nur wenige deutsche Software- und Service-Häuser erreichen.

Bereits im Vorfeld der Unternehmensgründung hatte es Proteste von seiten des Daimler-Benz-Betriebsrats gegeben. Die Arbeitnehmer befürchteten, daß viele der rund 4000 Mitarbeiter in den 35 Konzern-Rechenzentren der Rationalisierungspolitik zum Opfer fallen würden (vergleiche CW Nr. 42 vom 13. Oktober 1980, Seite 7: "Programmierter Absturz?").

Diese Bedenken sind nicht ganz abwegig - zumal als Geschäftsziel des Systemhauses neben der Vermarktung von Leistungen im Bereich Informationstechnik auch eine "Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Informationsverarbeitung für den Konzern" genannt wurde. Nach Achingers Formulierung wird das neue Unternehmen alle Rechenzentren "übernehmen", aber auch "konsolidieren". Offiziell ist auch von einer "regionalen Konzentration" die Rede.

Gentz beteuerte jedoch in diesem Zusammenhang, daß es "an keiner Stelle" Entlassungen geben werde. "Der Daimler-Benz-Konzern hat in der Tat sehr viel mehr Mitarbeiter in der Datenverarbeitung, als das Debis-Systemhaus übernommen hat oder übernehmen wird", räumte der Vorstand in spe ein. Jedoch verbleibe ein "Teil" der DV-Aktivitäten in den Konzerngesellschaften - "gerade auch deshalb, um die Abwehrkräfte gegen einen außenstehenden Dienstleister nicht zu groß werden zu lassen."

Allerdings ist der von Gentz genannte sicher nicht der einzige Beweggrund: Wie Achinger bestätigte, ist die Ausgliederung der gesamten DV im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht immer sinnvoll. Anders als einige Mitbewerber wird Daimler-Benz also den strategisch wichtigen Bereich der Anwendungsentwicklung in den Einzelgesellschaften belassen. Achinger: "Nur die reine Systemtechnik ist in das Systemhaus übergegangen." Im Angebot des frischgebackenen DV-Dienstleisters befinden sich Rechenzentrums- und Kommunikationsdienste, Standardsoftware- und Hardwareprodukte einschließlich der damit verbundenen Service-Leistungen, Beratung und Schulung so wie die Durchführung von Projekten. Alles in allem will das Systemhaus den Kunden "ein komplettes Leistungsspektrum aus einer Hand" zur Verfügung stellen.

Zur Zeit beträgt der innerhalb der Daimler-Benz AG erzielte Umsatzanteil noch 90 Prozent. Das soll sich nach Achingers Worten jedoch ändern - unter anderem dadurch, daß sich die bereits bestehenden DV-Töchter des Mutterkonzerns dem Systemhaus anschließen. Übernommen werden sollen beispielsweise die Mercedes-EDV-Beratung GmbH und die MTU-Informationssysteme GmbH, die ihre Dienstleisungen unter anderem an die Münchener Krauss-Maffai AG verkauft.

Die Selbständigkeit des Service-Unternehmens liegt offensichtlich auch im Interesse der Daimler-Benz AG. So sind die industriellen Unternehmensbereiche des Konzerns der offiziellen Pressemitteilung zufolge nach einer "kurzen Übergangsfrist" nicht mehr verpflichtet, die von der Debis angebotenen Dienstleistungen abzunehmen.