Ist schlecht beurteilt schon halb verurteilt?

Dabeigewesensein ist fast gar nichts

08.08.1980

"Man lernt nicht fürs Leben, sondern für die Prüfung", dieses Grundverhalten findet sich im allgemeinen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, und mit dieser Erfahrung stützt denn auch Roland Henssler, Direktor des Control Data Instituts (CDI), ein Prinzip seines Hauses. Es werden dort Aufnahmeprüfungen, Tests und Benotungen vorgenommen. Da eine Benotung die weitere DV-Karriere des Seminar-Teilnehmers erheblich beeinflussen kann, wird er von CMC (Computer Machinery GmbH) erst nach einer persönlichen Konfrontation in Form eines Seminar-Schlußgesprächs und unter Heranziehung der Übungsergebnisse verbal beurteilt. In praxi erklären einige zur Zeugnisproblematik befragte Personalchefs fast einstimmig, daß ihnen für eine Neueinstellung die Klassifikation in die Gruppen "teilgenommen" und "mit Erfolg teilgenommen" ausreiche. Daß die meisten Hersteller "im Normalfall" zu Ende eines Schulungskurses nur eine neutrale Teilnahmebescheinigung aushändigen, ist ein Versteckspiel aus politischen Gründen.

Wird der Personalchef von den Herstellern in seiner Urteilsfähigkeit unterschätzt? Helmut Thronicker, verantwortlich für den Bereich Kunden und Mitarbeitertraining bei CMC, meint zu diesem Punkt: "Häufig schickt der Anwender seine Leute relativ früh zu uns, und mit unserem Urteil über den Lehrgangsteilnehmer wird ihm dann der Probezeitentscheid abgenommen."

Heinzgünther Klaus, Pressechef der Honeywell Bull AG, urteilt anders: "Das Problem liegt darin, daß die Probezeit nicht so wahrgenommen wird, wie es sein sollte. Nach einer nochmaligen Bewährungsfrist wird ein einmal aufgenommener Mitarbeiter meist dem Unternehmen doch verpflichtet. In den Einstellungsgesprächen weiß man allerdings über einen Mann eigentlich schon Bescheid Meist läuft das folgendermaßen ab: Man kennt einen, der weiß, daß jemand gut ist Die guten Leute sind schnell in der Branche bekannt."

Daß die Sache jedoch meist nicht ganz so einfach ist, deutet Thronicker mit der Erklärung an, daß ihm die "Problematik der Beurteilung" voll bewußt sei. Das Persönliche spiele in jeder Beurteilung eine Rolle, obwohl ein Seminarleiter mit zunehmender Erfahrung objektiver zu bewerten imstande sei. Er kenne die Palette der Schüler von der "Seminarbremse" über den "Wichtigmacher" bis hin zum "Mauerblümchen" und habe die Beurteilungskriterien, "exakte" und "originelle" Lösung der Übungsaufgaben bereits besser im Griff. Da die Kurse immer teurer werden, würden von den Unternehmen verstärkt Mitarbeiterbeurteilungen verlangt. Heutzutage sei das auch in den herstellergebundenen Seminaren der Fall, wie der CDI-Mann aufgrund eigener Erfahrung im Schulungsbereich großer Computerhersteller weiß; meist werden die Beurteilungen diskret und verbal formuliert an das jeweilige Unternehmen weitergegeben.

Auch Klaus erklärt auf die dahingehende Frage, daß in Einzelfällen solche Auskünfte erteilt werden. Eine generelle Einführung von Zertifikaten erscheine ihm jedoch nicht sinnvoll, da eine schlechte Beurteilung einklagbar sei. Im eigenen Hause versuche man, zu den Ausbildungskursen von vornherein geeignete Leute vom Kunden geschickt zu bekommen und trainiere diese dann notfalls mit "Nachhilfeunterricht" bis der Stoff verarbeitet sei.

Zwei-Klassen-System

Obwohl die angesprochenen Personalchefs verständlicherweise in ihren diesbezüglichen Kommentaren sehr zurückhaltend sind und zum Großteil nicht genannt werden wollen, erklärten sie nahezu einstimmig, daß eine Benotung oder eine detaillierte verbale Bewertung im eigenen Hause schon gewünscht werde; in den Bewerbungsunterlagen eines neuen Kollegen wolle man an sich eine eher generelle Beurteilung, die einem "bestanden" oder "nicht bestanden" gleichkäme .

Horst Vogt, Personalchef der Alpine-Betriebe, Freilassing, faßt seine Ansicht in die Worte: "Die Unterlagen über irgendwelche Kurse zählen auf alle Fälle. Wie das Zeugnis aussieht ist eigentlich egal, obwohl eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme wünschenswert wäre. Was für uns zählt, ist der Einsatzwille."

Zertifikat erwünscht

In der Wella AG, Darmstadt, in der DV-Mitarbeiter eine große Rolle spielen, spiegelt die Aussage von Ulrich Ritter, Personalwesen, und Herbert Cejpek, Leiter Programmierung, sehr gut die häufigste Haltung in Personalbüros wider: "Wir legen schon Wert auf ein Zertifikat, das allerdings allgemein formuliert sein darf. Für innerbetriebliche Erfordernisse sollte der Teilnehmer nach Abschluß genau eingestuft werden. Wir können daraus auf Interesse, Befähigungen, und letzten Endes für die Entwicklungsplanung Aufschlüsse erhalten. Allerdings darf ich einen Mitarbeiter nicht danach beurteilen, wie er einen einzelnen Kurs absolviert." Zwar sei die Note nicht ausschlaggebend, Tendenzen zeichneten sich jedoch ab.

Das deckt sich mit der Meinung eines Duisburger Unternehmens, das im eigenen Hause ausbildet und auch Externe zuläßt: "Zugegeben, es ist oft nicht leicht für einen Verantwortlichen, den Mitarbeiter, speziell in höherer Position, innerhalb der Probezeit richtig einzuschätzen. Da möchten wir nicht von der Hand weisen daß die Teilnahme an Kursen und die Beurteilung eine Rolle spielen kann." Und Roland Henssler erklärt: "Wir haben die Erfahrung gemacht, daß das Zertifikat eine recht gute Grundlage für die Einschätzung der Fähigkeiten eines DVers in der Praxis bildet. Dies gilt allerdings nur für die Extreme. Leute mit guten Abschlüssen bewähren sich im allgemeinen, ein schlechter Absolvent unserer Kurse ist häufig auch in der Praxis schwach. Im Mittelfeld dagegen ist eine derartige Aussage nicht möglich."