Mensch-Maschine-Schnittstelle 5.0

Cyborgs at Work

14.12.2017
Von 


Thomas Klauß hat mehr als 20 Jahren Expertise in der strategischen Planung, Konzeption, Lösungsentwicklung, dem Projekt- und Wissensmanagement bei unterschiedlichsten Profit- und Non-Profit-Organisationen inklusive Stadt & Bund. Zur digitalen Transformation hat er neben zahlreichen Projekten auch mehrere Dutzend Buchbeiträge, Artikel, Vorträge, Studien sowie die Monographie „Verbände digital“ verfasst. Er ist Mitglied in verschiedenen Gremien u.a. auch der Bundesregierung und als Gastdozent tätig.
Die in Zukunft noch weitaus engere und tiefer gehende Verbindung von Mensch und Maschine schafft neue Spezies von Arbeitskräften - Von Inforgs zu Cyborgs.

Digitale, mobile, vernetzte Arbeitsumgebungen sind disruptiv für bestehende und konstitutiv für zukünftige Organisationsformen. Arbeitsplätze bilden mit Datenverarbeitungszentren, Apps und Agenten (digital oder analog) die Knoten ubiquitärer Organisationsnetzwerke - so genannte Social Machines. Die Infrastruktur verbindet Menschen, Maschinen und lokale Meeting-Places zu einer flexiblen Organisationsform, die sich über viele Bereiche und Kontinente erstrecken kann - wie seine Infrastruktur, das Internet. Ein extremes Beispiel ist die ausschließlich im virtuellen Raum als Blockchain existierende, immerhin 130 Millionen Dollar schwere Organisation "The DAO".

Hybridwesen (Cyborgs) werden kommen - die Frage ist nur, wann und auf welchen Gebieten.
Hybridwesen (Cyborgs) werden kommen - die Frage ist nur, wann und auf welchen Gebieten.
Foto: carlos castilla - shutterstock.com

Organisationen lösen sich auf, Büros verschwinden ins Virtuelle und die Arbeitnehmer? Wie weit werden sie durch intelligente Systeme verdrängt? Michael Haar vom Industrieroboterhersteller Kuka sagt: "Roboter werden nicht müde, lassen sich nicht ablenken und arbeiten präzise; aber Menschen sind flexibler. Dinge, die uns keine Mühe bereiten, sind für Roboter schwer - z.B. Socken aufzuheben". In der Konzernforschung befasst man sich deshalb intensiv mit Kooperationsmöglichkeiten von Mensch und Maschine: Deutsche Industrieunternehmen stufen die Themen der Mensch-Maschine- (Social Maschines) mit 70 Prozent und der Maschine-Maschine-Kooperation (M2M) mit 74 Prozent als essenziell für ihr Geschäftsmodell ein!

Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschmelzen

Eine bereits erkennbare Entwicklung ist die Auflösung klarer Schnittstellen zugunsten einer in den Mikrobereich wandernden Verschmelzung von Mensch und Maschine. Die Datenübertragung zwischen Bioneuronen und Elektrochips ist bereits möglich und wird z.B. bei Prothesen eingesetzt, die sich mit Gedanken steuern lassen. Es wird immer schwieriger werden, eine klare Grenze oder Schnittstelle zwischen den menschlichen und künstlichen Leistungen zu ziehen. Hybridwesen (Cyborgs) werden kommen - die Frage ist nur, wann und auf welchen Gebieten.

Eine Vision lieferte der bereits 1995 erschienene Kinofilm sowie der ihm zugrundeliegende Manga "Ghost in the Shell", in dem der menschliche Körper vollständig durch Technologie ersetzt wurde - bis auf sein Gehirn. Mit dem Verschwinden einer klar definierbaren Schnittstelle verliert der Mensch jedoch an Kontrollmöglichkeiten. Deswegen wird es in Zukunft noch wichtiger werden, qualitativ hochwertige, geprüfte und sichere Lösungen bereitzustellen. Denn wie bereits John McCarthy, einer der Gründerväter der Künstlichen Intelligenz, erkannte: Eine Maschine ist dann intelligent, wenn sie etwas tut, für das man beim Menschen Intelligenz voraussetzen würde. Und nur der Mensch sollte auch in Zukunft die Kontrolle darüber behalten.

Der Mensch behält die Kontrolle

Die wohl zukunftstauglichste Entwicklung liegt deshalb in der Kooperation von analogen und digitalen Kompetenzen, bei denen letztendlich Menschen die Hauptverantwortung tragen. Menschen wollen ihresgleichen als Vorgesetzte und Roboter als Assistenten (sog. Cobots) - nicht umgekehrt.

In einem umfassenderen Unternehmensprozess könnte sich die Arbeitsteilung wie bei diesem (noch) Zukunftsbeispiel eines Roboterherstellers darstellen: Die meisten Prozesse in diesem Szenario laufen vollkommen automatisiert. Federführend von Menschen ausgeführt werden weiterhin u.a. die konzeptionelle Produktentwicklung, das (Produkt- und Interface-)Design, der Vor-Ort-Service, die Kundenberatung sowie die finale Auftragsbestätigung. Hinzu kommen die strategische Geschäftsabwicklung, das Management, die Personalführung und die "Ausbildung" lernfähiger Maschinen. Auf diesen Gebieten steigt auch der Bedarf temporärer, projekt- bzw. auftragsgebundener Arbeitskräfte.

Auf absehbare Zeit nicht komplett digitalisiert werden Tätigkeiten, deren Automatisierung gesellschaftlich nicht gewünscht, ökonomisch nicht rational oder einfach technisch nicht realisierbar ist. Hierzu gehören Beschäftigungen, die soziales Bewusstsein, Menschenführung, Sinngebung und verantwortungsvolles Entscheiden beinhaltet.

Die nahtlose Einbindung menschlicher Entscheidungsträger in die immer weiter automatisierten Arbeitsabläufe stellt eine riesige Herausforderung an die Entwicklung von Interfaces, die es den in der Verantwortung stehenden Menschen ermöglicht, den Output der digitalisierten Prozesse zu interpretieren. Letztendlich müssen Entscheidungsträger die Ergebnisse aus Algorithmen und deren Zustandekommen soweit nachvollziehen können, dass sie Verantwortung für ihre darauf basierenden Entscheidungen übernehmen können.

Die Schnittstelle sollte dabei nicht nur gut bedienbar sein, sondern eine positive User Experience schaffen. Dabei ist es wichtig, dass der Nutzer so entscheiden kann, wie er es für richtig hält. Das gilt auch für die Usability: Der Nutzer will nach seinen Vorgaben und in seiner Geschwindigkeit interagieren, ohne dass ihm eine Maschine etwas vorschreibt. Dies gilt letztendlich für jeden Teilbereich des Arbeitsprozesses.

Daten und Zitate stammen aus dem kürzlich im Hanser Verlag veröffentlichten Buch "Szenarien einer digitalen Welt - heute und morgen".