Satire

CW-Wert

15.11.1996

Manches war früher zu einfach. Morgens erwarb man die Tageszeitung, ging zum Altpapierbehälter bei der U-Bahn und warf alle Werbebeilagen hinein. Auf Rolltreppe und Bahnsteig las man bereits, gräßliche Texte in ganzen Sätzen, anstatt sich auf die interessanten und informativen Plakatwände zu konzentrieren. Abends wurde es nicht besser: Während der Fernsehwerbung pinkelte, während der Kinowerbung küßte man. Besonders verrohte Rezipienten sollen sogar eingeschlafen sein. Vertane Zeit addierte sich zu ganzen Lebensjahrzehnten, in denen man nichts kaufte, weil man gar nicht wußte, daß einem etwas fehlte.

Abhilfe scheint nun in Stockholm geschaffen. Im Netz der Gratistelefon Svenska AB kann jeder Abonnent kostenlos telefonieren, wobei aber das Gespräch nach der ersten und dann alle weiteren drei Minuten für einen zehnsekündigen Reklamespot unterbrochen wird. Leider ist die Idee besser gemeint als umgesetzt. Helden wie wir werden die Ansagen nämlich überhaupt nicht beachten, sondern, bis sie vorbei sind, pinkeln, küssen und Werbebeilagen wegwerfen. Darauf ruht kein Segen.

Es gibt nur eins: Werbung muß endlich interaktiv werden. Sie muß mithören, mitdenken und genau das anbieten, was akut gebraucht wird. Droht der Chef mit Rausschmiß, fährt ihm das Telefon wie nichts in die Parade, indem es uns einen prima Rechtsschutz empfiehlt. Niesen wir, rät es zu Cyrano Kolbenfrei. Leiten wir einen Seitensprung in die Wege, kennt es einen einfühlsamen Eheberater oder ein nettes Hotel. So wird es kommen.