Satire

CW-Wert

16.10.1998

Als der Tenor Fritz Wunderlich Geburtstag hatte, wollten Freunde ihm eine käufliche Dame schenken. Schlugen ihr vor, sie im voraus zu bezahlen, auf daß sie dann bei dem sinnenfrohen Interpreten vorstellig werde. "Das kann ich nicht", erwiderte weichen Blicks die Gewerblerin, "von dem habe ich alle Platten."

Indem Kunst verfeinert, kompliziert sie. Dem Sänger entging gewissermaßen als Strafe für seine Genialität ein geschmackvolles Präsent. Die Venus bekam kein Honorar. Die Freunde mußten sich eine andere Aufmerksamkeit überlegen. Natürlich kann man sich in solchem und ärgerem Kummer mit Kunst zu trösten versuchen, nicht zuletzt mit Aufnahmen des viel zu früh verstorbenen Wunderlich. Aber ein Stachel bleibt: Kunst hilft nur bei Problemen, die wir ohne sie nicht hätten.

Nörgler nörgeln, das sei auch mit Computern so. Sie verweisen auf den technisch versierten Cisco-Angestellten, der sich mit aller Welt elektronisch auszutauschen vermag - aber worüber? Über die eine sexistische E-Mail, deretwegen Cisco ihn hinausgeworfen hat. Das Zufällige, einer grundsätzlichen Würdigung Entgegenstehende dieses Vorkommnisses springt jedoch ins Auge. Viel mehr sagen die 470 Millionen Dollar aus, die die US-amerikanische Volkswirtschaft verlor, weil die Leute, statt zu arbeiten, im Internet Bill Clintons Lewinsky-Aussage studierten. Davon hat niemand etwas: kein Präsident, kein Unternehmen, kein Lohnabhängiger. Wir können das Internet demnach von dem herabsetzenden Kunstvergleich freisprechen. Es hilft auch bei den Problemen, die wir ohne es nicht hätten, nicht.