Satire

CW-Wert

19.05.2000

Der Geschlechtsverkehr hat einen schweren Stand. In Europa wird er verlässlichen Studien zufolge seit Jahren mit sinkender Häufigkeit betrieben, Anzeichen für ein Ende der Baisse sind nicht in Sicht. Wirtschaftlich ist das ein Malheur. Davon, dass die Menschen sich nicht in Ruhe lassen wollen, haben bisher ja ganze Branchen, zum Beispiel Möbelhändler, Anwälte, Therapeuten und Pädagogen, gut gelebt. Was wird jetzt aus denen?

Sie müssen umsatteln. Der Krise des einen alten Brauchs korrespondiert die Blüte eines anderen: Geschwätzt wird hemmungslos. Jeder hat ein Schicksal oder wenigstens ein Produkt und möchte sich dazu äußern. Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von allen, bemängelte Karl Valentin; wer hier Abhilfe schafft, wer die mündigen Bürger ermutigt, sich für überhaupt nichts mehr zu genieren, der hat ausgesorgt. Oberster Grundsatz: Bloß nichts für sich behalten.

Das Internet hat da einiges bewirkt, und auch wir Journalisten tun, was wir können. Einfach unsere Pflicht ist es, Ihnen mitzuteilen, dass im weltweiten Netz nunmehr ein menschliches Rektum auf Sie wartet. Wir meinen damit nicht die Website Ihres Vorstandsvorsitzenden, sondern ganz wörtlich: Die Organisatoren des Internet 2 haben eine solche anatomische Region, den "Virtual Pelvic Floor", online gestellt, natürlich in Farbe und 3D, und Sie dürfen das Gebiet interaktiv erforschen, vermögen Falten, Muskeln und Polypen zu studieren, denen Sie sonst nie begegnet wären. Reisen bildet.