Satire

CW-Wert

21.04.2000

Für notorische Zuspätkommer brechen düstere Zeiten an. Die dankbare Ausrede "Mein Wecker hat heute morgen nicht geklingelt" hat ausgedient. Schließlich ticken die Uhren im Internet-Zeitalter anders. Der per Web gesteuerte Weckruf kommt jeden Morgen per Telefon umsonst ins Haus und anderswohin. Seine Anbieter preisen ihn als "netten Alltagshelfer", der nicht mehr schrill klingt wie seine steinzeitlichen Vorgänger. Nein, man kann sich selbst mit einem aufmunternden "Schau, draußen scheint die Sonne" auf Touren bringen, sofern auf die Wettervorhersage Verlass ist . Um sechs Uhr morgens kann aber auch die Stimme der Liebsten aus dem Telefon flöten: "Hallo Mausi, steh schon mal auf und räum auf - ich komme später vorbei."

Na, wer wird sich da nicht freuen? Dabei könnte es ja morgens noch viel lustiger werden, wenn Ihr Chef sämtliche Schwellenängste gegenüber dem Internet überwindet und den Web-Ruf als einfaches, aber perfides Führungs-Tool entdeckt. Denn unter www. directbox.com genügen ihm wenige Clicks, dass er Bummelanten und Langschläfer täglich mit einem "Mensch Maier, für die Arbeit, nicht für den Schlaf leben wir" aus ihren Träumen reißt. Was nützt da schon der dezente Hinweis auf der Website, dass man darauf achten sollte, die richtige (eigene) Rufnummer einzugeben, damit der Weckruf nicht jemanden anderen aus dem Bett schleudert? Wir empfehlen: Zahlen Sie es Ihrem Chef mit gleicher Münze heim und holen Sie ihn per Weckruf aus der nächsten Besprechung. Wenn Sie Rache fürchten, ziehen Sie einfach das Telefonkabel aus der Dose.