Satire

CW-Wert

24.03.2000

Der Papst pilgert zu den Heiligen Stätten vom ägyptischen Berg Sinai - die dort an Moses ausgehändigten Gesetze gehören zu den meistbefolgten und meistignorierten - bis zu Christi Begräbniskirche in Jerusalem. Im Schlepptau des Heiligen Vaters folgen rund 50000 Katholiken, unter denen sich zum Ärger der dortigen Behörden auch einige Eiferer befinden, die Juden zum Christentum bekehren wollen - obwohl Missionieren in Israel gesetzlich verboten ist. Sozialarbeiter berichten schon länger davon, dass Missionare bei sozial schlecht gestellten Juden mit Hilfsangeboten für das Christentum werben. Nun wurde das Ministerium für innere Sicherheit aufgefordert, gegen die christlichen Umtriebe vorzugehen. Diplomatisch nützlich ist, dass das Ministerium angesichts der Papstreise noch keine Zeit fand, sich mit dem Problem zu befassen. Der Ernst der Lage wird den Ministerialen vermutlich erst aufgehen, wenn sie beim Online-Shopping über Seiten wie www.kath.ch/berufe/missionar.htm stolpern. "Christen sind Bettler, die weitersagen, wo es Brot gibt", wird dort für den Missionarsberuf geworben. Die Web-Seite verrät nicht nur die aus dem Urchristentum stammende und nach wir vor wirksame Bekehrungsstrategie, sie deutet auch auf eine für das Judentum möglicherweise gefährliche Arbeitsteilung. Die Armen werden mit Brot, die Reichen aber per Internet gelockt. Die weltweite Glaubensgemeinschaft der Börsianer weiß es längst: Ein attraktiveres Werbemedium als das Web gibt es nicht.