Satire

CW-Wert

23.08.2002

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? So heißt es in einem Volkslied um 1800. (Danke, Google - wir hatten schon Hannes Wader im Auge).

Jedenfalls teilen wir mit: In der hochtechnisierten Welt des 21. Jahrhunderts, in der die letzten Rätsel der Menschheit gelöst werden, gilt auch dieser Satz nicht mehr. Das Gedankengenom ist entschlüsselt. Diesen unzweifelhaften Fortschritt verdanken wir einmal mehr Amerika - und dort insbesondere der Weltraumbehörde Nasa.

Die Forscher können Gedanken lesen, vorzugsweise die schlechten. Von wegen: "Sie fliegen vorbei" - an den neuroelektrischen Sensoren der Nasa, die wohl schon bald an Flughafeneingängen platziert werden, fliegen nur noch die wahrhaft guten, reinen Gedanken vorbei. Alle anderen verraten sich, weil Gehirnströme und Herzschlag der Gedankenträger signifikant von der Norm abweichen. Um die so identifizierten Abweichler kümmert sich dann die US-amerikanische Gesetzgebung, mit ihrer ganzen sprichwörtlichen Härte natürlich.

Kein Mensch misstraut den amerikanischen Technikern, trotzdem empfehlen wir Europäern, sich vor Antritt einer USA-Reise medikamentös einzustellen. Unauffälligkeit ist das Maß der Dinge, Hirnströme und Herzschläge sollten möglichst nicht von der US-Norm abweichen. Wir raten deshalb im Vorfeld zur regelmäßigen Einnahme von Antidepressiva wie Prozac - die Pillen lassen sich am besten mit Coca-Cola hinunterspülen. Guten Gewissens können wir auch Nortriptyllin empfehlen, ein Medikament, dass Menschen positiv stimmt und ihnen Schuldgefühle nimmt.

Amitriptylinoxid hat sich bei Erwartungsängsten bewährt - für diejenigen, die angesichts der Kontrollen verzagen, aber gar nichts auf dem Kerbholz haben. Wer Psychopharmaka misstraut, kann es auch mit einer tief ins Gesicht gezogenen Baseball-Kappe oder Country-Musik auf dem Kopfhörer versuchen. Allerdings geben wir für diese Fälle keine Gewähr.