Satire

CW-Wert

12.01.2001

Ruhe ist das Schlimmste. Ein Zimmer, in dem kein elektronisches Gerät rappelt, ein Tag oder Monat, in dem man sich auf keinem Termin aufblähen kann, ein überraschendes Stück Leben, zu dem man nicht gleich eine einordnende Meinung von sich lässt - das hält niemand aus. Die Abschaffung der Ruhe wird daher von tüchtigen Industrien und dankbar zahlenden mündigen Bürgern energisch betrieben.

Das Berufsgeschehen leistet zur Durchschallung der Welt unschätzbare Beiträge, und zwar vor allem oben. Man gehe nur durch ein Unternehmen, eine Behörde, eine Zeitung, während die Leistungsträger zur Wichtigkonferenz verschwunden sind. Die Unteren sind alle noch da, die Büros also gut besetzt, aber man hört nichts. Manchmal behauptet einer mit gedämpfter Stimme, jetzt könne er endlich zwei Stunden lang ungestört arbeiten - was dabei schon herauskommt! Hierarchien schaffen Gemeinwohl: Wer seine Redekraft als Gabe versteht, die er den schwächer Bemittelten möglichst selten vorenthalten darf, der kriegt einen Platz, von dem aus er gut zu vernehmen ist.

Wenn nun die Londoner Tape Gallery sich anbietet, noch mehr Geräusch zu verbreiten, dann gebührt ihr Respekt und Anerkennung. Von www.sound-effects-library.com kann jedermann aus über 250 000 Tönen gegen mäßiges Entgelt herunterladen und weiterverwenden, was ihm gefällt. Vor allem für elektronische Einladungen empfiehlt die Galerie ihren Klangdienst: Ob Sie privates oder berufliches Fortkommen zu feiern haben, "komisches Kichern eines Mannes" (76 Pence) oder das "Brüllen eines Gorillas" werden Ihre ankündigende Mail zum "außergewöhnlichen Bombenerfolg" machen.