Satire

CW-Wert

28.06.2002

Eigentlich wollen wir ja Eindruck machen, tatsächlich aber hinterlassen wir Spuren. Das gilt vor allem für unser digitales Ich.

Findigen Marketiers geben wir die Gelegenheit, unseren Weg durch die Websites nachzuvollziehen, Chatrooms nach unseren Diskussionsbeiträgen zu durchforsten und Persönlichkeitsprofile zu erstellen, aufgrund derer sie uns mit maßgeschneiderten Werbebotschaften beglücken. Welche Schlüsse Geheimdienste und Verfassungsschützer aus unseren virtuellen Reisen sowie den realen Bewegungsdaten unserer Handys und Kreditkarten ziehen, möchten wir gar nicht so genau wissen. Schließlich haben wir nichts zu verbergen, oder? Anders die Schüler im australischen Bundesstaat Victoria, die nach Einschätzung des dortigen Oppositionspolitikers Phil Honeywood eigenmächtig die Viertage-Woche mit Gleitzeitregelung eingeführt haben: Sie machen bis zu 35 Tage im Jahr blau. Wie "Spiegel online" meldet, testet Erziehungsministerin Lynne Kosky derzeit an zwölf staatlichen Schulen die Komplettüberwachung der schulpflichtigen Bevölkerung: Fehlt ein Schüler unentschuldigt, schickt der Lehrer umgehend eine SMS an dessen Eltern. Die wiederum können sich ins elektronische Klassenbuch einloggen und gegebenenfalls eine Entschuldigung mailen. Hier haben wir endlich das fehlende Glied der Evolutionskette vom Babyphon zum Customer-Relationship-Management! Der (liberale!) Honeywood findet das nicht nur in Ordnung, sondern fordert sogar die schnelle Ausdehnung auf alle Schulen des fünften Kontinents. Und wir? Tja, wir wissen nicht, wie rege die Parlamentsdebatten in Australien besucht sind. Aber hierzulande würden einige Wählerinnen und Wähler sicher gern per SMS informiert, wenn ihr Abgeordneter mal wieder durch Abwesenheit glänzt.