Satire

CW-Wert

21.06.2002

Neulich war ich in einem Biergarten in der Nähe von Grünwald.

Sie wissen schon, der Münchner Vorort im Süden, in dem die Besserverdienenden der Weißwurst-Metropole vor sich hinvegetieren. Als ich mein gar nicht mal so billiges Rad über den Parkplatz schob, wurde ich leicht wehmütig angesichts der achtzylindrigen Ansammlung des Who is Who im Autobau.

Hätte man mich genau in der Stimmung für eine Untersuchung gewinnen wollen, wie die, die das "Wall Street Journal" jetzt unter rund 12500 Personen in 14 europäischen Ländern hat betreiben lassen - ich hätte mich sicher mit mir selbst einig gewusst, wie die Gehälter von Topmanagern zu bewerten sind.

Genau hierzu nämlich und zu den weiteren Verteilungsmechanismen von Reichtum wollte das Wirtschaftsblatt die Meinung des gemeinen Mannes wissen. Vom harten Fahrradsattel aus den Blick über die S-Klasse, X-Type und Maserati schweifen lassend, hätte ich wahrscheinlich auch nicht geantwortet, dass die Vorstände an einer zu geringen Entlohnung leiden. Auch ich wäre natürlich dafür, dass nicht nur die Obersten der Firmenhierarchie ein finanzielles Zubrot erhalten, sollte sich der Wert der Unternehmensaktie steigern, sondern zuvörderst ich selbst.

Als ich aber alkoholbeseelt den Biergarten wieder verließ, packte mich völlig überraschend ein großes Harmoniebedürfnis. Plötzlich wollte ich jedem alles gönnen und kam deshalb zu folgenden Schlüssen: Erstens lügen Studien grundsätzlich. Zweitens ist die Welt viel schöner, als Journalisten sie machen. Drittens war Marx wenigstens einmal fast auf dem richtigen Weg, als er von Religion und Opium fürs Volk sprach. Gebt uns also Drogen, und wir schönen jede Statistik.