Satire

CW-Wert

11.01.2002

Meine Großmutter war etwas ganz Einzigartiges. Das redeten ihr zumindest diese Buchhaltertypen ein, die sie mit Lochkarten fütterten, um das zu bekommen, was sie wollten - penibel sortierte Daten.

Meine Mutter bewies mehr Stil: Ihre Liebhaber rekrutierte sie nicht aus dem Heer der Ärmelschoner-Träger, sondern aus IT-Managern mit Geschäftsleitungs-Ambitionen. Und bei Tisch teilte sie den "einfachen Geschmack" eines Oscar Wilde: Das Beste und Teuerste - IMS, DB2, R/2 und andere Leckereien - war ihr gut genug. Ihre jüngere Schwester schlug dagegen aus der Art: Sie hatte eine Schwäche für Turnschuhträger, die sich von Ananas-Pizza ernährten und ihr mit buntem Tand den Hof machten. Einige dieser Nerds haben immerhin eine Menge Geld gescheffelt, erfolgreich ihre Pickel bekämpft und die Sneakers gegen Designerschuhe eingetauscht. Damit wurden sie auch für mich interessant; ein paar davon hielt ich mir zum Amüsement. Aber ein hübsches Mädchen wie ich darf seine Reize nicht unter Wert verkaufen. Jedenfalls gelang es mir schließlich, die ganz großen Tiere auf mich aufmerksam zu machen. Im Vertrauen: Dieses pheromonhaltige Parfüm namens "Ebiz" war dabei ganz hilfreich. Eine Weile lebte ich gut davon, den Topmanagern das Blaue vom Himmel zu versprechen. Doch leider merkten sie irgendwann, dass ich beim besten Willen nicht das war, was ihre überbordende Phantasie ihnen vorgaukelte. Und so verloren sie das Interesse. Jetzt muss meine Tochter uns ernähren. Sie ist nicht besonders sexy, hat aber einen hellen Kopf und ist von dem rührenden Wunsch beseelt, "sich nützlich zu machen" - in Zeiten wie diesen vielleicht gar keine so üble Mitgift.