Satire

CW-Wert

16.07.2004

Wir gehen ja immer von der irrigen Annahme aus, das Äußere lasse Rückschlüsse zu auf die wahre Verfasstheit eines Menschen.

Schönen Geschöpfen dichtet man etwa Erfolge in allen Lebenslagen an. In den USA und anderswo resultiert daraus unter anderem der logische Kurzschluss, nur schlanke Manager seien auch gute. Das ist ein Vorurteil, und nicht das beste, wie man weiß.

Ein anderes Vorurteil hat jetzt die Chemnitzer Professorin Astrid Schütz hinterfragt. Die Wissenschaftlerin ist Expertin in Sachen differentielle Psychologie und Persönlichkeitsausbildung und beschäftigt sich mit interpersonellen Beziehungen, Selbstkonzepten und dem Selbstwertgefühl von Menschen.

Sie wollte wissen, ob Besitzer privater Internet-Seiten tatsächlich narzisstisch veranlagt sind. Hierzu befragte sie 300 zufällig ausgewählte Deutsche, die sich und ihr Leben, die dazu gehörigen Gartenzwerge, Vorlieben, Hobbys, seelischen Tiefen und Highlights vor aller Welt im Internet ausstellen. Das ins vulgär-populistisch gewendete tausendfache "Sehet, welch ein Mensch!" hinterfragte Schütz mit einem standardisierten Persönlichkeitstest.

Und siehe da: Wir schauen in den Abgrund. Introvertierter als Vergleichspersonen ohne Internet-Auftritt sind die Schausteller mit Web-Auftritt, "im sozialen Umgang unsicherer". "Ein negatives Selbstbildnis" bescheinigt die Forscherin den Werbetreibenden in eigener Sache zudem. Seien wir doch ehrlich: Das ist genau, was wir bestätigt wissen wollten. Sozial depraviert, verhaltensauffällig, irgendwie komisch müssen Menschen sein, die ihr Privates vor einem Millionenpublikum ausbreiten.

Naja, und zugegebenermaßen denkt es sich auch so angenehm leicht, wenn man von wissenschaftlicher Seite bestätigt bekommt, was man ohnehin schon immer gewusst haben wollte. Oder etwa nicht?