CW-Gespraech mit den Vice-President der IBM Microelectronics Luis Arzubi: "Die Kooperation zwischen Intel und HP mag ich"

24.06.1994

Luis Arzubi, Vice-President Memory/Micro/ASICs der IBM Microelectronics, sprach mit CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstaetter ueber die neuen "Blue-Lightning"-Prozessoren aus der Cyrix-Entwicklung und die Marktchancen fuer den Power-PC-Prozessor angesichts der bekanntgewordenen Kooperation zwischen Intel und Hewlett-Packard.

CW: Sie kuendigen heute die ersten Blue-Lightning-Prozessoren an, die Cyrix entwickelt hat. Was werden die zukuenftigen PC-CPUs der IBM sein?

Arzubi: Cyrix und IBM vermarkten unabhaengig voneinander: Es wird Cyrix-Produkte geben, die von Cyrix verkauft werden, und es wird IBM-Chips geben, die von uns angeboten werden. Bei der x86- Produktlinie sind einige unserer CPUs identisch mit denen von Cyrix, andere werden sich davon unterscheiden.

CW: Was waren die Gruende fuer Ihren Wechsel von Intel zu Cyrix?

Arzubi: Nun, es gab diese Vereinbarung mit Intel aus dem Jahre 1986, die die Moeglichkeit zur Weiterentwicklung auf die Bus- Schnittstelle und die Groesse des Cache-Speichers beschraenkte. Neue Instruktionen oder Superscalar- und Superpipeline-Techniken durften nicht implementiert werden.

CW: Die waeren aber fuer Leistungssteigerungen in der Groessenordnung des Pentium-Chips notwendig.

Arzubi: Genau. Mit diesen Beschraenkungen konnten wir keine wettbewerbsfaehigen Produkte entwickeln.

CW: Bedeutet das, dass trotz der Verlaengerung des Intel-Abkommens im Herbst vergangenen Jahres auf die Dauer gesehen die Intel- Produkte bei IBM auslaufen werden?

Arzubi: Ja, wir werden hier nicht weiterentwickeln. Die PC-Company der IBM ist davon natuerlich nicht betroffen, die setzen Intel- Chips ein, solange sie es fuer richtig halten. Aber wir bereichern mit Cyrix unseren Speisezettel.

CW: Wieso fiel Ihre Wahl auf Cyrix?

Arzubi: Die Cyrix Corp. hat bewiesen, dass sie starke Leistungsverbesserungen aus der x86-Architektur ziehen kann.

CW: Zum Beispiel?

Arzubi: Die Technik des Write-back-Cache stammt von Cyrix. Diese Art von Cleverness hat uns gleich gefallen.

CW: Und wo liegen die Vorteile fuer die Texaner?

Arzubi: Als Cyrix anfing, Chips zu bauen, suchten sie sich vier, fuenf Hersteller. . .

CW: . . . vermutlich um eine kontinuierliche Produktion sicherzustellen. . .

Arzubi: . . . das mag zutreffen. Aber Sie bekommen bei vier verschiedenen Herstellungsverfahren die Schwaechen eines jeden zu spueren. Und Cyrix hatte keinen langfristigen Kontrakt vorzuweisen. Wir garantieren fuer die naechsten fuenf Jahre die Bereitstellung modernster Fertigungstechnologie.

CW: Der IBM wurde vertraglich zugesichert, auch die Prozessoren alleine verkaufen zu duerfen, Intel erlaubte nur die Vermarktung von Hauptplatinen.

Arzubi: Das stimmt.

CW: Nun dreht aber Intel im Board-Geschaeft maechtig auf. Nach unserer Information wird Intel 1994 die Haelfte der sieben Millionen Pentiums ueber Hauptplatinen absetzen.

Arzubi: Das stoert uns nicht, im Gegenteil. Unsere Kunden treffen auf ein Angebot, das sie nicht wollen, die moechten ihr eigenes Motherboard entwickeln. Wir kennen das zur Genuege, da wir ja bis jetzt nur CPU-Platinen verkaufen durften. Aber nun koennen wir anbieten, was der Kunde

moechte: Prozessoren, Komponen und Platinen.

CW: Was hat der Anwender davon?

Arzubi: Wenn Sie den Intel-Ansatz durchdenken, dann kommen am Ende identische Rechner heraus, die sich nur durch die Farbe des Gehaeuses unterscheiden. Das kann nicht im Sinne der Anwender sein. Wenn es mehr als einen Anbieter gibt, werden wir auch unterschiedliche Rechner bekommen.

CW: Mit der Cyrix-Vereinbarung bewegen Sie sich aber weiterhin innerhalb der Intel-Architektur und staerken sie sogar noch. Gilt die Aussage der IBM bei der Einfuehrung des Power-PCs nicht mehr: Mit einem Chip vom Palmtop zum Teraflop?

Arzubi: Kurz- und mittelfristig bedienen wir die Nachfrage nach Intel-kompatiblen Komponenten. Aber die Zukunft gehoert RISC, was bei uns die Power-Architektur bedeutet. Wir bleiben also bei unserer Aussage.

CW: In der Oeffentlichkeit herrscht momentan Unklarheit darueber, wie die CPU fuer zukuenftige AS/400-Systeme aussehen wird. Ihre Kollegen in Rochester sprechen vom einem Power-PC-Chip, die Entwickler in Somerset von einer Mehr-Chip-Implementierung. Was stimmt nun?

Arzubi: Die Entwicklungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir suchen die beste Loesung und wollen uns jetzt nicht durch irgendwelche Aussagen festlegen.

CW: Dieser Chip wird aber definitiv nicht der gleiche sein, der, sagen wir, zukuenftig von Apple eingesetzt wird.

Arzubi: Nein, es handelt sich natuerlich um einen High-end- Prozessor, aber speziell auf die AS/400 zugeschnitten.

CW: Dann ist Motorola an dieser Entwicklung nicht beteiligt?

Arzubi: Die AS/400 ist ein proprietaeres Geschaeft. Motorola hat natuerlich kein Interesse daran, da alle Chips in dieses System gehen, das nur von IBM verkauft wird.

CW: Anderen Herstellern wird dieser Prozessor also nicht zur Verfuegung gestellt?

Arzubi: Das haben wir noch nicht entschieden, da die Entwicklung noch nicht abgeschlossen und die finanzielle Situation noch nicht klar ist.

CW: Wann, glauben Sie, wird die AS/400 auf die Power-Architektur umgestellt werden?

Arzubi: 1996/97.

CW: Also nicht, wie Rochester ankuendigte, bereits im naechsten Jahr?

Arzubi: Vielleicht machen wir Ende 1995 die Ankuendigung.

CW: Was sagen Sie zur juengst geschlossenen Vereinbarung zwischen Intel und Hewlett-Packard?

Arzubi: Ich mag diese Kooperation.

CW: Wirklich?

Arzubi: Ja, sie zeigt doch, dass Intel erkannt hat, dass RISC eine signifikante Architektur und in vieler Hinsicht der Technik ueberlegen ist, die sie momentan haben. Und das haben sie jetzt offiziell zugegeben.

CW: Aber wieso gerade HP als Partner?

Arzubi: Weil es darauf ankommt, RISC gut zu implementieren, was HP meiner Meinung nach mit der Precision Architecture ueberzeugend gelungen ist. Und: Sie sind hier und heute damit fertig. Intel hat erkannt, dass RISC wichtig ist und dass sie auf einem sicheren Weg so schnell wie moeglich dahin kommen muessen.

IBM: Cyrix statt Intel

Geknebelt durch einen Vertrag mit Intel war die IBM bei der Entwicklung von x86-Prozessoren. Das im Jahr 1986 geschlossene Abkommen zwischen den beiden DV-Groessen erlaubte Big Blue zwar die Nutzung des 386-Befehlssatzes, schraenkte aber die Moeglichkeit zur Modifikation und Weiterentwicklung stark ein. Und es gab der IBM nur das Vermarktungsrecht fuer Board-Produkte, nicht fuer den einzelnen Chip. Aus dieser Zwickmuehle befreite sich die IBM Microelectronics durch einen Partnerwechsel. Statt mit Intel tanzt man nun mit der Cyrix Corp., die fuer die IBM eine noch wichtigere Rolle spielt als vorher Intel. Big Blue produziert nicht nur die Cyrix-Prozessoren, sondern darf sie - in welcher Form auch immer - unter eigenem Namen vermarkten.

Cyrix bietet die ersten CPUs aus der IBM-Fertigung in Burlington an

486DX2-V66 fuer Notebook-Rechner und 486DX2-V80 fuer Desktops, beide arbeiten mit 3,3 Volt. Der 1000er Stueckpreis liegt bei 249 Dollar fuer das 66-Megahertz-Modell und bei 294 Dollar fuer die Variante mit 80 Megahertz. IBM wird diese neuen Prozessoren im Rahmen der Blue-Lightning-Serie anbieten.

Fuer das erste Quartal 1995 wollen beide Firmen die "M1"-CPU auf den Markt bringen, die Pentium-Qualitaeten aufweisen wird. Der mit Superskalar- und Superpipelining-Technik ausgestattete Chip soll mit mindestens 100 Megahertz getaktet und in 0,5-Mikron-Technik gefertigt sein.