CW-COMM-PRIX -77 Norsys - It works

28.10.1977

Dr. Gerhard Maurer

Die Systembeschreibung von HENKEL-NORSYS liest sich wie eine Aneinanderreihung von Schlagworten aus klugen Vorträgen und weisen Büchern. Wie oft wurden nicht schon Forderungen erhoben wie "Zurückverlagerung der Systemverantwortung in die Fachabteilungen", "Trennung zwischen Sachlogik und DV-Technik", "Standardisierung durch problemneutrale und maschinenunabhängige Beschreibungsverfahren", "Identität von Benutzerdokumentation und Programminhalt"!

Das Interessante an Norsys Ist: It works. Die Henkel- Mannschaft hat den Beweis erbracht, daß eine Normierung der Schnittstellen zwischen Fachabteilung und DV-Abteilung möglich und auch sinnvoll ist. Die Forderungen aus Sonntagsreden und programmatischen Artikeln lasen sich realisieren - zum Nutzen aller Beteiligten. ''

Der Benutzer als Gewinner

In ihrer Darstellung des Norsys-Systems bei der COMMPRIX-Preisverteilung haben die Autoren bescheiden darauf hingewiesen, daß der "heimliche Gewinner dieses Preises der aufgeschlossene Benutzer im Hause Henkel" sei. "Ohne sein aktives Mitwirken an der von uns gewählten Vorgehensweise bei der Systemgestaltung und -pflege", so die Preisträger, "wäre HENKEL-NORSYS zum Scheitern verurteilt gewesen."

Indes, nur gewinnt man nicht - auch nicht bei Druck von oben - ein ganzes Haus voller Fachabteilungen zu aktiver Mitarbeit bei einer Revolution der Systemplanung, bei einer totalen Umstellung des althergebrachten durch Normierung, wenn die Vorteile nicht offenkundig sind.

Was anderweitig sicherlich weiterhin geleugnet wird, geben die Henkel-Planer offen zu: Vor der Normierung der Systemgestaltung waren die Anwendungen "stark vom Sach-, oft sogar vom Kunstverstand des einzelnen Analytikers oder Programmierers geprägt". Bei unzulänglichen Dokumentationen waren Änderungen in bestehenden Programmsystemen meist nur vom jeweiligen Autor durchzuführen. Die Systeme wurden "teilweise an den Bedürfnissen der Benutzer vorbeiproduziert".

Henkel kann sich diese Selbstkritik heute leisten, denn die Probleme sind mit Norsys nunmehr im Griff. Vermutlich Ist nur der so offen und ehrlich, der heute vor diesen Problemen gefeit ist.

Anlaß zum Nachdenken

Eine detaillierte Beschreibung des Norsys-Systems erfordert viele Seiten, rechtfertigt wohl auch eine Fortsetzungs-Serie. Interessant ist, daß es sich um einen Methoden- und Werkzeug-Mix handelt, zu dem Generatoren für Normierte Programmierung und für Entscheidungstabellentechnik, ein Quellenverwaltungsprogramm, eine Abfragesprache mit List-Generator, Standard-Testhilfen und letztlich auch ein Tuning-Verfahren gehören. Daß es machbar ist, all diese Tools sinnvoll zu kombinieren - selbst wenn das ein sechshundert Seiten umfassendes Systementwicklungs-Handbuch erfordert, ist eine wichtige Erkenntnis aus der Henkel-Praxis Und nachzuweisen ist auch, daß sich erhöhter Zeitaufwand in der Design-Phase lohnt, weil er beim Programmieren und vor allem beim späteren Warten, mehr als eingespart wird.;

Gewiß, Norsys. dürfte sich kaum für kleinere Unternehmen eignen, in denen man nicht zwischen Informationsarten und Aufgabenstrukturen zu unterscheiden braucht, weil die Kommunikationskanäle noch überschaubar sind. Andererseits gibt es außer Henkel noch zahlreiche weitere Großfirmen, die hausintern Normierungen des Systementwicklungsprozesses entwickelt haben.

Gerade aber für mittlere bis größere Unternehmen sollte die Verleihung des CW-COMM-PRIX 77 an das Norsys-Team Anlaß sein, zu überdenken, was im Hause anders gemacht werden könnte.