Customer-Realationship-Management/IT-Unterstützung für den Anzeigenverkauf

Customer-Relationship-Management und Data-Mining sind Chefsache

10.12.1999
Der Anzeigenmarkt für Fachzeitschriften in Deutschland ist hart umkämpft. In kaum einem Land gibt es eine höhere Titeldichte pro Brachensegment. Helmut Kluger* schildert, mit welcher IT-Strategie der Verlag Moderne Industrie, eine Tochter des Süddeutschen Verlags, für Gegenwart und Zukunft seines Anzeigengeschäfts sorgt.

Im Fachzeitschriftenbereich Elektronik konkurrieren hierzulande zehn Zeitschriften um ein Brutto-Anzeigenvolumen von rund 30 Millionen Mark. Für Verlage, die nicht nur ihre Position behaupten, sondern sogar wachsen wollen, sind die nötigen Voraussetzungen klar vorgezeichnet: hervorragende Produkte und Media-Leistungen sowie eine Verkaufsmannschaft, die diese Leistungen effizient vermarktet und dabei durch Informationstechnik unterstützt wird.

Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei verkaufsfördende Softwaresysteme, die Prozesse und organisatorische Abläufe unterstützen und die Anwender schnell und umfassend mit Kundeninformationen versorgen. Dies steigert nicht nur die Produktivität, sondern schafft gleichzeitig die Grundlage für ein gezieltes Customer-Relationship-Marketing. Als Lohn dafür winken ein höherer Sympathiewert der Zeitschrift und des Unternehmens, der sich in einem steigenden Anzeigenumsatz niederschlägt. Der Bereich Fachzeitschriften des Verlags Moderne Industrie AG und Co. KG belegt dies.

Der Verlag Moderne Industrie in Landsberg am Lech gehört seit 1993 zum Süddeutschen Verlag und ist Teil der Gruppe Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen GmbH. Das Spektrum reicht von Fachzeitschriften über Bücher, Loseblattwerke, Enzyklopädien, Newsletter und neue Medien bis hin zur Veranstaltung von Seminaren und Konferenzen. Im Bereich Zeitschriften erscheinen zwölf Fachtitel für die verarbeitende Industrie mit den Schwerpunkten Automobilbau, chemisch-pharmazeutische Industrie sowie die Bereiche Elektrotechnik, Elektronik, Maschinenbau und Medizin in einer monatlichen Auflage von zusammen 370000 Exemplaren. Das jährliche Anzeigenvolumen beläuft sich auf 45 Millionen Mark, verteilt auf mehr als 5000 Anzeigenseiten, die 28 Anzeigenverkäufer via Telefon vermarkten - unterstützt werden sie dabei von vier Disponenten und 13 Assistenten.

Verantwortlich für die Effizienz der Verkaufsmannschaft war die Integration und Vereinheitlichung der Verkaufsprozesse. Bis dahin hatten die zwölf Verkaufsabteilungen bei der Verwaltung der Kundendaten ihr eigenes Süppchen gekocht. Für jeden Fachzeitschriftentitel existierte ein separates elektronisches Verkaufssystem, mit dem sich jedoch lediglich Adressen abrufen und selektieren ließen. Weiterführende Informationen, Telefonnotizen, die Korrespondenz sowie die gesamte Wiedervorlage befanden sich hingegen auf Karteikarten, was eine gezielte Akquise und Kundenansprache erschwerte. Darüber hinaus verhinderten selbst- und fremdentwickelte Softwaresysteme in der Anzeigenverwaltung und im Anzeigenverkauf den Austausch von Buchungsinformationen.

Um den Zugriff auf verkaufsunterstützende Kundendaten zu beschleunigen und Prozesse zwischen den Abteilungen transparenter zu gestalten, entschloß man sich zur Einführung einer übergreifenden Lösung. Sie sollte den Datenbestand der zwölf Verkaufsabteilungen in einer zentralen Datenbank vereinen und die Abläufe im Telemarketing abbilden. Weitere Anforderungen waren offene Schnittstellen zu den Abteilungen Redaktion, Herstellung und Vertrieb sowie eine hohe Ausfallsicherheit - bedeutet doch jeder Tag Stillstand einen Umsatzverlust von mindestens 200000 Mark.

Die Entscheidung für die Software "Verlagsmanager" der Müller & Prange GmbH aus München fiel innerhalb kurzer Zeit. Die Funktionalität dieser Standardsoftware für Verlage spiegelte die Abläufe und Prozesse im Anzeigen-Marketing und -Management am besten wider. Als günstiger Zeitpunkt für die Implementierung bot sich der Umzug des Fachzeitschriftenbereichs in ein anderes Gebäude an. So ließ sich das System auf ein neues Netzwerk einschließlich neuer Hardware aufsetzen. Zuvor mußte jedoch eine Arbeitsgruppe die rund 1200 Begriffe umfassende Nomenklatur der zwölf Verkaufsabteilungen zusammenführen und optimieren. Sie beschreibt beziehungsweise priorisiert die Anzeigenkunden sowie deren Produkte und staffelt sich, ausgehend vom Hauptbegriff (zum Beispiel Fertigungstechnik) über einen Oberbegriff (zum Beispiel spanende Fertigung) bis zur Produktgattung (zum Beispiel Drehmaschinen) und dem Produktnamen, in maximal vier Ebenen.

Anschließend begann der dreimonatige Probebetrieb, während dem das System zunächst mit Testdaten an drei Arbeitsplätzen im Verkauf und einem in der Anzeigenverwaltung lief. Parallel dazu erfolgte bereits die Übernahme der Datenbestände. Als unerwartetes Hindernis entpuppte sich dabei die Datenstruktur der alten Verkaufssysteme, die mit der relationalen Datenbank von Verlagsmanager nicht kompatibel war. Fünf externe Mitarbeiter mußten daher die Kunden- und Adreßdaten manuell eingeben. Dieser unfreiwillige Mehraufwand hatte jedoch auch sein Gutes: Die Daten wurden aktualisiert, Dubletten bereinigt und die Informationen neu bewertet, was sich positiv auf die Adreßqualität und damit auf den Erfolg der Kundenansprache auswirkte.

Nach Ablauf der Testphase wurde das alte System planmäßig abgeklemmt und an allen Arbeitsplätzen mit dem Verlagsmanager weitergearbeitet. In den folgenden sechs Monaten ging es schließlich darum, die Spielregeln in der Benutzung des neuen Systems zu definieren: Wie werden Memos behandelt? Oder: Wie erfolgt die Pflege der Daten?

In diesen Zeitraum fiel auch die Optimierung des Systems, das zunächst nur mit verminderter Arbeitsgeschwindigkeit lief. Das Hauptproblem lag dabei in der Konfiguration des Servers und der Client-Rechner sowie in der großen Zahl unterschiedlicher Netzwerkprotokolle. Es löste sich nach der Umstellung auf TCP/IP.

Transparente Kundensicht

Den Kern von Verlagsmanager bilden derzeit mehr als 21000 Kunden- und Agenturadressen mit über 32000 Ansprechpartnern sowie rund 22000 Gesprächsnotizen. Neben allgemeinen Angaben speichert das System auch kundenspezifische Merkmale wie: Mit welchen Fachmagazinen ist der Kunde noch verknüpft, und welche Produkte bewirbt er dort? Welche Messen besucht er? Hat er Geschenke erhalten und wenn ja, wann? Nutzt er den Online-Leserdienst? Welches sind seine Hobbys, Vorlieben, Gewohnheiten?

Statistiken, die die Verkaufsassistenten früher aufwendig von Hand erstellen mußten und die dem Verkauf dazu dienen, seinen Standort zu bestimmen und die Akquise zu optimieren, liefert das System nun auf Tastendruck. Eine weitere Stärke ist die Korrespondenzdatei, die nahezu 50000 Briefe vorhält und die Kundenkontakte lückenlos abbildet.

Zusätzlich zum effizienten Data-Mining verwaltet sich der Anzeigenverkauf nun größtenteils selbst: Sowohl die Wiedervorlage von Kontakten als auch Mailings und die individuelle Korrespondenz der Anzeigenverkäufer erledigt das System und setzte in den Assistenzen dadurch Kapazitäten für andere Aufgaben frei. Dazu zählen die Selektion des Informationspools nach definierten Vorgaben und die zentrale Pflege des Adreßbestands - dadurch wird dem Wildwuchs im System vorgebeugt und eine gleichbleibende Adreßqualität gesichert.

Aber auch die Anzeigenverwaltung als titelübergreifendes Dienstleistungs-Center profitiert von der Integration der Geschäftsprozesse und dem daraus resultierenden Workflow. Die Bearbeitung der derzeit rund 10000 Anzeigen pro Jahr einschließlich Buchungsbestätigung, Rechnungsstellung, Belegversand und Lithoverwaltung erledigen vier Ganztagskräfte - eine im Branchenvergleich niedrige Zahl.

Der gemeinsame Kunden- und Informationspool beeinflußte nicht nur die Arbeitsabläufe, sondern erforderte von den Anzeigenverkäufern auch ein neues Denken. Hatte früher jeder Verkäufer seinen eigenen "Privatkunden"-Bestand, so greifen die Mitarbeiter anderer Titel jetzt ebenfalls darauf zu. Über das anfängliche Wettbewerbsdenken siegte jedoch bald der Teamgeist, da der zentrale Datenbestand eine gezieltere Kundenansprache ermöglicht. In der Vergangenheit kam es beispielsweise häufiger vor, daß mehrere Anzeigenverkäufer an einem Tag beim selben Kunden akquirierten. Dies senkte nicht nur die Erfolgsquote, sondern sorgte auch für Verärgerung. Durch die Memofunktion informieren sich die Verkäufer jetzt gegenseitig über ihre Kontakte beziehungsweise darüber, ob der Kunde an diesem Tag überhaupt erreichbar ist - die automatische Wiedervorlage verbesserte zusätzlich die Termintreue. Einen spürbaren Zeitgewinn brachte der Verlagsmanager auch bei der Organisation von Marketing-Aktionen. Während das Erstellen einer Einladungsliste für eine titelübergreifende Veranstaltung früher einen Tag Arbeit bedeutete, benötigt das System dafür jetzt nur wenige Minuten. Die Folgen: Die Verkäufer nutzen ihre Kapazitäten effektiver, und die Schlagzahl im Verkauf stieg an.

Als zentrale Herausforderungen für die Etablierung eines übergreifenden Informations-Managements wird häufig die Änderung der Unternehmenskultur genannt. Um den Mitarbeitern den Abschied von Herrschaftswissen zu erleichtern, sind nicht unbedingt spezielle Anreize oder Trainings zur Teamentwicklung nötig. Wie das Beispiel zeigt, genügt eine Softwarelösung, die den Anwender lenkt, die Arbeit effizienter macht und schnell sichtbare Erfolge liefert.

Dennoch gilt: Selbst die beste Verkaufssoftware ist immer nur so gut wie ihr Input. Erfolgreiches Database-Marketing erfordert von den Anwendern deshalb ein Höchstmaß an Disziplin sowie klare Regelungen. Anders ausgedrückt: Data-Mining und Customer-Relationship-Management sind Chefsache.

ANGEKLICKT

Der entscheidende Vorteil eines integrierten Informations-Managements im Anzeigenverkauf besteht in der engeren Kundenbindung. Wie die Aussagen von Werbeverantwortlichen zeigen, erhöht sich der Sympathiewert der Verkaufsmannschaft deutlich. Die Kunden schätzen die persönlichere Ansprache und honorieren dies mit einem höheren Schaltvolumen. Dieser Erfolg des Customer-Relationship-Marketings läßt sich in Zahlen ausdrücken: Innerhalb von zwei Jahren stieg der Anzeigenumsatz im Bereich Fachzeitschriften um knapp 30 Prozent.

*Helmut Kluger ist Verlagsleiter des Bereichs Fachzeitschriften beim Verlag Moderne Industrie AG und Co. KG in Landsberg/Lech.