Customer-Relationship-Management: Software kann fehlende Strategie nicht ersetzen

01.03.2002
MÜNCHEN (IDG) - Jedes fünfte CRM-Projekt hat offenbar negative Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen gehabt. Dies ist das Ergebniss einer Befragung von Bain & Co. bei rund 400 Unternehmen. Über die Gründe des Scheiterns sprach Kathleen Melymuka, Redakteurin der CW-Schwesterpublikation "Computerworld", mit Bain-Director Darell Rigby.

CW: Worin liegen beim Thema CRM die häufigsten Missverständnisse?

Rigby: Das größte Problem ist, dass Entscheider oftmals Software mit Strategie verwechseln. Viele verstehen überhaupt nicht, was sie eigentlich implementieren wollen, und beschränken sich auf Fragen nach Kosten und Projektdauer. Sie denken über Automatisierungspotenziale, geringere Betriebskosten sowie verbesserte Zielgruppenprofile nach und glauben, mit der Software eine Allzweckwaffe zu besitzen. Eine Strategie für die Neuorganisation von Kundenbeziehungen fehlt häufig.

CW: Worum geht es bei CRM-Projekten wirklich?

Rigby: CRM richtet Geschäftsprozesse nach Kundenbeziehungsstrategien aus, um die Kundenzufriedenheit und den Gewinn zu erhöhen. Sie werden bemerkt haben, dass in dieser Definition das Wort Software nicht vorkommt.

CW: Wie lässt sich eine CRM-Strategie entwickeln?

Rigby: Die Beteiligten müssen die richtigen Fragen stellen, beispielsweise: Welche Änderungen im Angebot erhöhen unsere Attraktivität, oder: Welche Kunden sind profitabel? Man will ja kein zusätzliches Geld in Abnehmer investieren, die keine Gewinne einbringen.

CW: Wenn Unternehmen eine Strategie entwickelt haben, können Sie dann sofort mit der technischen Umsetzung beginnen?

Rigby: Die Strategie ist nur der erste Schritt. Vor dem Beginn des IT-Projekts müssen die Geschäftsprozesse auf die Strategie ausgerichtet werden.

CW: Wie sehen solche Prozessänderungen in der Praxis aus?

Rigby: Ein amerikanischer Finanzdienstleister hat beispielsweise vor einiger Zeit ein System für die Messung der Wartezeiten von Call-Center-Anrufern eingeführt. Dies führte dazu, dass die Telefonisten mehr darauf bedacht waren, den Kunden schnell abzufertigen, als den optimalen Service anzubieten. Das Management hat darauf reagiert und diese Messungen eingestellt. Alternativ wird seitdem untersucht, wie viel Prozent der Kunden ihr Anliegen beim ersten Anruf komplett erledigen konnten. Es kommt also immer darauf an, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

CW: Derartige Veränderungen der Organisation können sich über Jahre hinweg ziehen. CEOs fordern hingegen schnelle Resultate. Wie kann das CRM-Team diesen Spagat bewältigen?

Rigby: Die besten Resultate lassen sich erreichen, wenn das CRM-Programm in überschaubare Module aufgeteilt wird. Am besten beginnt man mit Bereichen, die eine hohe Akzeptanz und schnelle Ergebnisse erwarten lassen. Gelingt dies, ist es leichter, zusätzliche Gelder für weitere Aufgaben zu erhalten.

CW: Können Sie ein Beispiel anführen?

Rigby: Wal-Mart hat ein ausgefeiltes System für die Analyse, welche Artikelkombinationen Kunden einkaufen. Dort wurde das Sortiment so umgestellt, dass diese Produktgruppen nahe beisammenstehen. Dieser auf die Kundenbequemlichkeit ausgerichtete Umbau ist ein wichtiger Teil für Wal-Marts Erfolg. Die Ausgabe von Kundenbindungskarten ist dagegen nicht umgesetzt worden.